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Peinlich

Zaplinski öffnete die Tür zum Obduktionssaal. Franziska Richter beugte sich gerade über einen nackten Körper, der vor ihr auf dem Seziertisch auf dem Rücken lag. Aus dem kleinen Bluetooth-Lautsprecher auf der Fensterbank lief Schlagermusik. Wieder mal Marianne Rosenberg, stellte Zaplinski fest. Warum zur Hölle hörte diese junge attraktive Frau solch furchtbare Musik aus den Siebzigern? Aus seiner Teenagerzeit? Zaplinski schüttelte den Kopf und versuchte, das Gedudel auszublenden.

Die Gerichtsmedizinerin sah von ihrer Arbeit auf, als die beiden Kriminalbeamten hereinkamen.

„Willkommen im Reich der Toten. Frau Czerny, ich begrüße Sie zur Premiere“, sagte sie zwinkernd. Sie ließ dabei den Blick einen Tick zu lange auf Magga ruhen und nickte dann Zaplinski zu.

„Herr Zaplinski … Sie kommen zur rechten Zeit, bin gerade einigermaßen fertig.“ Franziska Richter zeigte auf den Leichnam vor ihr, der den bereits wieder vernähten typischen Schnitt im Brust-/Bauchbereich aufweist. Sie war gerade dabei gewesen, die abpräparierte Kopfschwarte über den Schädel zu ziehen und vollendete jetzt ihr Werk. Magga mochte da anscheinend nicht genauer hinsehen.

„Was soll das denn sein?“, fragte sie, als sie eine Tätowierung auf der rechten Hand des Toten bemerkte. Sie besaß selbst ein Faible für kunstvolle Tattoos. Das hier war allerdings eindeutig dilettantisch gemacht worden.

Zaplinski beugte sich vor und nahm in Augenschein, was da zwischen Daumen und Zeigefinger eingestochen worden war. „Ich weiß nicht. Ein Vogel vielleicht? Das hat scheinbar ein Anfänger mit einem rostigen Nagel und Schultinte gestochen, soviel ist mal klar. Ist nicht wirklich zu erkennen. Machen Sie doch mal ein Foto, Magga. Hilft uns eventuell bei der Identifizierung.“

Sie fotografierte die Tätowierung mit dem Handy und sah sich skeptisch das Bild an. Ein Vogel?

„Woran ist er gestorben?“, wollte Zaplinski von der Gerichtsmedizinerin wissen.

Die hatte dem Toten inzwischen den Skalp ordentlich zurecht gezupft. Nun drehte sie den Körper mit ihren gummibehandschuhten Händen leicht zur Seite. „Eins nach dem andern.“

Sie zeigte im hinteren Bereich des Halses auf mehrere punktartig dunkel verfärbte Hautstellen. Jeweils kreisförmig angeordnet im Durchmesser von etwa vier Zentimetern.

Magga beugte sich zum Leichnam herunter. Dann sah sie erst die Obduzentin und dann Zaplinski verständnislos an. „Was ist das?“

Zaplinski hatte auch keine Ahnung und das war ihm ziemlich peinlich. Er versuchte, sich die Wissenslücke nicht anmerken zu lassen.

Franziska Richter hatte ihn indes sofort durchschaut und lästerte: „Ihr seht das zum ersten Mal? Na, ihr seid mir ja schöne Ermittler. Wie lange sind Sie schon dabei, Herr Zaplinski?“

Zaplinski wackelte unwirsch mit dem Kopf und die Gerichtsmedizinerin ließ sich grinsend dazu herab, das Rätsel zu lösen.

„Das sind Strommarken. Euer Freund hier hat unliebsame Bekanntschaft mit einem Elektroschocker gemacht. Und das gleich mehrfach.“ Sie ließ den Leichnam wieder auf den Rücken gleiten. „Wir haben das mal mit einem schwächeren Modell hier selber ausprobiert, aus reiner Neugier“, sagte Franziska Richter. „Das zeckt fürchterlich, du kannst vor Schmerzen echt nicht mehr reagieren, bist wie gelähmt. Einmal und nie wieder …“ Sie schüttelte sich.

„Spuren vom Elektroschocker habe ich auch im Genitalbereich gefunden. Außerdem gibt es massive stumpfe Verletzungen da unten. Also da hat ihm jemand richtig die Kronjuwelen malträtiert.“ Sie zeigte auf die unnatürlich dick geschwollenen Hoden. „Ich bin zwar kein Mann, zum Glück …“, setzte sie an und sah dabei Magga an. „Aber das war unter Garantie nicht lustig. Oder was meinen Sie, Herr Zaplinski?“, beendete sie den Satz mit einem frechen Grinsen in Richtung des Hauptkommissars.

An dessen Gesicht war die Anteilnahme hinreichend deutlich abzulesen. Er besaß genügend Fantasie, um nachzufühlen, was seinem dahingeschiedenen Geschlechtsgenossen da widerfahren war. Zaplinski konnte gerade noch den Impuls unterdrücken, bei sich selbst zu ertasten, ob da alles noch in Ordnung war.

Die beiden Frauen versuchten, angesichts des gequält dreinblickenden Chefermittlers ein Lachen zu unterdrücken. Mit nur mäßigem Erfolg.

Die Gerichtsmedizinerin fuhr fort: „Er hat außerdem Würgemale am Hals. Allerdings nicht tödlich. Dann noch Blutergüsse im Gesicht, ein geplatztes Trommelfell. Von Schlägen vermutlich.“

„Was haben Sie sonst noch gefunden?“, fragte Zaplinski nach.

Sie hob den Hinterkopf an. „Abschürfungen. Auch am Rücken, wo die Kleidung hochgerutscht ist. Als wäre er über den Boden geschleift worden.“

„Aber woran ist er denn nun letztendlich gestorben?“ Zaplinski war schon leicht genervt, weil die Antwort auf die Kernfrage immer noch ausstand.

„An den Ohrfeigen sicher nicht. Und wegen der dicken cojones auch nicht“, erklärte die Richter mit ihrem süffisanten Grinsen und ließ die Ermittler weiter rätseln. „Und durch den Elektroschocker auch nicht. Der Strom sucht sich den kürzesten Weg zwischen den beiden Elektroden. Er dringt nur wenige Zentimeter in den Körper und kommt nie am Herzen an. Im Prinzip ist das äußerst schmerzhaft und macht kampfunfähig, ist grundsätzlich aber nicht tödlich. Es sei denn, das Gerät hat eine sehr hohe Stromstärke. Das können wir anhand der Strommarken aber hier ausschließen.“

„Und was war es denn nun?“ Zaplinski wurde jetzt zunehmend ungeduldig. Eigentlich mochte er die Gerichtsmedizinerin, aber heute ging sie ihm langsam auf den Geist. Franziska Richter besaß wie scheinbar alle Frauen das soziale Auge, das Zaplinski und allen Männern, die er kannte, bei der Genzuteilung vorenthalten worden war. Daher spürte sie seinen aufkommenden Ärger und erlöste ihn.

„Am Ende ist er ertrunken …“

„Ertrunken, nicht ertränkt?“, hakte Zaplinski irritiert nach.

„Schwer zu sagen, denn …“ Ihr Zeigefinger deutete auf den blau verfärbten Unterbauch: „… er hatte da ein Aneurysma, eine Schwachstelle an der Bauchschlagader. Das ist wie eine Zeitbombe. Das Fiese daran ist, dass man normalerweise keine Beschwerden hat, maximal vielleicht ein bisschen Rückenschmerzen. Aber wenn die Stelle reißt, muss sofort interveniert werden. Seine hier ist geplatzt wie ein alter Gartenschlauch. Mutmaßlich beim Sturz, weil ich an der Stelle ein Trauma gefunden habe. Alleine daran wäre er ohne schnelle Hilfe mit Sicherheit auch gestorben.“

Zaplinski konnte mit dem ganzen „könnte“ und „wäre“ nichts anfangen. Mit Grautönen hatte er es nicht so. Ja oder Nein, hopp oder topp. .„Ertrunken oder ertränkt oder verblutet? Was denn nun?“

„Suchen Sie sich was aus“, antwortete die Gerichtsmedizinerin und hob bedauernd die Hände. „Wie mit der Henne und dem Ei. Keiner kann sagen, was zuerst da war. Kann sein, die innere Blutung hatte ihn schon zu sehr geschwächt und er konnte nicht mehr aufstehen. Oder er hat versucht, hochzukommen und ist vor Schwäche ins Wasser gefallen. Lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.“

„Na toll.“ Zaplinski war ernüchtert. Ihm wurde soeben klar, dass es schwierig werden könnte, in diesem Fall die Mordabsicht nachzuweisen. Aber immerhin war das auch nicht auszuschließen. „Gibt es irgendetwas, was uns bei der Identifizierung weiterhelfen könnte, außer diesem schrecklichen Tattoo?“

„Leider keine Implantate mit Seriennummern, wenn Sie daran gedacht haben sollten. Der Rest ist in Arbeit, Fingerabdrücke, Zahnschema und so weiter. Anhand der Zahnfüllungen würde ich sagen, er stammt aus der ehemaligen DDR“, antwortete Franziska Richter. „Übrigens tippe ich darauf, dass er früher geboxt hat. Kopf, Nase und Hände weisen alte typische Verletzungen auf, die man sich im Laufe der Zeit so zuzieht.“

Zaplinski seufzte. Das hatte er sich alles sehr viel geschmeidiger vorgestellt. „Dann müssen wir wohl darauf hoffen, dass er schon einmal Kunde bei uns war und seine Fingerabdrücke einliegen. Oder, dass ihn jemand vermisst. Danke erstmal Frau Richter. Wie sieht’s aus mit dem Todeszeitpunkt?“

„So weit bin ich noch nicht“, beschied ihn die Gerichtsmedizinerin. „Aber Sie erfahren es als Erster.“

Tod am Fließ - Zaplinski ermittelt

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