Читать книгу Schuld, die dich schuldig macht - Angelika B. Klein - Страница 12
Kapitel 8
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Später am Abend erscheint Louis vor meiner Hütte und klopft an. Ich öffne sie, verabschiede mich von Mona und gehe mit ihm in die Dunkelheit. „Wir dürfen jetzt nicht mehr so weit vom Dorf weg. Das ist bei der Dunkelheit zu gefährlich“, erkläre ich ihm.
„In Ordnung, wollen wir uns dann dort drüben unter den Baum setzen?“, schlägt er vor. Wir gehen zu der Stelle und setzen uns nebeneinander ins trockene Gras. Louis fängt an, mit den kleinen herumliegenden Steinchen zu spielen.
„Was habt ihr heute noch alles gemacht?“, frage ich neugierig.
„Wir haben ein paar Interviews gegeben und die Werbefilme für den Red-Nose-Day gedreht. Morgen gehen wir noch in die Schule und übermorgen fliegen wir wieder nach England.“ Das war das Stichwort. Er fliegt wieder zurück. Meinem Herzen versetzt es einen Stich. Louis bemerkt meine Unsicherheit und fragt: „Mia, könntest du dir vorstellen, mit mir nach London zu kommen?“ Diese Frage habe ich ebenso erhofft, wie gefürchtet. Was soll ich ihm darauf antworten? Ich würde sehr gerne, aber ich kann nicht, ich traue mich nicht.
„Louis, ich weiß nicht… das ist alles etwas kompliziert.“ Er schaut mir in die Augen und legt seine Hand an meine Wange. Langsam kommt er näher und küsst mich. Ich genieße seinen Kuss, seine Berührungen, mehr als er sich vorstellen kann. Und doch tut es so weh, da ich weiß, dass ich ihn in zwei Tagen wieder verliere.
Der Kuss wird leidenschaftlicher und intensiver. Louis Hände streichen mir sanft über den Rücken. Seine Lippen wandern seitlich an meinem Hals entlang. Ich habe das Gefühl, innerlich zu verbrennen. Mein ganzer Körper reagiert auf seine Zärtlichkeiten. Es kribbelt … und brennt … und zieht. Langsam schiebt er seine Hand unter mein T-Shirt.
Stop! Abrupt schiebe ich ihn von mir weg. „Nein, nicht“, sage ich erhitzt.
Louis hält sofort inne: „Sorry, ich dachte, du willst es auch.“
„Ja, so war das auch nicht gemeint. Ich will schon, aber … ich kann einfach nicht …“ Wie soll ich ihm begreiflich machen, dass ich auf dem besten Weg bin, mich in ihn zu verlieben, aber wir uns in zwei Tagen nicht mehr sehen werden.
Liebevoll wendet er sich mir zu: „Wenn du etwas mehr Zeit brauchst… Mia, bitte komm mit mir nach England. Dann können wir uns besser kennen lernen und alles langsam angehen.“
Betreten schaue ich zu Boden. „Ich kann nicht weg von hier. Ich kann dir die Gründe jetzt nicht erklären, aber ich kann auf keinen Fall in eine Stadt wie London!“
Verständnislos schaut Louis mich an. „Muss ich das jetzt verstehen? Mia, ich kann nicht hier bleiben, wir haben Auftritte und Termine in London. Bitte, gibt uns eine Chance und komm mit nach London.“
Unschlüssig stehe ich auf. „Ich weiß, dass du es nicht verstehst Louis, aber ich kann nicht mit dir kommen. Es tut mir leid.“ Ich drehe mich um und laufe mit Tränen in den Augen zu meiner Hütte. Louis bleibt verwirrt und fassungslos unter dem Baum sitzend zurück.
Ich stürme in die Hütte und werfe mich weinend auf meine Liege. Mona schaut von ihrer Handarbeit auf und erhebt sich langsam von ihrem Stuhl. Sie schließt die Türe und setzt sich neben mich auf die Kante des Bettes. Behutsam streichelt sie mir über den Rücken: „Mia, was ist los, ist etwas passiert?“ Ihre Frage quittiere ich mit einem lauten Schluchzen.
„Es ist wegen Louis, stimmts? Hat er sich blöd verhalten?“, bemerkt sie fürsorglich. Überrascht schaue ich ihr in die Augen. Mona kann ich nichts vormachen, sie hat feine Antennen, wenn es um die Gefühle anderer Menschen geht.
„Nein, er nicht! Ich habe mich blöd verhalten! Er will, dass ich mit nach London komme“, sage ich weinerlich.
Mona huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Sanft redet sie auf mich ein: „Aber Mia, das ist doch schön, wenn ihr verliebt seid, dann lass es doch einfach geschehen.“
Wütend setze ich mich auf und antworte in schroffem Ton: „Hast du vergessen, dass ich von hier nicht weg kann? Ich kann nicht nach London gehen! In einer Stadt wie London findet er mich sofort!“ Nachdenklich schaut Mona mich an.
Nach ein paar schweigenden Augenblicken schlägt sie vor: „Mia, du bist schon so lange hier. Du kannst dich nicht dein ganzes Leben lang vor deiner Vergangenheit verstecken! Für den Fehler, den du damals begangen hast, hast du mehr als genug bezahlt. Vielleicht wirst du gar nicht mehr gesucht? Hör auf dein Herz und gib eurer Liebe eine Chance!“
Monas Worte sind wie Balsam für meine Seele. Wie gerne würde ich jedes einzelne Wort glauben! Aber die Angst, die mich seit zwei Jahren begleitet, hat sich so fest eingebrannt, dass es mir schwer fällt, aus dem mir selbst gebauten Gefängnis auszubrechen.
Mona streicht mir liebevoll über die Haare: „Schlaf eine Nacht darüber und rede morgen nochmals mit Louis. Lass nicht die Angst für dich entscheiden, sondern die Liebe.“ Nach diesen sorgsamen Worten steht sie auf und geht zu ihrer Liege.
Ich schlüpfe unter meine Decke und grüble noch lange über Monas Worte nach. Kann ich mich nach zwei Tagen schon in Louis verliebt haben? Oder ist das nur eine Schwärmerei, die schnell wieder vergeht? Um das herauszufinden, müsste ich mich auf das Wagnis einlassen und mit ihm nach London gehen. Ich spüre, dass es mir mein Herz fast zerreißt, bei dem Gedanken, dass Louis übermorgen abfliegt und ich ihn nie wieder sehen werde. Allerdings ist die Angst, meinen sicheren Zufluchtsort zu verlassen, so tief in mir verwurzelt, dass ich mich nicht traue, meinem Herzen zu folgen.