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Die Kosten steigen

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Inzwischen rückt der Abgabetermin für unser nächstes Heft immer näher. Das Shooting läuft ähnlich ab wie bei der ersten Ausgabe. Wieder arbeitet die Fotografin samt Team kostenlos für John. Er möchte sie, wenn unser Heft irgendwann richtige Gewinne erzielt, entsprechend honorieren. Klingt zwar anders als sein: »Ich habe noch nie für Fotografen zahlen müssen«, aber für mich definitiv einleuchtender.

Dieses Mal fährt die Fotografin am Tag vor dem Shooting sogar extra noch mit dem Model zum Shoppen, kauft für fünfhundert Euro ein Kleid und will es am nächsten Tag zurückbringen. Ich bin überrascht, als John mir erzählt, auch das wäre in der Branche so üblich. Die Designer sind doch happy, auf dem Titelblatt einer internationalen Zeitschrift zu erscheinen. Umso besser denke ich, ganz abgesehen davon, dass wir uns fünfhundert Euro für ein Kleid gar nicht leisten könnten.

Heute lädt John mich mittags ins Restaurant ein. Wir sitzen am See, essen Fisch und blicken stolz zurück auf das, was wir in den letzten zweieinhalb Jahren gemeinsam erreicht haben. Ich liebe diesen Mann so sehr.

Und dann, der Hammer! Zwei Tage später zeigt John mir stolz seinen nächsten Post:

+ + + JAMES BOND IM MAGAZIN FÜR MÄNNER! + + +Wie heißt es so schön: Wenn‘s läuft - dann läuft‘s! Nachdem wir für das Uhren-Special in unserer aktuellen Ausgabe bereits George Clooney gewinnen konnten, wird in der kommenden Ausgabe (unserer Weihnachtsausgabe, welche ab Mitte November im Zeitschriftenhandel erhältlich ist) Mr. James Bond alias Daniel Craig persönlich seine Geschenke-Tipps für Weihnachten zum Besten geben! Wir freuen uns auf #DanielCraig - #JamesBond und wer weiß, vielleicht hat er ja sein #BondGirl im Schlepptau...!?

Wieder fällt es mir schwer zu glauben, dass irgendjemand annimmt, Daniel Craig persönlich steht uns fürs MEN’S MAGAZINE zur Verfügung. Dennoch versuche ich positiv zu klingen: »Wow! Dieses Mal also Daniel Craig als Zugpferd. Wieder über die Uhrenagentur?« »Nein, über eine Partneragentur von denen, die arbeiten sehr eng zusammen. Sie stellen mir das komplette Bildmaterial zur Verfügung. Dafür mussten sie zuvor richtig Geld hinlegen, um die Rechte zu bekommen. Und weißt du was? Beide Agenturen haben uns fürs kommende Jahr jeweils einen Auftrag über einhunderttausend Euro garantiert.« John hält kurz inne und wartet auf meine Reaktion. Ich bleibe stumm. »Zweihunderttausend Euro, Lara! Wenn es so weitergeht, haben wir ganz schnell unser eigenes Haus am See.«

Ich kann meinen Ohren kaum trauen: »Die zahlen jeweils einhunderttausend Euro?« »Ja, über das ganze nächste Kalenderjahr verteilt. Wir werden über die Herstellung der Uhren berichten, Werbung online und im Heft anbieten und immer wieder Aushängeschilder wie George Clooney, Daniel Craig und andere Größen dieser Art präsentieren können. Zusätzlich bekommen wir von denen Uhren zum Verlosen. Super oder? Ich hoffe, dass du jetzt endlich wieder besser schlafen kannst. Und wir beide dürfen uns so langsam aber sicher auf unser Nesthäkchen vorbereiten. Endlich unsere Familie komplett haben, das ist mein Wunsch fürs neue Jahr.« Mit diesen Worten verschwindet er zufrieden grinsend nach oben ins Büro.

Ich setze mich an den Rechner und überweise die Miete. Auch alle laufenden Rechnungen werden einmal mehr von mir abgebucht. Seit Johns Entlassung sind fünf Monate vergangen. Selbst für sein Handy zahle ich jeden Monat, ganz zu schweigen von Internet, Telefon, Strom und Auto. Als ich John darauf anspreche, dass wir aber auch jetzt schon sehr hohe Ausgaben haben, reagiert er gelassen: »Ach ja, das wollte ich dir vorhin schon erzählen, der Porsche-Händler hat heute angerufen, er hat wohl einen Käufer.« »Echt jetzt? Oh man, das wäre ja toll. Dann sind wir endlich alle Sorgen los.« John nickt bestätigend: »Das ist wahr. Nur ist der Käufer nicht aus München, von daher hat er das Auto bis jetzt nur reserviert. Er will ihn aber unbedingt, gerade wegen dem niedrigen Kilometerstand.« Ich schlucke: »Aber was heißt das dann, reserviert? Wann holt er ihn denn ab?« John rollt genervt mit den Augen: »Mach doch nicht so einen Stress. Freu dich doch, dass endlich ein Käufer da ist. Darauf haben wir schließlich die ganze Zeit gewartet. Er überweist jetzt zunächst eine Anzahlung und sobald er das nächste Mal in München ist, nimmt er das Auto mit.«

Für den Moment überzeugt setze ich mich hin und trinke einen Cappuccino. Kopfschüttelnd über dieses ständige auf und ab, versuche ich mich über diese Nachricht zu freuen. Aber irgendwie ist es seltsam, warum gibt es mit John eigentlich immerzu diese Extreme? Mal fühle ich mich himmelhochjauchzend und freue mich so sehr, dass ich endlich meinen Traummann gefunden habe, nur um keine fünf Minuten später festzustellen, dass schon wieder ein neues Problem gelöst werden muss.

Naja, wenigstens gibt es nun endlich einen Käufer. Mit dem Wissen, dass John dieses Auto hat, fiel es mir anfangs etwas leichter, ihn während seiner Inhaftierung auch finanziell zu unterstützen. Ich selbst nagte nicht am Hungertuch, als er mich kontaktierte. Vor den Kindern hatte ich sehr hart gearbeitet, um frühzeitig vorzusorgen. Auch wollte ich John das Leben im Gefängnis so angenehm wie möglich machen. Er bestätigte mir ohnehin ständig, wie schwer es ihm fiel, mich um Hilfe zu bitten, wo er doch von seiner eigenen Familie noch nie unterstützt worden ist.

Oft hatten meine Mom und ich auch einfach Mitleid mit ihm. Zum Beispiel an Weihnachten, da war seine einzige Freude ein harter Stollen und ein gemeinsamer Kinofilm mit allen Gefangenen. Natürlich zahlte ich ihm da die einhundert Euro für sein Weihnachtspaket ein, genau wie an Ostern und zu seinem Geburtstag. Hinzu kamen monatlich fünfzig Euro, die er brauchte, um überhaupt über die Runden zu kommen. Na, und da ich wollte, dass er so bald wie möglich bei uns ist, also gleich nach Ablauf seiner Halbstrafe, übernahm ich schließlich noch seinen Anwalt.

Jedenfalls besaß John vor seiner Inhaftierung einen Porsche. Auf diese Sicherheit verwies er bereits bei einem unserer ersten Treffen im Gefängnis. Warum sie ihm diesen teuren Wagen bei seiner Inhaftierung nicht weggenommen haben, erklärte er mir damals so: Der Richter hätte wohl gemerkt, dass John nur seine Firma retten wollte, und nichts dafür konnte, dass die Druckerei pleitegegangen ist. Nur deshalb ist ihm ja auch dieser enorme finanzielle Schaden entstanden, dass er die Models und die Miete nicht mehr zahlen konnte. Somit durfte er den Porsche behalten und der steht jetzt bei seinem Anwalt.

Bei seinem zweiten Freigang im Juni letzten Jahres rief John den Anwalt an und bat ihn, den Porsche für ihn zu verkaufen. Den Erlös sollte ich für unsere Ausgaben hernehmen. Doch der Anwalt war leider nicht dazu bereit, John sollte sich bei seinen Ausgängen doch bitte selbst um den Verkauf seines Autos kümmern. Mein Angebot, ihm dabei zu helfen, lehnte John damals ab. Er wäre ja jetzt ohnehin bald jede Woche draußen und um die geschäftlichen Dinge wollte er sich selber kümmern. Ich war zu diesem Zeitpunkt froh drum, denn mein Terminkalender war ohnehin schon übervoll.

Doch seit seiner Entlassung wurde der finanzielle Druck, der seit Beginn unserer Beziehung auf mir lastet, nicht weniger. Im Gegenteil, alle elektronischen Geräte, alle laufenden Kosten, seine Bahnfahrten und zuletzt noch völlig überraschend die Rechnung für die Druckerei, alles habe ich übernommen. Oft kann ich deshalb nachts nicht schlafen. Klar bestätigt John mir dann immer wieder, dass ich die Ausgaben zurückbekomme, sobald er das Auto verkauft hat. Ich habe ja finanziell auch gut vorgesorgt, aber eben nicht für diese Unmengen von Ausgaben. Wie oft ertappe ich mich dabei, dass ich mir selbst nicht mal mehr einen Cappuccino oder ein Eis gönne, wenn ich mit den Jungs unterwegs bin.

An besonders emotionalen Tagen versucht mich meine Mom am Telefon aufzubauen. Sie ist sich sicher, dass John seine Versprechen in die Tat umsetzen wird. Auch ich bin davon überzeugt, die Frage ist nur wann? Im Knast kam für mich immer völlig überraschend die ganz große Enttäuschung, meist nachdem ich schon ewig auf fest zugesagte Ereignisse hingefiebert hatte. Nur damals konnte John nichts dafür. Zu diesem Zeitpunkt war er der Willkür der Beamten ausgeliefert und die saßen einfach am längeren Hebel. Aber jetzt haben wir es selbst in der Hand. Jetzt können wir wirklich etwas erreichen.

John sitzt vor mir. Stolz wie Oskar, berichtet er mir von unseren neuesten Zahlen, Zahlen, die er früher mit keinem seiner Hefte annähernd erreicht hat. Ich nutze seine gute Laune, um ihn erneut auf unser Problem hinzuweisen. »Weißt du, ich mache mir einfach Sorgen, dass unsere finanziellen Probleme irgendwann so groß werden, dass sie sich auf unsere Beziehung auswirken.« »Was fängst du denn jetzt wieder mit der alten Leier an? Ich habe dir doch gesagt, dass du alles doppelt und dreifach zurückbekommst.« »Weil unsere Ausgaben sich seit du draußen bist mehr als verzehnfacht haben. Du versicherst mir zwar immer wieder, dass du diesen oder jenen Deal abgeschlossen hast, aber ich sehe davon nie einen Cent!« »Oh man Lara, entspann dich. Ich habe uns gerade einen Auftrag über zweihunderttausend Euro eingefahren. Was willst du eigentlich noch? Irgendwann ist aber auch mal gut. Keine Sorge, dein Sparstrumpf ist ganz bald wieder prall gefüllt.« Mit diesen Worten lässt er mich verletzt stehen.

Eine Mischung aus Machtlosigkeit und innerer Unruhe überkommt mich. John weiß genau, wie sehr er mich mit dieser Aussage trifft. Manchmal glaube ich, er hat alles, was ich für ihn getan habe, schon vergessen.

Ich gehe raus auf den Hof und rufe meine Mom an. Ihr Rückhalt tut mir gut: »Natürlich ist eine Firmengründung ohne fremdes Startkapital nicht leicht. Aber John arbeitet wirklich hart für euch. Meine Kollegen können nicht fassen, dass er bereits nach drei Monaten die erste Zeitschrift veröffentlicht hat.« »Mhm, ja«, gebe ich zu, »das war wirklich schnell. Auch die Verkaufszahlen steigen noch immer an. Und unsere Fans im Netz übertreffen alles, was wir uns im Vorfeld erhofft haben.«

Langsam hebt sich meine Laune wieder etwas. »Ach ja, und weißt du was? Das Autohaus hat endlich einen Käufer für den Porsche.« Ich kann ihre Freude durchs Telefon förmlich spüren: »Das ist ja prima! Danach wird es euch besser gehen. Weißt du, John bedrückt es wirklich sehr, dass er dir immer noch auf der Tasche liegt. Das sagt er mir ständig.« »Ich weiß schon, mir auch. Ich will ja gar nicht so oft nachfragen, nur nervt es mich halt, wenn noch immer alle Ausgaben an mir hängenbleiben. Er bekommt doch jeden Monat Arbeitslosengeld und zusätzlich den Zuschuss für Unternehmensgründer. Naja egal, ich muss mich beeilen, die Jungs abholen.«

Zurück in der Wohnung erzählt mir John, dass er diesen Monat die Miete übernehmen möchte. Ganz erstaunt frage ich, ob das wirklich okay für ihn ist, jetzt wo das nächste Heft übermorgen in den Druck geht. Wieder keimt in mir ein schlechtes Gewissen auf und ich habe keine Ahnung warum.

Für unsere nächste Ausgabe beauftragt John überraschend eine andere Druckerei. Komisch, dabei war er doch so zufrieden mit dem ersten Heft. Aber diese Druckerei bietet wohl für denselben Preis ein sehr viel hochwertigeres Papier an. Mir soll’s recht sein, dieses Mal übernimmt er ja die Kosten für den Druck.

Vor der nächsten Lieferung müssen wir uns um die unzähligen alten Hefte kümmern. Die liegen immer noch bei uns auf der Treppe. Ich möchte sie lieber heute als morgen entsorgen. John schüttelt den Kopf und will sie unbedingt aufheben. Im Keller wäre doch genug Platz. Ich verstehe nicht, wozu wir die alten Hefte aufheben müssen. Die interessieren keinen Menschen mehr. Außerdem stinken sie uns dann auch noch den Keller voll. John möchte sie für Marketingzwecke nutzen und hat sie seinem Freund Kai versprochen. Dieser hat ein Matratzengeschäft und will bei jeder Matratze, die er verkauft, ein Heft von uns dazulegen. Der »Matratzen-Kai«, wie John ihn nennt, ist wohl auch der einzige, der letztlich im ersten Heft für Werbung gezahlt hat.

Drei Tage später ist die neue Lieferung da. Wieder das gleiche Spiel, zwei große Paletten mit Zeitschriften stehen vor der Haustür. John ist in München und kommt voraussichtlich erst am Abend zurück. Mir bleibt noch genug Zeit, die Kartons nach oben zu tragen, bevor ich die Jungs aus dem Kindergarten abholen muss. Ich frage mich nur, warum John erneut so viele Exemplare zu uns bestellt hat. Nach gut einer Stunde treppauf treppab habe ich alle Hefte hochgeschleppt. Geschafft gehe ich duschen.

Danach blättere ich noch kurz durch unsere neue Zeitschrift. »Sieht echt nobel aus«, denke ich mir beim Durchblättern. Dabei kommen mir Lindas Worte in den Sinn: »Normalerweise steht ein riesiges Team hinter jeder Zeitschrift. Das ist unfassbar, dass ihr das alles zu zweit stemmt.« Bei diesem Gedanken werde ich traurig. Seit Wochen habe ich nichts von ihr gehört. Selbst ihre Eröffnungsfeier vom Laden habe ich nur hinterher im Internet verfolgen können, es waren hunderte von Gästen geladen, nur wir nicht. Was ist nur geschehen? Wir wohnen im selben Ort und sehen uns nie.



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