Читать книгу Weges Rand - Angelika Heller - Страница 5
Ben fehlt
ОглавлениеJedes Mal, wenn ich an dieser einen Unterführung vorbeikomme.
Immer noch.
Bis vor etwas mehr als sechzehn Monaten hatte er dort für zweieinhalb Jahre sein Nachtlager.
Ich bin sehr oft dort vorbeigegangen, manchmal habe ich auch einen langen Umweg gemacht, weil dort Ben ist – war. Er saß oder lag auf seinem Schlafsack und hat meistens gelesen, aber jedes Mal hat er sofort sein Buch weggelegt, um sich mit mir zu unterhalten. Ben, der beschlossen hatte, auf der Straße zu leben und der nie wieder mit irgendjemandem zusammenwohnen konnte und wollte.
Wir haben über alles geredet in dieser Zeit, die mir viel Halt gegeben hat, als alles um mich herum sich in Sand aufzulösen schien und darunter nur scharfe Kanten oder völlige Leere blieben. Aber vor allen Dingen haben wir in diesen endlosen Nächten über Bücher gesprochen; diese Leidenschaft hat uns sehr verbunden. Das eine oder andere Buch, von dem er meinte, er hätte es so gerne mal gelesen, und das nur noch antiquarisch zu erwerben war, habe ich ihm dann besorgt und mitgebracht.
Er hat sich immer sehr gefreut über meine Geschenke, aber ich weiß nicht, ob er je wusste, wie viel mir diese Begegnungen wirklich bedeutet haben – jetzt noch bedeuten. Und er ist fort und ich denke so oft an ihn, vor allem, wenn ich nachts durch diese Unterführung gehe.
Ben, du fehlst!