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1.1 Das Leben als Streben nach dem Glück

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Aristoteles beginnt seine Nikomachische Ethik (4. Jh. v. u. Z.) mit einer Analyse des Handelns. Die Ethik hat es mit dem Richtigen und Guten im Handeln zu tun, wobei das Gute dadurch ins Spiel kommt, dass alle Handlungen immer ein Gut erstreben. Beeindruckend und irritierend ist der kühne Schluss, dass deshalb das Gute das zu sein scheint, wonach alles strebt. Das, wonach alles strebt, aber ist das Lebensglück. Glücklich ist ein Leben, in dem sich das realisiert, was aus der Perspektive der philosophischen Ethik als „das Gute“ bzw. als „das Richtige“ definiert wird. (Aristoteles 2011, 1.1, Annas 1993, S. 31 ff.)

Zunächst spricht Aristoteles von Formen organisierten Handelns: Handwerke und Wissenschaften streben nach einem Gut. Der Schiffsbauer will Schiffe bauen. Der Mediziner will Patienten gesund machen. Man sagt auch, dass wir unserem Leben einen Sinn, ein Ziel geben. Dann spricht Aristoteles jedoch auch von Entscheidungen. Damit könnte er einzelne Handlungen meinen, aber auch grundsätzliche Entscheidungen über den eigenen Lebensweg. Handlungen bilden für Aristoteles eine vernetzte [[Strukturen des Handelns]] Gesamtarchitektur. Man arbeitet, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten oder zu reisen. Das Gut der einen Handlung liegt in dem Gut einer anderen. Und so stehen die Handlungen und Entscheidungen nicht jeweils einzeln für sich, sondern sie bilden ein vielgestaltiges, vielschichtiges und verwirrendes System. Strebt jede unserer Handlungen trotz ihrer Unterschiedlichkeiten auf das eine Ziel des Glücks hin?

Im weiteren Verlauf des Beginns seines Buches unterscheidet Aristoteles noch Handlungen, bei denen das Gut in dem Produkt der Handlung besteht (z. B. bei Handwerken) und bei denen das Gut im Vollzug der Handlung besteht (z. B. Spazierengehen, Tanzen, Golf spielen). (Buddensiek 2008.) Wer tanzt, hat Freude an einem Tun (natürlich gibt es professionellen Tanz, aber um den geht es hier nicht.) [[Herstellendes und Vollziehendes Handeln]] Die eine Form des Handelns nennt Aristoteles poiesis (Herstellen), die andere praxis (Vollziehen). (Elm 1996, Kap. 1, Ebert 1976.) Beim Herstellen hat man als Resultat der Handlung ein Produkt im Sinne eines vom Handlungsvollzug unabhängigen Gutes, beim Vollziehen ist es anders: Wer Golf spielt, stellt kein Produkt her; das Ziel liegt allein im Vollzug. Aber, wenn es beim „vollziehenden“ Tun kein Ziel gibt, inwiefern strebt man dann auch darin nach Glück?

Die Auflösung dieser Verwirrungen wird in der Praktischen Philosophie im Rahmen der Handlungstheorie, der Ethik, der Moralpsychologie und der Tugendlehre unternommen. Im Kontext dieses Kapitels ist nur die aristotelische These von Interesse, dass alles Handeln jeder Person nur ein Ziel hat: das Glück. (Ricken 1995, Annas 1993, S. 27 ff.) Als Handelnde streben wir in jeder der (hier nur schematisch und un-[< 11]vollständig aufgelisteten) [[Das letzte Ziel des Handelns: Glück]] Dimensionen des Handelns nach dem Glück: Wenn wir hungrig einen Joghurt aus dem Kühlschrank holen ebenso wie beim ausgelassenen Tanz auf einer Party. In einem anderen Sinn, wenn wir als Arzt die Gesundheit unserer Patienten im Auge haben oder wenn wir arbeiten, etwa um ein Hobby zu finanzieren oder unsere Familie zu ernähren. Das Glück ist das letzte Ziel, das wir in all diesen Handlungsformen verfolgen.

Einführung in die Philosophische Ethik

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