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John Doe

Zaplinski fluchte.

„Kurwa …!!“

Das polnische Schimpfwort hatte er von Magga übernommen. Klang irgendwie eleganter als „Scheiße“, fand er. Okay, solange man kein Pole war. Er war beim Aussteigen in eine Pfütze getreten und kaltes Wasser hatte den Weg in seine Schuhe gefunden. Angewidert und genervt schüttelte er so gut es ging den nassen Modder von seinen schwarzen Sneakers. Das fing ja toll an. Immerhin regnete es mittlerweile kaum noch.

Zaplinski zog fröstelnd die Kapuze seines teuren Outdoor-Anoraks über den Kopf. Er besaß nicht viele Klamotten, legte aber Wert auf Qualität, wenn er sich denn schon mal etwas Neues zulegen musste. Die Sachen hielten dann lange und er ersparte sich allzu häufige Einkäufe. Meistens bestellte er sich online irgendetwas, hin und wieder mit dem Fuchs-Logo seines Lieblingsvereins.

Sie gingen in Richtung Waldrand auf das blau-weiße Flatterband zu, das einen Trampelpfad markierte. Die beiden Kriminalbeamten nickten grüßend dem uniformierten Kollegen zu. Er hielt ihnen wie in jedem guten Kriminalfilm das Absperrband in die Höhe.

Sie schlüpften mehr (Magga) oder weniger (Zaplinski) elegant darunter durch.

Dann steuerten sie auf ein von Scheinwerfern hell ausgeleuchtetes Zelt zu. Drei Spurensicherer in mausgrauen Einweg-Overalls waren bereits bei der Arbeit.

Kolbow, Mitte vierzig, Brillenträger, hochgewachsen und von schlanker, ja fast dürrer Gestalt, trat auf sie zu. Der Kriminalhauptkommissar trug wie gewohnt Schlips und Kragen, darüber seinen unsäglichen beigefarbenen Trenchcoat à la Columbo. Er hatte natürlich sein Tablet dabei, das an einem schmalen Gurt um seinen Hals hing und auf dem er mit einem Stift seine Notizen einzugeben pflegte. Zaplinski selbst bevorzugte schnödes Papier, musste aber zugeben, dass so ein Tablet schon sehr praktisch war. Man konnte zum Beispiel Vernehmungen gleich vor Ort aufzeichnen, online recherchieren und hatte quasi die ganze Ermittlungsakte unter dem Arm. Und das Ding konnte handschriftliche Notizen in eine druckreife Datei verwandeln. Nicht schlecht, aber gut, dass Kolle das machte. Er hatte keine Lust, sich mit den verschiedenen Apps herumzuquälen.

Kolbow schob sich gerade einen Kaugummi in den Mund. „Moin Zappa, Moin Magga …“, begrüßte er sie mit seiner typischen Leidensmiene, die einem Trauerredner perfekt zu Gesicht gestanden hätte.

Sie traten unter das Zeltdach. Eine kleine Frau mit sehr hell-blondierter Igelfrisur kniete neben dem Leichnam. Franziska „Franzi“ Richter, die dreißigjährige Gerichtsmedizinerin war schon bei der Arbeit. Sie unterbrach ihr Tun und blickte auf, als Zaplinski und Magga dazukamen.

Ein kahlköpfiger Mann um die sechzig lag mit starr geöffneten Augen rücklings da. Bekleidet mit einem schwarzen Mantel, schwarzem Anzug, weißem Hemd, schwarzer Krawatte. Das Gesicht und der ganze Körper waren schmutzig vom Uferschlamm. Bereit zur Beerdigung, nur die Klamotten müssten vorher nochmal in die Reinigung. Zaplinski kam dieser zynische Gedanke automatisch. „Was können Sie uns schon sagen?“, wandte er sich an die Gerichtsmedizinerin.

„Nicht viel. Ich muss ihn nachher erstmal ordentlich duschen und dann sehen wir weiter“, verkündete die Richter und schob dann schnippisch nach: „Ich wünsche Ihnen übrigens auch einen schönen Sonntag.“

„Sorry, ja, dito, Ihnen auch einen guten Tag, Frau Richter“, grummelte Zaplinski. Er deutete auf die linke Hand des Toten. „Ist es das, was ich denke?“

Magga schaute mit Interesse, aber auch mit erhobenen Augenbrauen hin. Sie konnte sich erkennbar keinen Reim auf die merkwürdigen blutigen Verletzungen an den Fingern machen.

„Wenn Sie denken, dass sich da ein Tier einen kleinen Snack gegönnt hat, dann lautet meine Antwort: Ja“, antwortete die Gerichtsmedizinerin.

Zaplinski wiegte den Kopf. Er musste kurz an „Schweigen der Lämmer“, Teil zwei denken, wo Lecter eines seiner Opfer abgerichteten Wildschweinen zum Fraß vorwerfen wollte.

Kolbow schaltete sich ein. „Der Zeuge hat tatsächlich berichtet, sie hätten ein Wildschwein aufgeschreckt, als sie ihn gefunden haben. So wie es aussieht, ist er hierher geschleift worden. Er hat drei bis vier Tage mehr oder weniger im Wasser gelegen.“

Als die Gerichtsmedizinerin den Kopf hob und mit leichter Missbilligung eine Augenbraue hochzog, schob er eilig nach: „Meint Frau Richter. Unter Vorbehalt natürlich. Und was die Spurenlage angeht: Der Dauerregen der letzten Tage hat so ziemlich alles zerstört.“

„Das ist ja nicht so schön. Wir müssen als Allererstes mal rausfinden, mit wem wir es zu tun haben“, stellte Zaplinski fest. „Hatte er überhaupt nichts dabei, was uns bei der Identifizierung hilft?“

Kolbow schüttelte den Kopf. „Nichts, alle Taschen sind leer. Die Labels in der Bekleidung sind zwar noch da, aber leider nicht von einem Maßschneider, sondern von C&A und Co., das bringt uns also auch nicht weiter.“

„Da können wir uns ja glücklich schätzen, dass man unserem John Doe hier nicht auch noch alle Finger abgeschnitten hat. Beziehungsweise abgebissen. Na ja, fünf brauchbare haben wir ja zum Glück noch“, sagte Zaplinski und wies auf die unversehrte rechte Hand.

Er stellte sich gerade vor, was das hätte nach sich ziehen können, wenn das Borstentier sich alle zehn Finger einverleibt hätte. Großes Halali und Treibjagd auf die gesamte Wildschweinpopulation im Großraum Tegel mit anschließender Massen-Obduktion, um die fehlenden Greiforgane wiederzufinden? Oder alle Tier einfangen, dem Zeugen gegenüberstellen und den Übeltäter einer Magenspiegelung unterziehen? Oh Gott, Zaplinski, dachte er. Drehst du jetzt völlig durch oder was?

Er zog fest an seinem Ohrläppchen. „Okay. Für Magga und mich gibt es hier nichts weiter zu tun, denke ich. Ich will nur nochmal kurz mit dem Zeugen sprechen, Kolle.“

Der nickte und wirkte enttäuscht. „Ja, gut, dann muss ich das hier wohl alleine zu Ende machen.“

„Ich geh dann nachher zur Obduktion. Mit Magga. Wird Zeit, dass Sie mal mit am Tisch stehen, oder?“ Zaplinski legte den Kopf schief und sah die junge Kommissarin an.

Magga schluckte kurz, nickte dann und antwortete mit fester Stimme. „Klar, Herr Zaplinski.“

„Dann Abmarsch. Tschüss allerseits.“ Zaplinski wedelte zum Abschied mit der Hand in die Runde und ging Richtung Parkplatz.

Er registrierte, dass es endgültig aufgehört hatte zu regnen, schob die Kapuze vom Kopf und linste nach oben. Der Himmel riss langsam auf und die Herbstsonne schickte ein paar vorsichtige Strahlen durch die Wolken.

Tod am Fließ - Zaplinski ermittelt

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