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3 Non-Kognitivismus

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Abbildung 3: GEHORCHE KEINEM, Babak Saed (Eine Skulptur aus menschengroßen roten Buchstaben an der Universitätsbibliothek in Münster)[< 43]

Bei der Annäherung an die Universitätsbibliothek in Münster bemerkt man zunächst riesige, knall-rote Buchstaben. Sie ziehen uns in ihren Bann, weil man sich denkt, was da wohl an der Fassade geschrieben steht – „Universitätsbibliothek“ jedenfalls nicht. Man nähert sich dem Glasbau und beginnt zu lesen „KEINEM.“ Was macht das für einen Sinn? Man sucht links von der Kante des Gebäudes nach mehr und geht deshalb am Eingang vorbei. Hier liest man „GEHORCHE.“ Der Besucher erahnt zögernd ein Kunstwerk.

Angenommen das Kunstwerk bannt Sie vor Ort als Betrachter durch die Farbe, die Ausmaße der Buchstaben und die Wortfragmente. Es zwingt Sie, sich zu nähern. Es zwingt Sie, hin und her zugehen, um sich den Sinn zu erschließen. Wenn Sie ihn verstehen, wissen Sie, dass Sie keinem gehorchen sollen. Dann zwingt Sie das Kunstwerk weiterzudenken, denn das ist ja ein Widerspruch: Ein Befehl, der sagt gehorche nicht. Einerseits denken Sie als Philosoph an Kant: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“. Andererseits ist der Befehl in seiner Absolutheit auch gefährlich: Wir sollten doch der Autorität des Staates gehorchen? Ohne Gehorsam herrscht Anarchie! Und das kann doch nicht der Sinn sein, der uns von einem öffentlichen Gebäude knallrot entgegen schreit, oder? Woher nimmt das Kunstwerk die Autorität, uns zu zwingen, über Autorität nachzudenken? – Die Ebene des Lesens ist in dieser Erlebnisbeschreibung sekundär. Es ist vor dem Lesen bereits etwas wirksam, wenn uns der Gegenstand überwältigt, indem er uns irritiert, neugierig macht und aktiviert. Nach dem Lesen kommt die Reflexion, die in sich widersprüchliche Gedanken zu gegensätzlichen Normen hervorbringt. Man wird gebannt, man handelt, man reflektiert. In diesem Kapitel wird der Non-Kognitivismus als eine Ethik vorgestellt, in der diskursive Reflexion, das heißt der Austausch rationaler Argumente, nicht der Ausgangspunkt ethischer Begründung ist.

|3.1 Ein Argument für den Non-Kognitivismus

|3.2 Die andere Funktion moralischer Äußerungen

|3.3 Indirekte Begründungen [< 44]

Der Non-Kognitivismus wird oft auch als [[Metaethik]] metaethischer Non-Kognitivismus bezeichnet. Der Grund ist, dass dieser Ethikansatz kein Ethikansatz im klassischen Sinn ist. Er liefert und begründet keine Antwort auf die Frage: „Was soll ich tun?“. Das klassische Verständnis von Ethik setzt voraus, dass Ethik eine Theorie der Begründung von Normen und Werten ist, durch die man versteht, warum Handlungen richtig, gut, wertvoll und angemessen sind. Begründung ist jedoch eine Sache der Vernunft. Begründung ist rational und in diesem Sinne kognitiv. Aus non-kognitivistischer Perspektive entzieht sich also der ethische Streit der Vernunft, weil moralische Begriffe keinen Wahrheitsanspruch erheben können oder definierbar sind. (Vgl. Hofmann-Riedinger 1992.)

Für den Non-Kognitivismus ist Ethik daher keine Sache der Vernunft und keine Theorie der Begründung. Metaethisch ist diese These, weil es nicht um eine Theorie über x (= Begründung des Guten, Richtigen, Angemessenen und Wertvollen im Handeln) geht, sondern um Aussagen über solche Theorien. Systematisch ist der Non-Kognitivismus also eine Auseinandersetzung mit der philosophischen Ethik, die dieser vorgelagert ist. Ein erster positiver Versuch einer Bestimmung dieses Theorietyps ist: Der Non-Kognitivismus ist also eine Erklärung moralischen Verhaltens aber ohne ethische Kategorien. Wir werden aus metaethischen Gründen aufgefordert, unser ethisches und moralisches Sprachverhalten grundsätzlich anderes zu deuten. Daran kann man erkennen, dass es sich um eine [[Revisionismus]] revisionäre Theorie handelt. (Vgl. Kiesselbach 2012.)

Der Non-Kognitivismus hat philosophisch [[Zwei Quellen (Hume, Sprachphilosophie)]] zwei Quellen: Zum einen David Hume, zum anderen die moderne Sprachphilosophie. Die humesche erkenntnistheoretische Variante ist schon im vorangehenden Kapitel angesprochen worden: Unsere moralischen Vorstellungen vom Richtigen, Guten und Angemessenen sind nach Hume Einstellungen bzw. Gefühle. Sie sind Äußerungen nicht der Vernunft, sondern eines moralischen Empfindens und Gefühls. Vernünftige Kognition spielt in unseren moralischen „Überlegungen“ und „Streitigkeiten“ keine unmittelbare Rolle. Der erkenntnistheoretische Non-Kognitivismus soll hier nicht weiterverfolgt werden, da die sprachphilosophische Dimension dieser Strömung im 20. Jahrhundert im Wesentlichen als Emotivismus eine größere Bedeutung hatte.

Einführung in die Philosophische Ethik

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