Читать книгу Weges Rand - Angelika Heller - Страница 6
Do you like it?
ОглавлениеAls ich aufsah, blickte ich in eine verspiegelte Sonnenbrille und darunter ein unglaublich strahlendes Lachen, und mir wurde bewusst, dass er das wohl schon mindestens zweimal gefragt haben musste.
Dieses verlängerte Maiwochenende in Berlin war nicht nur ein paarmal buchstäblich ins Wasser gefallen, auch kamen die Treffen, auf die ich mich so gefreut hatte, alle nicht zustande. Und was die Unterkunft betraf, nun, die wollte ich doch lieber aus meinem Gedächtnis löschen.
Getröstet hatte ich mich dann damit, dass ich mich mit vielen neuen Büchern eingedeckt und den mir bisher noch neuen Stadtteil Steglitz erkundet hatte. Dabei war ich auch für eine Neuproduktion das erste Mal im zauberhaften Schlossparktheater. Die wunderschöne Anlage mit dem feinen Ambiente würde mich ganz sicher noch für einige auch schon angekündigte Vorstellungen anlocken.
Im verwunschen anmutenden Garten der evangelischen Matthäuskirche habe ich auch in einer Regenpause etwas verweilt und die 1883 gepflanzte Luther-Eiche bewundert. Durch die Bogengänge wandelnd und die alten Grabplatten studierend hatte ich den Sonntagabend verbracht. In die Kirche wollte mich das große Eingangsportal allerdings nicht lassen. Das war wohl nach dem Gottesdienst abgeschlossen worden. Also nur ein Rundgang und noch einmal durch das fast kniehohe Gras im wiederbeginnenden Regen zurück zur U-Bahn-Station.
Und nun, an diesem Montagmorgen, lehnte ich im Untergeschoss des Berliner Hauptbahnhofs an der Seite der Rolltreppe, vertieft in einen der neu erworbenen Thriller aus der Autorenbuchhandlung am Savignyplatz, um die Wartezeit auf den Zug zu überbrücken.
Der Strahlemann ließ nicht locker »You do? It’s so great!«, lachte er wieder. Dabei drehte er sich mit seinem knallbunten wadenlangen Strickmantel hin und her und kicherte und gluckste vergnügt.
»Yeah, absolutely great.« Nun musste ich auch lachen, der Kerl war so glücklich und freute sich so. »Forget the grey sky, just have a sunny day!«, gluckste der bestimmt schon mindestens fünfzigjährige schlaksige Mann, deutete nach oben und drehte sich immer weiter nach links und rechts, wobei der Mantel um ihn herumtanzte. Wie ein hüpfender und springender fröhlicher Regenbogen sah das aus und malte bunte Streifen auf den grauen Bahnsteig. Als der Zug einfuhr, tänzelte er noch einmal an mir vorbei, wirbelte seinen Mantel herum, zauberte Farben in das fade Grau.
»Have a great and sunny day!«, jubelte er noch einmal und dann war er die Rolltreppe hinauf verschwunden.
Als ich auf meinen Sitzplatz am Fenster fiel und die Frau neben mir zeitgleich mit mir auch ihr dickes Buch aufschlug, lächelten wir einander an und nickten einander zu.
Ja, das würde nun aber ein wirklich guter Montag werden, so viel stand jetzt schon einmal fest.