Читать книгу Alex und Alexandra - Angela Rommeiß - Страница 7

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Es war ein warmer, sonniger Tag Mitte März.

Sie stiegen aus dem Auto und standen vor ihrem neuen Zuhause, welches im hellen Sonnenlicht noch schäbiger aussah, als es vielleicht im Regen ausgesehen hätte. Würde es regnen, fiele es vielleicht nicht so auf, dass keine einzige Fensterscheibe das Licht reflektierte, dass die Fassade grau und das eingesunkene Dach bemoost und zugewachsen war.

Die Landschaft, von Feldern und kleinen Wäldchen geprägt, war idyllisch und etwas langweilig, so wie das Dorf selbst. Das Dörfchen war im Großen und Ganzen eine Ansammlung netter Bauernhäuser, die eng aneinandergeklebt entlang einer schmalen Straße standen, die um eine kleine Kirche herumführte. Ein Anger und ein kleiner Spielplatz, der nur aus einer Sandkiste und einer Schaukel bestand, bildeten den Dorfmittelpunkt. Ein paar Straßen zweigten ab und führten jeweils zu einem Friedhof, zu einer verwaist wirkenden Gärtnerei, zu einem alten, verlassenen Industriegelände oder einfach nur aufs Feld. Sie waren allen Wegen gefolgt und wieder umgekehrt. Hinter den Gardinen tauchten gelegentlich neugierige Gesichter auf, aber niemand kam heraus.

Bisher waren sie zwei Katzen, einem Hund, drei Hühnern und nur zwei Leuten auf der Straße begegnet, einem Kind und einem Mann. Den Mann fragten sie nach der Nummer sechsundsechzig, nach dem Sebach-Haus. Der Zeitungsausträger gab bereitwillig Auskunft und blieb hinterher stehen, um ihnen nachzublicken.

Das alte, zweistöckige Fachwerkhaus ihrer Tante stand am Ende einer schmalen Straße, die leicht hangaufwärts zum Walde hin verlief und sich in einem Feldweg verlor. Es war größer, als Alexandra angenommen hatte und machte den Eindruck, dass es einmal sehr stattlich gewesen sein mochte, bevor der Zahn der Zeit ihm zugesetzt hatte. Es stand etwas zurückgesetzt in einem großen Garten. Eine Reihe ähnlicher Gebäude flankierten die Straße. Einige hatte man saniert und mit bunten Fassaden versehen, aber man sah trotzdem, dass es alte Häuser waren. Statt einer Garage mit Zufahrt wie bei den anderen stand ein Schuppen neben ihrem Haus, der auch schon bessere Tage gesehen hatte. Der Vorgarten hinter dem wackeligen Holzzaun war völlig von vergilbtem Gras, Unkraut und Dornenranken überwuchert, sodass man den Weg kaum sah. Ein großer Walnussbaum stand links, eine Lärche rechts neben dem Haus und streckte ihre Äste über das Dach. Eine Rankenpflanze, die wie wilder Wein aussah, hatte die gesamte rechte Seite des Hauses überwuchert und schien Willens, sich auch der linken zu bemächtigen. Sogar auf dem Dach und auf den Schornsteinen wucherte sie emsig. Neben dem Haus war jeweils ein etwa vier Meter breiter Streifen bis zu den Nachbargrundstücken frei. Nun ja, so frei, wie es das Gestrüpp zuließ, welches überall üppig wucherte. Hinter dem Haus ragten große Bäume mit den Ästen über das Dach. Sicherlich würden sie schön aussehen, wenn sie begannen, sich mit zartem Grün zu schmücken. Weiter hinten sah man die hohen Tannen des Wäldchens, das zum Dorf gehörte. Wer in den Wald wollte, musste an ihrem Haus vorbei, denn die Straße ging ein paar hundert Meter weiter in einen unbefestigten Weg über, der direkt in den Wald hinein führte.

Stumm stand Alex am Auto und starrte das Haus an. Sie protestierte nicht, denn über diesen Punkt war sie schon hinaus. In den letzten Tagen und selbst noch während der fünfstündigen Autofahrt war sie mit allen ihren Argumenten bei ihrer Mutter vor Mauern gelaufen, hatte geweint, gebettelt und gebockt - nichts hatte geholfen.

Zwei Wochen vor den Ferien hatte Alex ihre Sachen packen müssen. Sie heulte dabei und war unglücklicher denn je. Von ihren Freundinnen Vivien und Julia hatte sie sich tränenreich verabschiedet, die Klasse hatte ihr ein großes Bild geschenkt mit allen Unterschriften drauf, die sie in die farbigen Abdrücke ihrer Hände geschrieben hatten. „Viel Glück in der neuen Schule“, stand groß darüber, und da weinte Alex das erste Mal vor der ganzen Klasse.

Klar war sie alt genug, um zu begreifen, dass sich ihre Eltern getrennt hatten und auch warum sie sich getrennt hatten - etliche ihrer Freundinnen lebten auch in geschiedenen Familien - aber sie verstand einfach nicht, dass sie deswegen gleich nach Sibirien auswandern mussten. Wieso gaben sie das bequeme Leben in der Stadt auf? Warum mussten sie in dieses öde, langweilige Kuhkaff ziehen? Hier gab es gar nichts, nicht mal einen Laden, wo man einkaufen konnte. Wegen jedem Stück Butter mussten sie jetzt in den Supermarkt fahren, der einige Kilometer entfernt lag. Sogar zur Schule musste sie meilenweit fahren mit so einem ollen Schulbus. Daheim waren es nur zehn Minuten Fußweg bis zur Schule gewesen, und unterwegs hatte sie ihre Freundinnen Vivien und Julia abgeholt.

Alex vermisste jetzt schon ihre Freundinnen, mit denen sie sich nach der Schule am Einkaufszentrum getroffen und stundenlang gequatscht hatte. Sie waren durch die Einkaufspassagen und über den Alexanderplatz gestromert, hatten mit Jungs geflirtet, heimlich geraucht, in der Drogerie Parfüm probiert, sich die neusten Klamotten angesehen und waren ins Kino gegangen. Und ausgerechnet jetzt, wo sie bald vierzehn wurde und endlich in die besseren Filme und Diskotheken hineindurfte, zog sie weg! Was sollte sie hier in der Einöde machen? Zwar gab es eine Busanbindung in die nächstgrößere Stadt, aber da musste sie einmal umsteigen und war über eine Stunde unterwegs. Außerdem fuhr der Bus nur dreimal am Tag. Und überhaupt, was sollte sie da? Sie kannte doch keinen in Erfurt. Pah, so ein Provinzstädtchen! Sollte eher Erfurz heißen! Ja, Erfurz, haha!

Alex seufzte resigniert. Hoffentlich gab es in diesem Dorf wenigstens ein paar hübsche Jungs. Hoffentlich gab es hier überhaupt Menschen! Vorsichtig folgte sie ihrer Mutter zum Haus.

Alexandra war einigermaßen schockiert über den Zustand des Vorgartens und der Fassade. Sie bemühte sich sehr, die Fassung zu bewahren, aber sie war im Moment nicht weniger mutlos als ihre Tochter und sehnte sich angesichts des Zerfalls und der Einsamkeit hier schmerzlich zurück in ihr vertrautes Zuhause und in ihr gewohntes Leben. Dieses winzige Dörfchen war so ganz anders als die lebendige, wimmelnde Großstadt, in der sie sich zu Hause fühlte. Solche Dörfchen sah man manchmal im Fernsehen und dachte: „Ach, wie idyllisch!“, dann schaltete man auf einen anderen Kanal um. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, einfach alle Zelte abzubrechen und hierher zu kommen – mit der Absicht, zu bleiben! Wie sollte sie das aushalten? Ihr Enthusiasmus, der sie seit dem Entschluss, Stefan zu verlassen, beflügelte, drohte zu verblassen.

Aber sie konnte nicht zurück, das ging auf gar keinen Fall. Gerade vorhin hatte Stefan angerufen und ihr gedroht, das alleinige Sorgerecht für Alex zu beantragen, falls sie nicht wieder zurückkäme. Und sie bräuchte sich nicht einbilden, dass sie jetzt, da sie ein Haus besäße, nicht mehr von ihm abhängig sei. Sie würde schon merken, dass sie ohne ihn nicht zurechtkäme. Alexandra wusste nicht, ob sie amüsiert oder wütend sein sollte. Das alleinige Sorgerecht, ha, einfach lächerlich! Sie wussten beide, dass er angesichts seiner Alkoholsucht froh sein durfte, wenn er ein Besuchsrecht erhielt. Dachte er wirklich, dass er sie damit beeindrucken konnte? Hielt er sie wirklich für so dumm, auf so eine plumpe Drohung hereinzufallen? Es war fies und typisch für Stefan, ihre Schwachstelle ausnutzen zu wollen. Was wollte er denn mit dem Sorgerecht? Er kümmerte sich sowieso nicht um Alex. Seine Frau brauchte er, und zwar zum Putzen, Bügeln und Kochen! Er war ein egoistischer Idiot, weiter nichts. Das hatte sie ihm auch klipp und klar gesagt, bevor sie das Handy ausschaltete. Von ihm abhängig, von wegen! Mit solchen Sprüchen bestärkte er sie nur in ihrem Entschluss, ihn endgültig zu verlassen, so weh es auch tat. Und ganz gleich, was für eine Bruchbude das hier war, sie mussten hier bleiben, wenigstens vorerst. Sie hatten nichts anderes.

Bemüht, sich vor ihrer Tochter nichts anmerken zu lassen, stemmte Alexandra resolut die Fäuste in die Seiten und marschierte ein paar Schritte nach links, dann ein paar Schritte nach rechts, die Fassade betrachtend.

„Sieh nur, was für eine Menge Platz wir jetzt hier haben! Da kannst du ein ganzes Zimmer nur für deine Malutensilien bekommen und musst abends nichts wegräumen! Ist das nicht toll?“ Dabei stolperte sie über eine Dornenranke und wäre beinahe gestürzt.

„Es wäre aber auch schön, wenn es Strom und fließend Wasser gäbe!“, erwiderte Alex trocken, während sie durch eines der Fenster spähte und schaudernd die dunklen, rissigen Tapeten und die niedrigen, durchhängenden Decken betrachtete.

„Sei nicht albern, natürlich hat es Strom und Wasser“, erwiderte ihre Mutter. „Kann sein, dass die Leitungen ein wenig veraltet sind, aber sonst ist das Haus doch noch ganz gut in Schuss. Das Dach müsste vielleicht geflickt werden und durch die Fenster könnte es ein wenig ziehen, aber das ist doch nicht so schlimm! Du bist eben verwöhnt, das ist alles.“

Tatsächlich gehörte das ganze Gemäuer abgerissen und entsorgt, fand Alex. Sie fragte hoffnungsvoll: „Warum verkaufen wir diese alte Bude nicht und kaufen von dem Geld ein ordentliches Haus? Eins, wo es nicht zieht und reinregnet?“ Dabei stupste sie mit dem Finger gegen eine lockere Stelle am Putz, worauf ein großer Fladen desselben abfiel.

„Sei nicht naiv. Wer soll denn so ein altes Haus kaufen, in dieser Lage? Hier stehen viele Häuser leer. Außerdem...“ Alexandra warf einen Blick auf ihre Tochter und beschloss, ihre Strategie zu ändern. „...Außerdem sollten wir stolz darauf sein, dass wir jetzt so ein wundervolles altes Haus haben. Das ist doch wie in einem Abenteuerfilm, findest du nicht?“

„Gruselfilm trifft‘s eher“, murmelte Alex, aber ihre Mutter beachtete den Einwurf nicht. Sie hatte sich in Rage geredet und erklärte enthusiastisch: „Ich meine...das ist doch mein Erbe, meine Vergangenheit! Und auch deine, wenn ich dich daran erinnern darf! Hier darf niemand Fremdes einziehen! Man verkauft doch nicht einfach Grund und Boden, das ist doch dumm. Woanders musst du Miete zahlen, hier so gut wie gar nichts. Außerdem hast du Platz hier, hinten gibt es noch einen Stall und einen Garten! Es muss wunderbar sein, hier zu leben!“

Ihre gespielte Begeisterung verflog, als Alex leise fragte: „Und warum wollte Oma dann nicht hier leben?“

Zum Glück musste Alexandra nicht antworten, denn eben kam ein Mann auf einem Fahrrad angefahren, bremste scharf vor ihrer Gartentür und stieg ab. Er wollte das Fahrrad an den Zaun lehnen, überlegte es sich angesichts des morschen Holzes aber anders und stellte es auf den Seitenständer.

„Na, hallo und herzlich willkommen, ihr müsst doch die Winklers sein!“, rief er und kam mit ausgebreiteten Armen auf die beiden Frauen zu. „Karge mein Name. Karl Karge. Freut mich, euch zu sehen! Ich habe gehört, dass ihr angekommen seid und wollte nur gleich mal den Schlüssel bringen, nicht wahr?“

Er war ein beweglicher, kleiner Mann um die sechzig, der eine gesunde Gesichtsfarbe hatte und eine Schiebermütze auf seiner Glatze trug. Er hatte einen blauen, ausgewaschenen Arbeitskittel an und trug darüber eine kurze Jacke. Alexandra musterte ihn verblüfft. Das sollte der Bürgermeister sein?

Als er ihr gegenüberstand, weiteten sich seine Augen. „Na, da muss man aber keinen Ausweis verlangen, um zu sehen, dass du eine waschechte Sebach bist! Und du...“, er wandte sich Alex zu. „...und du genauso! Nicht zu fassen. Ja, das ist schön, dass ihr euch endlich mal hier blicken lasst und nach dem Haus schaut. Wie geht es denn der Adele? Alles gesund, alles munter?“

Alexandra, die sich von dem lebhaften Mann und vor allem von dem vertraulichen „Du“ etwas überrumpelt fühlte, antwortete: „Sie ist gestorben. Vor drei Wochen. Es war Gebärmutterhalskrebs, es ging am Ende ganz schnell.“

Der Mann wirkte ehrlich betroffen. „Ach. Ach je. Das ist ja... also das ist wirklich schlimm. Ich kannte sie gut, die Adele. Gebärmutterhalskrebs, sagst du. Ach je.“ Er rieb sich mit der Hand über sein stoppeliges Kinn, dass es raschelte.

Alexandra unterbrach ihn: „Sie kannten doch bestimmt auch meine Tante Anna gut?“

Eigentlich wollte sie ihn auch duzen, aber es kam ihr einfach nicht über die Lippen. Den Mann schien das nicht im Geringsten zu stören. Er vertauschte seinen betroffenen Gesichtsausdruck augenblicklich gegen ein freundliches Lächeln und erwiderte eifrig: „Natürlich, natürlich. Man kennt ja jeden hier, nicht wahr. Hatte es auch nicht leicht, die Anna, hatte Depressionen. Wäre vielleicht nicht schlecht gewesen, wenn man sich mal um sie gekümmert hätte. Ich meine, nicht dass ich jemandem einen Vorwurf machen würde, aber sie war schon sehr einsam, die Gute.“

Jetzt war es an Alexandra, betroffen zu sein. „Entschuldigen Sie, aber Sie verstehen nicht... ich kannte meine Tante gar nicht. Ich habe erst am Todestag meiner Mutter erfahren, dass es sie gab. Sie... und das Haus hier.“

Karl Karge fuhr überrascht zurück. „Was, das ist doch nicht möglich! Warum hat dir denn Adele nichts von ihrer Schwester erzählt?“

Alexandra zuckte nur stumm und entschuldigend mit den Schultern.

Herr Karge wirkte einen Moment verwirrt, dann fasste er sich und lächelte: „Nun ja. Nun ist es eben so. Kommt erst mal herein!“

Mit diesen Worten holte er einen großen Schlüsselbund aus seiner Jackentasche und schritt forsch auf die Haustür zu, welche aus massivem Holz gefertigt und noch in recht gutem Zustand war, sah man über die abblätternde Farbe einmal hinweg. Während er am Schloss hantierte, erzählte er über das Haus: Dass er im ersten Winter, den es leer stand, veranlasst hatte, die Leitungen leer laufen zu lassen, damit sie nicht einfrören, dass es leider durchs Dach regnete und dass die Ofenheizung noch intakt sein müsste.

Alexandra folgte ihm zerstreut. Sie musste immerzu an ihre Tante denken und nahm sich vor, in den nächsten Wochen mehr über sie herauszufinden. Sie würde einfach die Leute hier ein bisschen ausfragen. Wenn es hier überhaupt Leute gab! Sie hatte in diesem ausgestorbenen Ort noch niemanden gesehen und wunderte sich, wie der Mann, der sich Bürgermeister nannte, überhaupt von ihrer Ankunft erfahren hatte. Es kam ihr alles sehr seltsam vor.

Alexandra hatte keine Ahnung, dass die beiden Fremden längst bei allen Einwohnern das Gesprächsthema Nummer eins waren. Karl Karge, dem sich Alexandra vor drei Wochen angekündigt hatte, erzählte dies seiner Frau, die erzählte es drei Nachbarinnen, diese ihren Verwandten und Freunden und im Nu war es im ganzen Dorf herum. Man hatte die Ankunft von Annas Nichte schon neugierig erwartet. Als sie dann da war und freundlicherweise im ganzen Dorf in allen Gassen herumfuhr, um das richtige Haus zu finden, sahen sie etliche neugierige Augen und so manche Hand griff zum Telefonhörer. In den Gärten beugten sich die Nachbarn über den Zaun, um sich die Neuigkeit zu erzählen, auf der Straße wurde miteinander geschwatzt. Bald wusste es jedes Schulkind: Die Sebachs sind da!

Alexandra, die der Meinung war, sie käme anonym und unbemerkt an diesen Ort, war in Wirklichkeit bekannt wie ein bunter Hund. Jeder zweite hatte die auffälligen Großstädter schon gesehen. Aber Alexandra wusste es nicht, und das war vielleicht auch besser so. Sie winkte ihrer Tochter, die schlecht gelaunt am Zaun stand. Alex holte seufzend ihren Laptop aus dem Auto und folgte ihrer Mutter und dem Bürgermeister ins Haus.

„Sieh nur, die hübschen Blumen!“, sagte Alexandra über die Schulter zu Alex. Es sollte aufmunternd klingen. Alex, die missmutig hinter ihr her trottete, wandte den Kopf und konnte zwischen den wuchernden Ranken eines Brombeerstrauches, der sich des halben Gartens bemächtigt hatte, ein paar lila Krokusse ausmachen, die sich durch die Dornen quälten. Aus irgendeinem Grund konnte sie ungefähr verstehen, wie sich diese Blüten fühlen mochten.

Inzwischen war es Karl Karge gelungen, das alte Türschloss zu öffnen. Es war glücklicherweise nicht eingerostet. Mit einem Knarren schwang die Tür auf und der Bürgermeister trat zur Seite, um den neuen Besitzern Platz zu machen. Mutter und Tochter blieben auf der Schwelle stehen und erblickten einen breiten, mit schwarzweißen Fliesen gekachelten Flur und den angrenzenden Raum, dessen Tür offen stand. Sonnenlicht fiel gedämpft durch die verschmutzten Scheiben und machte den durch ihr Eindringen aufgewirbelten Staub sichtbar. Ein muffiger Geruch nach Schmutz und alten Möbeln lag in der Luft und vermischte sich nur widerwillig mit der klaren Frühlingsluft, die von draußen hereinströmte. Von der Decke hingen, Girlanden gleich, Spinnenweben herab, deren Bewohner sich erschreckt in die Zimmerecken zurückzogen. Rechts war eine Treppe zu sehen, deren Stufen sich in einer halben Drehung zum Obergeschoss wanden. Am Handlauf war ein Stück abgebrochen. Oberhalb der Treppe war eine Bewegung auszumachen, schnelle Trippelschritte von kleinen Füßchen verrieten, dass das Haus gar nicht so unbewohnt war, wie es schien.

Alex und Alexandra sahen sich an.

„Na siehst du“, meinte Alexandra und rang sich ein Lächeln ab. „Es ist doch ganz hübsch hier!“

Alex und Alexandra

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