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KANTONE UND IHRE BILDUNGSKULTUR
ОглавлениеDas Thema Chancengerechtigkeit entzündet sich oft an den kantonal unterschiedlichen gymnasialen Maturitätsquoten.9 2016 reicht die Bandbreite von Obwalden (11 Prozent) und Schaffhausen (13 Prozent) bis zu Genf (29 Prozent) und Baselstadt (30 Prozent).10
Man stösst sich schon lange an den ungleichen Maturitätsquoten in den Kantonen. Aktuelle Umfragen, die allerdings mit der nötigen Vorsicht zu handhaben sind, zeigen einen weitverbreiteten Wunsch in der Schweizer Bevölkerung nach einheitlichen Maturaprüfungen und -quoten. Darf es sein, dass ein Jugendlicher aus Baselstadt die dreimal höhere Chance hat, ans Gymnasium zu kommen, als ein Jugendlicher aus Obwalden? Sind die Welschen mit ihren generell höheren Maturitätsquoten etwa klüger als die Deutschschweizer, fragt man rhetorisch. Und drückt damit die Vermutung aus, dass in der Romandie einfach die Hürde bzw. das Niveau tiefer sei. Stimmt diese Annahme?
Nicht unbedingt. Wenn in der Romandie die Maturitätsquote höher ist, dann hat das mit dem kulturellen und historischen Stellenwert des akademischen Bildungswegs zu tun, mit der Nähe zu Frankreich und seinem Bildungssystem. Die hohe gymnasiale Maturitätsquote in der Romandie bedeutet nicht, dass dort das Niveau viel tiefer ist als in der Deutschschweiz. Es können in der Schweiz problemlos mehr Jugendliche das Gymnasium machen, ohne dass das Niveau sinkt. Sind die Romands also klüger? Wenn wir davon ausgehen, dass gymnasiale Bildung mehr ist als warme Luft, dann: Ja! Oder man kann differenzieren: Klüger sind sie vielleicht nicht, aber schulisch gebildeter.
Unterschiede gibt es auch zwischen den Kantonen, innerhalb der Kantone, der Städte und Gemeinden. Spiegelt der Unterschied in den Quoten eine Ungerechtigkeit? Ist es in gewissen Gemeinden einfacher, ins Gymi zu kommen? Ist das Niveau dort tiefer? Wenn Akademikereltern in urbanen Zentren mehr Energie in die Vorbereitung ihrer Kinder stecken, wenn sie den Nachwuchs ins Lernstudio schicken, dann kommen diese Kinder auf ein höheres Niveau. Deshalb liegt dort die Quote höher, ohne dass deshalb die Aufnahmeprüfung oder die Maturität leichter wäre.
Akademikerfamilien bemühen sich in der Regel um schulischen Erfolg. Bildungsaffin heisst nicht einfach, dass man Bildung «irgendwie ein bisschen gut findet». Sondern man tut etwas dafür, strengt sich an, investiert Zeit und Energie. Und als Folge davon wird man besser bzw. gebildeter. Deshalb kann man Leistung nicht einfach trennen vom sozialen Hintergrund.