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Unsere erste Zeitschrift kommt raus

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Die nächsten Tage arbeitet John rund um die Uhr. Zunächst schreibt er sämtliche Druckereien in Deutschland und Österreich an. Ich frage ihn, warum er nicht einfach per Suchmaschine die Günstigste raussucht. Daraufhin erklärt er mir ausführlich die enormen Preisunterschiede und den Verhandlungsspielraum bei einer Auflage von zehntausend Stück. Das leuchtet mir ein.

Dann zeigt er auf seinen Bildschirm und meint: »Zusätzlich lege ich sehr viel Wert auf ein gutes Papier. Selbst wenn das im ersten Moment vielleicht teurer erscheint, auf lange Sicht rechnet es sich, denn zufriedene Kunden kaufen wieder. Wirst sehen, ganz bald haben wir die ersten Abos in der Tasche. Früher hatte ich immer um die tausend Abonnenten.« Zufrieden antworte ich: »Ich bin froh, dass du dich in diesem Geschäft bereits so gut auskennst und die Kunden dich schon kennen.«

Den Firmen, die im Voraus das Geld für die Anzeige überweisen, bietet er fünf Prozent Skonto an. Ich nehme es zufrieden zur Kenntnis. Mit diesem Geld, was vorab reinkommt, sollten wir die Druckkosten locker bezahlen können.

Die nächsten Wochen ist John damit beschäftigt, das Heft ins richtige Format zu setzen und die ersten Texte einzufügen. So langsam nimmt unsere Zeitschrift richtig Gestalt an.

Für mich total überraschend, kann John das erste Fotoshooting kostenfrei von zu Hause erledigen. Die Fotografin hat er über Facebook kennengelernt, das Model bringt sie direkt mit und eine Visagistin springt auch spontan mit ein. »Und die machen das alle drei komplett umsonst für dich?«, frage ich erstaunt. »Na klar, was denkst du denn? Das Model ist mir sogar extrem dankbar, dass sie auf dem Cover sein darf. Im Innenteil bekommt sie noch eine Bilderstrecke von etwa sechs bis zwölf Seiten. Das kam früher schon sehr gut an bei den Lesern.« »Also dass unbekannte Models dieses Sprungbrett nutzen wollen, verstehe ich ja, aber dass die Fotografin ebenfalls einen ganzen Tag kostenlos arbeitet, kann ich fast nicht glauben.« John lacht: »Einen Tag? Schön wär’s. Die sitzt da garantiert zwei bis drei Tage dran. Sie wählt mir die Bilder ja auch noch aus und bearbeitet sie für mich. Aber auch sie freut sich, dass ich sie dafür auf dem Rücktitel erwähne. Ist schließlich Werbung für sie.«

Meine Mom ist ebenfalls sehr überrascht: »Und die arbeiten echt kostenlos für euch?« »Ja!«, antworte ich ihr am Telefon. »Verrückt, oder? Selbst Journalisten stellen uns ihre Texte einfach so zur Verfügung. Das war wohl früher schon so. Laut John musste er noch nie für Models, Fotografen oder die Inhalte seiner Zeitschrift zahlen.« »Echt seltsam, wie das in der Branche offensichtlich abläuft.« Egal, gerne nehmen wir es zur Kenntnis. Ich lege auf und setze mich an den Rechner.

Inzwischen lesen meine Mom und ich die Zeitschrift bereits das dritte Mal Korrektur. Wieder finden wir Fehler, die wir John schon mehrfach zum Ausbessern vorgelegt haben. Ihn lässt das völlig unbeeindruckt: »Keine Sorge, das stört die Leser nicht. Die sehen eure Feinheiten nicht einmal. Also macht euch nicht so viel Arbeit. Glaubt mir, die Zeitschrift wird perfekt.« Wir können Johns Einstellung hier nicht nachvollziehen.

Zwei Tage später bekommt John die ersten einhundertfünfzig Fotos von der Fotografin. Bis zum Abend können wir uns auf ein geniales Coverbild einigen. Nach wenigen Tagen hat John auch die sexy Bilderstrecke für den Innenteil zusammengestellt. Die ausgewählten Fotos sind sportlich, elegant, freizügig und gleichermaßen ansprechend für Männer und Frauen.

Zwischenschritte veröffentlicht John immer wieder auf Facebook. »Um die Vorfreude der Leser zu steigern«, bejubelt er seinen eigenen Beitrag. »Also, ich persönlich finde, dass du uns momentan viel zu erfolgreich darstellst, zumal wir bisher noch keinen einzigen Cent verdient haben. Kein Wunder, dass Linda vielleicht wirklich ein wenig eifersüchtig ist.« John zuckt nur mit den Schultern: »Was interessiert mich Linda? Diese Art von Marketing ist wichtig für uns! Kunden zahlen nur für Werbung, wenn das Heft auch fliegt. Vertrau mir, ich kenne das Geschäft.«

Ich setze mich zurück an den Rechner. John hat es geschafft, dass unsere Seite genauso viele weibliche Fans hat wie männliche, trotz des Namens MEN’S MAGAZINE. Ich checke Facebook seit Wochen gefühlt dreihundertmal am Tag und die Zahlen gehen nach wie vor durch die Decke. Was passiert erst, wenn unser Heft rauskommt? Allein das Cover zählt inzwischen weit über einhundert Likes.

Plötzlich kommt der Knaller. John springt mir von der Treppe mit den Worten entgegen: »Weißt du, wer mich gerade angerufen hat? Die Agentur von George Clooney, er ist für uns im nächsten Heft vertreten.« Ich lächle etwas gequält. »Ja klar, veräppeln kann ich mich selbst.« »Glaubst du mir etwa nicht?«, fragt John spürbar geknickt. »Hallo? George Clooney, was will der denn bitte in unserem Heft und wieso sollte seine Agentur dich anrufen?« »Sie haben wohl über Dritte erfahren, dass da gerade ein ganz neues interessantes Männermagazin auf den Markt kommt. Und da George Clooney derzeit weltweit jungen Startups helfen möchte, sind wir doch quasi wie gemacht dafür. Übrigens, ganz so absurd wie du gerade tust, ist es jetzt auch wieder nicht. Ist schließlich Werbung für ihn.« Ich denke mir meinen Teil und muss zurück in die Küche, das Wasser kocht. Mit der Reaktion hat John offenbar nicht gerechnet. Beleidigt dreht er sich um: »Ich geh ins Büro, unser Cover überarbeiten.«

Einen Tag später lese ich den gerade eingestellten Facebook-Eintrag. Auf dem angehängten Cover sieht man ein Bild von George Clooney in den Armen unseres Models. »Wow! Es stimmt also doch«, murmle ich vor mich hin und beginne zu lesen.

Aufgrund der überraschenden Ankündigung am vergangenen Freitag, dass George Clooney uns zu unserem Uhren-Special zur Verfügung stehen wird, war es unumgänglich, unsere Zeitschrift auf diese Neuigkeit hin anzupassen! Auch wenn das für uns hieß, dass wir Nachtschichten schieben mussten, war es uns das wert! Wir präsentieren euch hier das überarbeitete Cover unserer nächsten Ausgabe. Ab Mitte September könnt Ihr sie im Zeitschriftenhandel in ganz Deutschland, sowie in Teilen von Österreich und der Schweiz erhalten. Unser Cover-Girl Miryam wird es wohl freuen, welche Frau hätte nicht gern #GeorgeClooney zu ihren Füßen liegen...!? Oder in unserem Fall noch passender - in ihren Armen...!

Es stimmt also doch, George Clooney ist in unserem Heft vertreten. John hat die Rechte für mehrere Fotos von ihm bekommen. Er darf selbst auf der Coverseite mit George Clooney werben. Trotzdem frage ich mich: Die Leser sind doch nicht blöd, die sehen doch auch, dass diese Bilder von einer anderen Werbeplattform stammen, oder nicht? In Johns Text klingt es gerade so, als hätten wir ein Fotoshooting mit George Clooney persönlich gemacht. Sein Beitrag jedenfalls wird innerhalb weniger Stunden x-fach geliked und geteilt.

In drei Tagen ist Abgabe bei der Druckerei. John arbeitet seit gestern rund um die Uhr. Auch ich lese in jeder freien Minute Korrektur, einschließlich abends, wenn die Jungs im Bett sind. Todmüde mache ich weit nach Mitternacht das Licht aus. John ist noch immer oben im Büro. Wenig später geht die Türe auf. »Süße, ich kann es noch gar nicht glauben. In nicht einmal einer Woche erscheint unser Heft in den Läden. Dann haben wir endlich wieder mehr Zeit für unser Nesthäkchen.« Liebevoll kriecht er zu mir unter die Bettdecke. Wir genießen die Ruhe und die momentan wenige Zeit für uns. Später geht John wieder hoch ins Büro. Er möchte noch unsere angestrichenen Fehler ausbessern, das sei ihm jetzt wichtiger als zu schlafen. Keine Ahnung, woher er diese Energie nimmt.

Momentan mag ich mir gar nicht vorstellen, dass wir schon in zwei Monaten die nächste Ausgabe rausbringen wollen. Doch John weiß mich zu beruhigen: »Mach dir keine Sorgen, Süße. Nur im ersten Heft steckt so extrem viel Arbeit, da ich das Format erst aufbauen musste. Außerdem war das Anschreiben der ganzen Erstkontakte, wie Druckereien, Fotografen und Journalisten extrem zeitaufwendig. Aber all das wird ab jetzt wieder zur Routine.« Das stimmt, insbesondere bei der Suche nach der richtigen Druckerei gingen viele Wochen ins Land. John wollte einfach nicht denselben Fehler machen wie damals und hat akribisch im Netz recherchiert.

Sei’s drum, der Termin morgen bei der Druckerei steht. Doch langsam werde ich ungeduldig. Bisher hat John keinerlei Andeutungen gemacht, dass einer seiner Kunden bereits bezahlt hat. Auch im Heft sehe ich nicht annähernd die Werbeseiten, von denen er nach der Messe gesprochen hat. Auf mein Nachfragen hin, rudert John ein wenig zurück: »Die meisten meiner Kontakte müssen nun doch die erste Zeitschrift abwarten, bevor sie buchen dürfen. Das ist leider alles viel strenger geworden als früher. Damals hat ein Handschlag auf der Messe ausgereicht, heute sitzt das Geld für Marketing scheinbar nicht mehr so locker. Aber ist nicht so tragisch, alle haben mir zugesagt, dass sie ab der zweiten Ausgabe einsteigen dürfen.«

Am späten Abend, ich bin gerade am Einschlafen, kommt John ins Schlafzimmer und bittet mich diese letzten zwei Seiten noch Korrektur zu lesen. Schlaftrunken mache ich das Licht an und setze mich noch einmal eineinhalb Stunden hin, um jeden Fehler zu markieren. John geht sie anschließend am Rechner ausbessern und kommt danach zu mir ins Bett. Erschöpft aber glücklich schlafen wir gemeinsam ein.

Endlich ist der große Tag gekommen. Das Heft ist abgeschickt und es gibt kein Zurück. Somit haben wir genau drei Monate nach Johns Entlassung unsere erste Zeitschrift auf dem Markt.

Um neun war Abgabe, halb zehn ruft die Druckerei an. Sie können erst anfangen zu drucken, wenn die siebentausend Euro Anzahlung überwiesen sind. »Und wie willst du das jetzt machen?«, frage ich erstaunt. »Das weiß ich auch nicht, von einer Anzahlung war bisher nie die Rede. Früher habe ich das immer im Anschluss per Rechnung von den Einnahmen bezahlt. Aber das Heft muss dringend auf den Markt! Unsere Vertriebsfirma ist ebenfalls bereits gebucht.« »Oh man«, springe ich entsetzt auf. »Das kann doch nicht dein Ernst sein! Unsere viele Arbeit, so lange haben wir auf diesen Tag gewartet. So was muss man doch vorher abklären! Und was machen wir jetzt?« John zuckt nur mit den Schultern.

Ich kann das gerade echt nicht glauben, ich muss mich setzen. Dann rede ich mir ein, wir sind eine Familie, am Ende des Tages ist es doch egal, von welchem Konto was gerade kommt. Ich ringe mich also dazu durch, diese Kosten auch noch zu übernehmen. Bringt ja jetzt nichts, hier sinnlos rumzusitzen und zu warten. Auf was auch? Woher soll John das viele Geld nehmen? Das Heft ist fertig und muss verkauft werden! Hauptsache, seine Kunden zahlen bald.



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