Читать книгу Alex und Alexandra - Angela Rommeiß - Страница 8

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Sie folgten Karl Karge durch den Flur. Links neben der Eingangstür befand sich die Küche, dahinter ein weiterer Raum. Rechts lag das Wohnzimmer, das die gesamte Tiefe des Hauses einnahm und mit altmodischen Möbeln vollgestopft war.

Alexandras erster Eindruck, dass das Haus praktisch unbewohnbar sei, verflüchtigte sich allmählich und machte einer unbestimmten Freude Platz: Das alles hier war ihr Eigentum! Was mochte sie hier vorfinden, welche Schätze gab es zu entdecken? Ganz sicher mussten hier viele Hinweise auf ihre Tante zu finden sein, denn die hatte ja hier gelebt und das Haus und dessen Inhalt war seit ihrem Tod praktisch nicht angerührt worden.

Allerdings war das seltsam. Warum hatte sich ihre Mutter nicht um das Haus gekümmert? Warum hatte sie nicht wenigstens einen Räumdienst beauftragt oder eine Putzkolonne? Man hätte es verkaufen oder doch wenigstens leerräumen können? Aber nein, ihre Mutter hatte einfach so getan, als ginge sie dieses Haus nichts an.

„Komisch“, dachte Alexandra. „Das sah ihr gar nicht ähnlich.“

Herr Karge zeigte ihnen alles und erklärte dabei eifrig. Er schien mit den Räumlichkeiten sehr vertraut zu sein, anscheinend war er in seinem Leben schon oft hier gewesen. Außerdem hatte er sie gleich geduzt. War das hier üblich? Wie gut hatte dieser kleine Mann wohl ihre Mutter gekannt? Nachdenklich betrachtete Alexandra den Bürgermeister von der Seite. Er war ein kleingewachsener Mann, ihre Mutter war groß gewesen. Sie selbst, Alexandra, war auch eher klein…

Schnell verwarf sie diesen Gedanken. Ja, sie wollte ihren Vater finden, aber nicht jetzt sofort. Es wäre auch ein unwahrscheinlicher Zufall, wenn es der erstbeste Mann wäre, dem sie hier begegnete. Nein, erst einmal wollte sie sich das Haus ansehen und hier heimisch werden, um die anderen Fragen konnte sie sich später immer noch kümmern.

In der Küche stand ein kleiner Holzofen, in den anderen beiden Räumen befanden sich Umluftöfen. Die Lichtschalter und Steckdosen waren große, klobige Ungetüme, man konnte sich kaum vorstellen, dass hier noch Strom floss. Aber Karl Karge betätigte ohne Zögern einen der Schalter und an der Decke des Flures ging eine trübe Glühlampe an, die in einem staubigen Lampenschirm undefinierbarer Farbe steckte.

Hinter der Treppe gab es eine Toilette mit Dusche, deren schmales Fenster zum Garten hinausging. Neben dem Bad führte eine Tür in den Hinterhof, der mit holprigen Steinen gepflastert war und von einem uralten Fliederbusch überschattet wurde. Rechts lag der Stall, links bildete eine dichte Hecke einen Sichtschutz zum Nachbargrundstück. Wenn man den Müll, der hier herumlag, wegräumte, könnte hier eine schöne Sitzecke sein, fand Alexandra.

Weiter hinten lag ein großer Garten, wo früher einmal Beete gewesen sein mochten, von denen allerdings kaum noch etwas zu sehen war – nur das Gras wuchs hier weniger dicht. Eine Streuobstwiese mit Apfel-, Pflaumen- und Kirschbäumen schloss den Garten ab, hinter dem ein Wiesenweg entlangführte. Der hintere Zaun war besser in Schuss als der vordere, allerdings hing die Tür schief in den Angeln, halb zugewachsen von mehreren Holunderbüschen, die sich zu einer wilden Hecke vereinigt hatten. Zum Nachbargrundstück hin gab es auch einen Holzlattenzaun, es fehlte jedoch ein komplettes Zaunfeld. Durch die Lücke führten Reifenspuren. Anscheinend hatte jemand, während das Haus unbewohnt war, das Obst geerntet und abgefahren. Karl Karge hatte dies, wie er ihr erklärte, den Nachbarn auf deren Anfrage hin gestattet und freute sich, dass Alexandra das in Ordnung fand.

Die hatte ein seltsames Gefühl, als sie vorbei an den Büschen und Bäumen zurück zum Haus gingen. Hatte sie das alles nicht schon einmal gesehen? Kam ihr das nicht bekannt vor? Irgendetwas in ihrem Kopf griff mit zaghaften Fingern nach einem Erinnerungsfetzen, konnte ihn aber nicht ganz erhaschen. Nach einem Moment war dieses Gefühl vorbei.

Nach der kurzen Gartenbesichtigung, während der sich Alex gelangweilt an ihrem Handy zu schaffen gemacht hatte, öffnete Herr Karge noch den Haupthahn der Wasserleitung, wobei er Alexandra gleich die Wasseruhr zeigte, und machte sie darauf aufmerksam, dass erst einmal nur braunes Wasser durch die Leitungen kommen würde. Danach entschuldigte er sich mit wichtigen Terminen und verschwand auf seinem Fahrrad. Vorher hatte er noch einmal die Gelegenheit gehabt, seinen Gesichtsausdruck zu ändern, als ihm nämlich Alexandra mitgeteilt hatte, dass sie ab jetzt hier wohnen würden.

Alexandra ging nachdenklich wieder ins Haus zurück. Alex hockte griesgrämig auf einem Holzstapel und bockte. Die Mutter beschloss, ihre Tochter und deren schlechte Laune ganz bewusst zu ignorieren und sich allein die oberen Räume anzusehen.

Vorsichtig stieg sie die knarrenden, staubigen Stufen hinauf, fast damit rechnend, durch eine der Stufen durchzubrechen und mit gewaltigem Getöse in einer Wolke aus Schutt und Staub im Keller zu verschwinden. Doch die Treppe war stabil und Alexandra rief sich zur Vernunft. Schließlich war sie hier nicht in einem Horrorfilm und außerdem gab es in diesem Haus gar keinen Keller.

„Mein Haus!“, dachte Alexandra und spürte, wie ihr Enthusiasmus zurückkehrte. „Das hier ist alles meins! Ich besitze ein ganzes Haus mit Garten!“ Sie fühlte sich plötzlich beschwingt und voller Tatendrang und hoffte, dass dieser Zustand eine Weile anhalten möge.

Oben gab es zwei kleine und ein größeres Schlafzimmer, in die sie nur von der Tür aus einen kurzen Blick warf. Alexandra fand sie muffig, eng und befremdlich und sie kam sich vor wie ein Eindringling, der in der Privatsphäre fremder Menschen herumschnüffelt. Dieses Gefühl musste sie abschütteln, schließlich gehörte das alles jetzt ihr. Trotzdem ging sie erst einmal wieder nach unten und trat in die Küche ein. Die war eigentlich recht hübsch. Das Fenster mit dem breiten Fensterbrett ging zur Gasse hinaus, man konnte den Vorgarten und ein gutes Stück der Straße überblicken. Ein massiver, rustikaler Holztisch und vier Stühle standen mitten im Zimmer. Zwar war die Tischoberfläche mit Schnitten und Kerben übersät, doch mit Hilfe von etwas Sandpapier und Möbelpolitur könnte sie ihn sicherlich wieder ganz passabel herrichten. Direkt neben der Tür stand ein kleiner Kanonenofen, dessen Abzugsrohr in den dahinterliegenden Schornstein führte. Auf dem Öfchen war so etwas wie eine runde Herdplatte eingelassen, wo man sicherlich Wasser erhitzen konnte. „Wie praktisch!“, dachte Alexandra. Der Elektrokocher, der daneben auf dem Schrank stand, sah allerdings nicht vertrauenerweckend aus. Er hatte zwei verrostete Platten und eine mit Stoff überzogene, schadhafte Strippe mit einem ebenfalls verrosteten Stecker daran, den Alexandra ganz sicher nicht in eine der vorsintflutlichen Steckdosen stecken würde. Sie sah sich weiter um. Die hellgelben Küchenschränke stammten allem Anschein nach aus den frühen siebziger Jahren, sie hatten abgerundete Ecken und rundliche Griffe. Als Alexandra einen der Schränke öffnete, stellte sie fest, dass sich tatsächlich noch Tüten und Gläser darin befanden.

„Das darf doch nicht wahr sein!“, murmelte sie, vorsichtig den Innenraum beäugend. Hier hatte wirklich niemand irgendetwas angerührt, seit Tante Anna gestorben war.

„Ich hab hier nicht mal Empfang!“, jammerte Alex draußen und trampelte mit ihrem Handy die Treppe hoch, um es oben zu versuchen.

Alexandra seufzte, klappte die Schranktür wieder zu und nahm Zettel und Stift aus ihrer Handtasche, um aufzuschreiben, was sie besorgen musste.

Große Mülltüten, stand als erstes auf der Liste. Sie mochte gar nicht daran denken, was ihr beim Ausräumen der Küchenschränke alles entgegen kommen mochte.

Handschuhe, schrieb sie auf, und Lappen.

Hatte sie nicht draußen unter der Treppe eine kleine Tür gesehen? Sicherlich gab es dort einen Abstellraum mit Putzgeräten. Sie schaute nach. Ja, Eimer und Besen, alles da. Sogar eine Flasche mit zähflüssigem Spülmittel fand sie.

„Iiiiihhh!“, schrie Alex oben. Ihre Mutter stellte den Eimer ab und stieg die gewundene Treppe hinauf. In einem der Schlafzimmer stand Alex vor einem Bett, in dem etwas lag. Es war schwarz, es war pelzig und es war tot. Die beiden traten vorsichtig näher heran. Allem Anschein nach hatten sie es mit einer Katze zu tun, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte. Bevor sie gestorben war, hatte sie allerdings noch den ganzen Raum vollgekotet und die Gardinen zerfetzt. Sogar die Tapeten an den Dachschrägen waren in Fetzen gerissen. Vielleicht waren es auch Generationen von Katzen gewesen, man wusste es nicht.

Alexandra schlug die Bettdecke um das tote Tier zusammen und sagte: „Jetzt stell dich nicht so an. Das hier muss sowieso alles raus. Wenn du mir mal helfen würdest, wären wir schneller fertig!“

Ich soll das anfassen? Das ist obereklig, das fasse ich nicht an. Du bist das vielleicht gewöhnt, du musst ja auch alte Leute waschen, aber ich fasse das nicht an!“, zeterte Alex, die gespreizten Hände erhoben.

Ihre Mutter wurde böse. „Gut, Prinzessin, dann fass es halt nicht an. Geh nach unten, da steht ein Eimer. Füll Wasser rein und einen Schuss Spülmittel, dann sieh zu, dass du die Fensterscheiben einigermaßen sauber kriegst. Ich räume derweil hier auf. Los, los, worauf wartest du?“ Sie setzte ihren Keine-Widerrede-Blick auf, und Alex stampfte schmollend und nölend die Treppe hinunter.

Alexandra öffnete das Giebelfenster weit, atmete tief die frische Frühlingsluft ein und machte sich anschließend an die Besichtigung der Schlafräume. Die oberen Räume waren genauso aufgeteilt wie die darunterliegenden, nur dass sie durch die Dachschrägen kleiner wirkten. Das größte Zimmer über dem Wohnzimmer war wohl die Schlafstube der Eltern gewesen, es wirkte, als sei es seit vielen Jahren unbewohnt. Die Möbel in diesem Zimmer waren wirklich uralt. Das große, massive Gestell des Ehebettes hatte dreigeteilte Matratzen, die offensichtlich mit Stroh oder Holzwolle ausgestopft waren. Sie lagen auf altmodischen Sprungfederböden, die quietschten, wenn man sich darauf setzte. Alexandra probierte jedes Bett aus, aber als ihr einfiel, dass die Matratzen wahrscheinlich voller Milben und anderem Getier waren, ließ sie es lieber sein. Der Schrank war aus massivem, dunkelbraun gebeiztem Holz und ziemlich groß. Es roch so muffig im Inneren, dass es ihr für einen Moment den Atem verschlug. An der hohen Stange hingen einige antiquierte Kleidungsstücke und auf dem Boden des Schrankes standen Koffer und Kartons, aber wenigstens schienen keine Tiere darin zu wohnen. Alexandra beschloss, das Ausräumen des Schrankes ganz zum Schluss zu erledigen. Es würde das Beste sein, zunächst eines der anderen Schlafzimmer für sie beide einzurichten.

Sie wandte sich dem Zimmer zu, das zum Garten hin lag. Offensichtlich ein Abstellraum. Hier stand ein kastenförmiges, tiefes Bett, in dem man sich fühlen musste, als läge man in einem Sarg. So ein Bett hatte sie das letzte Mal in einem Museum gesehen. Die Matratze war nackt, es gab kein Bettzeug. Dieses fand sie in einem der zwei Schränke, welche eine ganze Wand einnahmen. Hier hatte Tante Anna Bettwäsche, Handtücher, Decken und Kissen aufbewahrt. Ansonsten standen hier nur ein kleiner Nachtschrank und ein Stuhl sowie in einer Ecke eine abgedeckte Nähmaschine mit verschnörkeltem, gusseisernem Untergestell.

Der andere Raum, der über der Küche lag, hatte etwas modernere Möbel und war auch heller. Wahrscheinlich war dies jenes Zimmer, in welchem Tante Anna bis zu ihrem Tode gewohnt hatte. Neugierig trat Alexandra ein. Eine seltsame Scheu erfasste sie, als sie die persönlichen Dinge betrachtete, die ihrer unbekannten Tante gehört hatten. Hier stand ein breites Bett aus weißem Stahlrohr, auch die anderen Möbel waren weiß. Auf eine Kommode hatte jemand hellblaue Blümchen gemalt.

Malte jemand, der depressiv war, Blümchen auf Möbel? Na ja, vielleicht hatte sie das schon vor Jahren getan, bevor sie krank wurde. Oder vielleicht stammte es noch von ihrer Mutter, denn wahrscheinlich war dies hier ein Kinderzimmer gewesen, in dem eines der beiden Mädchen oder auch beide gemeinsam geschlafen hatten.

Alexandra ging auf, wie wenig sie eigentlich von ihrer Familie wusste. Weder hatte sie ihre Tante gekannt, noch ihre Großeltern. Ihre Mutter hatte ihr recht wenig von ihrer Jugend erzählt, und wenn, dann nur oberflächlich vom Dorf, vom Leben hier und von den Tieren. Kaum etwas über die Menschen, die ihr am nächsten gestanden hatten. Seltsam.

Aber jetzt wohnte sie, Alexandra, hier und hatte ein ganzes altes Haus voller Sachen zur Verfügung, in denen sie nach Herzenslust nach ihrer Vergangenheit stöbern konnte. Und ihre Tante hatte das bestimmt so gewollt. Sie sollte das Geheimnis, sollte es hier eines geben, selber herausfinden.

„Wo ist denn hier das Klo?“, rief Alex von unten.

„Hinten auf dem Gang, die letzte Tür rechts!“, rief Alexandra zurück.

„Kommst du mit?“, fragte Alex kläglich.

„Was, mit aufs Klo?“, antwortete ihre Mutter lachend.

„Weiß man, wer da wohnt?“

Alexandra stellte ein Buch, das sie gerade aus dem Regal genommen hatte, wieder zurück und ging nach unten, um ihrer Tochter beim Toilettengang beizustehen. Auf dem Klo wohnte niemand, ein paar Silberfischchen ausgenommen. Sogar die Spülung funktionierte, obwohl braunes Wasser aus der Leitung kam und es in den Rohren furchtbar blubberte. Alex wusste anfangs gar nicht, wie sie die Spülung betätigen sollte. Es kam ihr ausgesprochen komisch vor, dass der Spülkasten so weit oben hing und eine Kette mit Griff zum Ziehen hatte.

„Das ist ja cool!“, staunte sie. „Bestimmt hundert Jahre alt.“

„Die Spülkästen mit Knopf zum Drücken gibt es erst seit ein paar Jahren“, widersprach ihre Mutter. „Nur, weil du es nicht mehr kennst, muss es nicht antiquiert sein. Erinnerst du dich an die Uhr? Die Armbanduhr, bei der du so begeistert warst, dass man keine Batterie dafür braucht, sondern dass man sie nur aufziehen muss? Damit ist’s genauso.“

„Jetzt weiß ich auch“, sinnierte Alex, „warum Oma immer gesagt hat, ich soll ziehen. Sie meinte damit spülen. Deshalb also!“ Nachdenklich zog sie noch einmal an der Strippe.

„Verschwende kein Wasser, hier gibt es keinen Sparknopf!“, mahnte Alexandra. „Komm mal mit nach oben, die Schlafzimmer ansehen. Wir müssen eins aussuchen, das wir als erstes herrichten, und in dem wir erst mal zusammen schlafen.“

„Was, in einem Bett? Du und ich? Ich will aber mein eigenes Zimmer, das hast du mir versprochen. Was sollen denn meine Freunde sagen, wenn sie erfahren, dass ich mit meiner Mutter in einem Bett schlafe!“ protestierte Alex.

„Und was würden sie erst dazu sagen, wenn sie erfahren würden, dass dich deine Mutter aufs Klo begleiten muss!“, spottete Alexandra.

„Das ist wieder typisch, dass du das jetzt gegen mich ausspielst, manchmal bist du echt fies!“

„Ich bin fies? Wer hat denn vorhin alte Leute mit toten Katzen verglichen?“

„Das hab ich gar nicht. Ich hab das Waschen von alten Leuten mit dem Anfassen der toten Katze verglichen, weiter nichts!“

„Ich wüsste nicht, wo da ein Unterschied sein sollte, wenn du...“

Ein energisches Klopfen unterbrach ihren Streit. Sie sahen sich an. Als Alexandra gerade einen Schritt auf die Eingangstür zu machen wollte, wurde die auch schon geöffnet und eine Frau steckte ihren Kopf herein.

„Halloho! Ist jemand zu Hause?“

Die beiden Bewohnerinnen traten einigermaßen erstaunt auf ihre Besucherin zu. Die war gar nicht schüchtern, kam ohne viele Umstände herein und drückte Alex bunte Pappkarten in die Hand. Dann ergriff sie die Hand von Alexandra und schüttelte sie.

„Wusste ich’s doch, dass Sie zu Hause sind. Das Auto steht ja draußen, und als ich zufällig aus dem Fenster geschaut hab... Also, ich bin die Frau Eberlein, Elvira Eberlein. Ich bringe Ihnen die Karten, na, die brauchen Sie ja sicher. Also, die blauen sind für den Schrott, die grünen für den Sperrmüll und die gelben für Elektroschrott. Die orangenen hier schicken Sie ab, wenn Sie Kühlschränke oder sowas abgeholt haben wollen. Aber das haben Sie ja nicht. Steht ja kaum noch was Verwertbares drin in der alten Bude, was? Ach, ich wollte Sie schon lange mal kennenlernen, meine Liebe. Sie sind ja der Anna wie aus dem Gesicht geschnitten, kaum zu glauben. Und das ist Ihre Tochter? Da muss man ja zweimal hinschauen, wer Mutter und wer Tochter ist, haha! Also, mein Mann hat ja gemeint, hier ziehen Fremde ein, aber ich hab gleich gesagt, Herbert, hab ich gesagt, da kommt jemand von der Familie rein, du wirst sehen. Wär’n die ja blöd, wenn sie so ein Haus einfach verschenken. Und hab ich nicht recht gehabt? Hab ich ja meistens, aber das wollen die Männer ja nicht hören, gell. Hinterher hat er’s schon immer gewusst, dabei hab ich gleich gesagt... wie gesagt, naja. Wenn Sie noch was brauchen, sie beiden, ich wohne direkt gegenüber. Ich war eine gute Bekannte Ihrer Großeltern, die haben mir praktisch alles anvertraut, auch den Schlüssel. Das können Sie ruhig auch machen, meine Gute. Hab die ganze Zeit auf das Haus aufgepasst, deshalb ist auch keiner eingestiegen. Nicht mal eine Fensterscheibe ist kaputt gegangen in all den Jahren, wo man’s hat verkommen lassen. Sogar Schnee geschippt hat mein Herbert hier drüben, obwohl’s uns ja praktisch nichts angeht. Nachbarschaftshilfe nennt man das hier auf dem Dorf, das kennt ihr

Städter gar nicht. Aber es dankt einem ja keiner. Also dann, ich hab Suppe auf dem Herd und wir sehen uns ja jetzt öfter!“

Die korpulente Dame bewegte sich mit erstaunlicher Leichtfüßigkeit kurz zur Küchentür, äugte ungeniert hinein und schnupperte. „Sie kochen wohl nichts? Die Städter können ja alle nicht kochen. Aber das Kind braucht ein ordentliches Mittagbrot, glauben Sie’s mir! Dreimal die Woche Fleisch und gute Butter an die Soße! Meine Kinder waren alle gut beieinander und gar nicht krank. Kann mich nicht erinnern, dass die mal krank gewesen wären, bis auf die Allergie vom Rainer und die Ausschläge von der Barbara. Hat ihre Tochter auch Ausschläge? Da helfen Wickel mit Quark!“

Schwatzend begab sich die Besucherin langsam zur Ausgangstür, während ihre flinken Äuglein in alle Ecken lugten. An der Tür drehte sie sich noch einmal um und meinte: „Wenn Sie übrigens einen schwarzen Kater sehen, das ist mein Mohrle. Den suche ich schon eine Weile. Auf Wiedersehen!“

Die Tür fiel ins Schloss.

„Auf Wiedersehen“, erwiderte Alexandra matt.

Sie sahen sich verdattert an, dann prusteten sie los. Sie lachten, dass sie sich die Seiten hielten.

„Jetzt weiß ich auch“, japste Alex, „woran die arme Katze da oben gestorben ist! Die hat Selbstmord begangen!“

Alex und Alexandra

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