Читать книгу Alex und Alexandra - Angela Rommeiß - Страница 6

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„Das ist ungerecht! Nie werde ich gefragt, was ich will! Immer muss ich jeden Scheiß machen, den du willst!“ Mit einem geräuschvollen Rumms fiel die Tür ins Schloss, dass die Scheiben im Wohnzimmerschrank klirrten.

Alexandra seufzte. Genau diese Reaktion ihrer Tochter hatte sie vorausgesehen. Wie sollte eine Dreizehnjährige auch sonst reagieren, wenn sie erfuhr, dass sie umziehen, ihre Schule wechseln und ihren Freunden Lebewohl sagen musste? Dass sich ihre Eltern trennen wollten, hatte Alex lange nicht so mitgenommen, wie Alexandra gedacht hatte. Selbst die Reaktion ihres Mannes war verhalten gewesen. Aber das musste nichts bedeuten, da konnte durchaus noch was kommen.

Alexandra seufzte erneut und räumte das Geschirr vom Abendbrottisch. Gespielte Normalität. Keiner von ihnen hatte einen Bissen gegessen, nachdem sie die Bombe hatte platzen lassen. Einfache Worte hatte sie gewählt, die sie sich sorgsam zurechtgelegt hatte: „Ich muss euch etwas mitteilen. Ich habe beschlossen, nach Finkendorf zu ziehen. Allein. Also, allein mit Alex.“ Sie hatte tief Luft geholt: „Ich glaube, es ist das Beste für uns alle, wenn wir uns trennen, Stefan! Ich habe keine Lust mehr auf diesen ganzen Mist. Du kriegst das mit dem Alkohol und mit den...“, ein vorsichtiger Blick zu Alex, „... und mit den Weibergeschichten doch nicht auf die Reihe, und ich bin nicht deine Therapeutin. Ich habe vor, mich wieder mehr um mich selbst zu kümmern. Das ist mein gutes Recht, ich habe schließlich auch nur das eine Leben.“

Stefan hatte zerknirscht genickt. Er reagierte immer überaus reumütig, wenn er auf seine Verfehlungen angesprochen wurde. Am Ende würde sie ja doch wieder einlenken, so wie immer. Er würde ihr sagen, dass er sie über alles liebte und ohne sie nicht leben konnte. Eher würde er sich umbringen, als ohne sie zu leben. Er wusste, dass ihr das Familienleben wichtig war. Er würde die Sache mit Jacqueline langsamer angehen lassen, nicht mehr so oft zu ihr gehen, bis sich die Lage zu Hause beruhigt hatte und Alexandra nicht mehr von Trennung redete. Er hasste es, wenn sie das tat. Immerhin war sie seine Frau und gehörte ihm. Sie führten ein ruhiges und bequemes Familienleben und wie sähe das denn aus, wenn seine Frau ihm den Laufpass gäbe? Die Kollegen würden sich kaputtlachen. Und überhaupt – wo wollte sie hin? Nach Finkendorf, in die Thüringer Provinz? Nie und nimmer zog sie das durch. Da war sich Stefan ganz sicher.

Aber dieses Mal war es anders. Stefan wusste es noch nicht, aber Alexandra hatte Nägel mit Köpfen gemacht. Sie hatte mit dem Finkendorfer Bürgermeister Kontakt aufgenommen, sich beim Landratsamt umgemeldet, die Schulummeldung ihrer Tochter in die Wege geleitet, ihren Job im Altenheim gekündigt und mit einem Scheidungsanwalt gesprochen. Ihrer Freundin Diana, die mit ihrem neuen Freund zusammengezogen war, kaufte sie deren altes Auto ab, einen Honda Civic, der schon gut und gerne zwölf Jahre auf dem Buckel hatte, und meldete ihn auf ihren Namen um. Erst dann folgte das Gespräch am Abendbrottisch.

Sollte doch Stefan mit Selbstmord drohen, sie ließ sich nicht mehr erpressen! Die Worte ihrer Mutter klangen ihr immer noch wie ein Echo im Ohr: „Vergeude keinen einzigen Tag!“

Stefan war auf ein Bier in seine Kneipe gegangen. Ohne ein Wort hatte sie ihn ziehen lassen.

Alexandra klopfte vorsichtig an Alex‘ Tür. Als sie keine Antwort bekam, trat sie leise ein.

Alex lag auf ihrem Bett, das Gesicht ins Kissen gedrückt. Alexandra streichelte ihr über das braune, glänzende Haar, das ihrem eigenen so ähnlich war. Überhaupt glich ihr die Tochter sehr, sie teilten sich nicht nur den gleichen Vornamen, sondern auch den größten Teil ihrer Gene. Außer den Ohren und der Nase und einem unglückseligen Hang zur Unordnung hatte Alex nicht viel von ihrem Vater mitbekommen. Nun ja, eine gewisse Sprachbegabung und die Liebe zum Zeichnen hatte sie auch von ihm, das musste Alexandra sich eingestehen.

„Es tut mir so leid!“, sagte sie zu dem Hinterkopf ihrer Tochter.

„Ihr lasst euch wirklich scheiden? Jetzt endgültig?“, fragte das Mädchen.

„Ja, jetzt endgültig. Es geht einfach nicht mehr.“

Eine Weile war Ruhe.

Alexandra betrachtete den Körper ihrer Tochter, der fast nichts Kindliches mehr an sich hatte. Beinahe war sie schon so groß wie ihre Mutter, nur schlanker. Es war nicht zu glauben, wie schnell aus einem zarten kleinen Mädchen ein Teenager wurde, der jetzt statt rosa Kleidchen lieber schwarze, enge Sachen mit Totenköpfen drauf trug.

„Das war doch nicht dein Ernst, oder?“, kam die gedämpfte Stimme von Alex aus dem Kissen. „Ich meine, dass wir in dieses Kuhkaff ziehen? Das hast du doch nur so gesagt, stimmt‘s?“

Alexandra seufzte. „Nein, ich fürchte, dieses Mal ist es mir ernst. Ich verlasse Papa und ziehe mit dir nach Finkendorf. Es ist schön da, du wirst sehen. Du wirst neue Freunde finden und auch...“

„Woher willst du wissen, dass es da schön ist? Du bist ja noch gar nicht dort gewesen!“

Alexandra versuchte, zuversichtlich zu klingen: „Oma hat es mir erzählt. Es ist idyllisch und ruhig dort. Es wird sein wie Ferien auf dem Bauernhof, die nie aufhören!“

„Ferien auf dem Bauernhof ist was für Kleinkinder! Kann ich nicht einfach hierbleiben? Ich kann doch bei Papa bleiben“, rief Alex.

Alexandra versetzte es einen Stich, aber sie antwortete, so ruhig sie konnte: „Schatz, ich verlasse deinen Vater, weil er Alkoholiker ist. Nein, du kannst nicht bei ihm bleiben! Aber du kannst ihn besuchen, so oft du willst, an den Wochenenden und in den Ferien.“

Alex wandte ihrer Mutter die tränennassen Augen zu. „Das ist egoistisch, Mama! Sonst ist es doch auch immer gegangen - mit Papa, meine ich. Kannst du es nicht noch ein paar Jahre aushalten? Wenigstens, bis ich sechzehn bin?“

Langsam fiel es Alexandra schwer, ruhig zu bleiben.

„Ich soll noch drei Jahre meines Lebens mit einem alkoholkranken Weiberhelden von Mann zusammenleben, der mich nicht liebt und nur ausnutzt, nur damit du nicht die Schule wechseln musst? Erzähle mir bitte nichts von Egoismus, meine Liebe! Das Leben ist kostbar, weißt du, sogar meins! Und ich habe nicht vor, auch nur noch einen Tag davon zu verschwenden! Das habe ich meiner Mutter auf dem Sterbebett versprochen - und ich liebe meine Mutter!“

Alexandra wollte sich abwenden, aber da fiel ihr Alex um den Hals. „Ich hab dich doch auch lieb, Mama. Und ich will ja auch nicht, dass du unglücklich bist. Sag mir nur noch, ob wir eine schöne Wohnung da haben und ob ich mein eigenes Zimmer bekomme. Hoffentlich gibt es einen Internetanschluss.“

Alexandra lächelte. „Ein eigenes Zimmer? Du bekommst ein ganzes Haus voller Zimmer. Aber ob es einen Internetanschluss hat, weiß ich nicht.“

„Aber...“

„Kein Aber. Ab übernächste Woche sind Osterferien, aber ich will versuchen, dass du eher freigestellt werden kannst. Am Wochenende fahren wir nach Finkendorf. Nach den Ferien gehst du in die neue Schule. Also pack deine Sachen.“

Ohne auf Alex‘ entsetztes Stöhnen zu achten, stand sie auf und machte sich an die Arbeit.

Alex und Alexandra

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