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John muss beruflich wieder bei null anfangen

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Im Knast schrieb er in beinahe jedem Brief, dass er es kaum erwarten kann, mich endlich zu unterstützen und mir alle für ihn geleisteten Ausgaben doppelt und dreifach zurückzuzahlen.

Doch jetzt heißt es erst einmal Ärmel hochkrempeln und neu starten. Ich bewundere John für seine unzähligen Ideen, wie er schnellstmöglich Geld verdienen möchte. Er regelt momentan alles von zu Hause aus und hat obendrein sehr viel Zeit für mich und die Jungs. Ein echter Traummann eben!

Den Grundstein für seinen beruflichen Neubeginn hat er bereits vor Monaten gelegt. Noch während seiner Zeit in Kaisheim habe ich ihm seine Wunsch-Domäne www.druckbar.de gesichert. Eigentlich wollte er diese Webseite schon im letzten Jahr aufbauen, nur leider waren die Wochenenden stets zu kurz. Außerdem stellte sich heraus, dass er bis zu seiner Entlassung offiziell nicht arbeiten dürfe.

Aber jetzt ist er draußen, hat sein Gewerbe angemeldet und kann ab sofort loslegen. Als erstes sucht er sich einen hochwertigen iMac mit extragroßem Bildschirm aus und zeigt ihn mir online: »Den müsstest du mir bitte vorerst noch auslegen, da ich ja leider noch kein Geld auf meinem Konto habe. Ich kann bei Apple aber nur mit Vorkasse oder Kreditkarte bestellen.« Überrascht darüber, wie teuer der im Vergleich zu einem normalen PC ist, murre ich: »Mhm. Erst gestern habe ich die Rechnung für dein neues iPhone übernommen. Auch das brauchtest du dringend für die Arbeit.« » Süße, es tut mir leid, dass mein Arbeitslosengeld noch nicht auf dem Konto ist. Du bekommst alles zurück. Mit Zinsen!« »Ja, aber muss es denn unbedingt so ein riesiger Bildschirm sein?« »Lara, du weißt doch, dass ich zum Entwerfen unserer Zeitschrift ein Grafikprogramm brauche. Und der große Bildschirm ist zum Arbeiten Pflicht. Bringt doch auch nichts, wenn wir jetzt erst etwas Günstiges holen, nur um in ein paar Wochen schon wieder Geld ausgeben zu müssen. Wir schreiben ihn am besten gleich auf die Firma, dann können wir uns ein Drittel über die Steuer zurückholen.« Ich willige ein.

Das Logo für die druckbar hat John bereits in Kaisheim entworfen. Heute bestellt er fünfhundert Visitenkarten. Auf mein erstauntes Nachfragen, warum es gleich so viele sein müssen, bekomme ich zur Antwort: »Du Dummerchen, weil das viel günstiger ist, als mehrfach im Jahr zu bestellen.« Leicht genervt drehe ich mich weg und bin froh, dass er diese Rechnung selbst übernimmt. Bereits zwei Tage später sind die Visitenkarten da.

Nachdem wir die druckbar bereits seit fünf Monaten haben, möchte John heute endlich mit der Webseite beginnen. Gemeinsam überlegen wir, welche Produkte wir anbieten und wie wir die Webseite aufbauen. Irgendwann, als unsere Liste vorerst komplett ist, sprechen wir über die Preise. Da klingt John das erste Mal ganz anders als bisher: »Lara, wir müssen unsere Produkte extrem günstig anbieten, nur dann können wir uns von der riesigen Konkurrenz im Netz abheben.« Das leuchtet mir ein, ich nicke bestätigend. Da fährt John zögernd fort: »Ja, ich weiß, du hast schon recht, das ganz dicke Geld werden wir mit der druckbar nicht erzielen können.« Ich verstehe nicht richtig, worauf er hinaus will. Wir waren uns doch seit Monaten einig, die druckbar sollte unser zweites Standbein werden. Wir brauchen diesen regelmäßigen sicheren Geldeingang. John hatte schon so viele Ideen, wie er, gerade bei uns in der Gegend, stetig neue Aufträge bekommen kann.

Heute sieht er das anders. Jetzt möchte John seine Zeit und Energie lieber sinnvoll nutzen und sofort mit unserer eigenen Zeitschrift beginnen. »Dort ist das große Geld zu verdienen, nicht mit irgendwelchen Grafiken, die wahnsinnig zeitaufwendig sind und am Ende sehr wenig Gewinn erzielen. Werbekunden im Heft zahlen pro Seite fünftausend Euro. Und das sind die untersten Sätze, die für Werbung gezahlt werden.« Am Ende einigen wir uns darauf, beides gleichzeitig zu beginnen.

Der Name MEN’S MAGAZINE steht ebenfalls seit Monaten fest. Auch diese Domäne sollte ich John bereits während seiner Haftzeit reservieren. Jetzt setzt er sich an seinen neuen Rechner und fängt mit der Webseite an.

Die nächsten Tage und Nächte verbringt John vor dem Bildschirm. Trotzdem lässt er es sich nicht nehmen, die Kinder in der Früh in die Kita zu bringen. Ab und zu bekomme ich von unterwegs Fotos von unseren Jungs. Ich freue mich und bin John so dankbar.

Wieder daheim trinkt er gemütlich seinen Kaffee. Danach möchte er mich, wie jeden Morgen, wenn die Jungs im Kindergarten sind, zurück ins Bett lotsen. Genervt schicke ich ihn ins Büro: »John, unsere Kosten der letzten Wochen steigen und steigen. Da waren meine Ausgaben für dich in Kaisheim noch Peanuts dagegen.« »Süße, es ist doch ganz normal, wenn man selbstständig ist, dass da nicht vom ersten Tag an Geld reinkommt. Frag doch mal Linda, wie das bei denen läuft.« »Ja, aber genau dafür sollte ja die druckbar dienen, damit wir eben überhaupt erst mal Einnahmen haben.« »Sag mal Lara, was soll das denn jetzt? Ich dachte, wir beide hatten uns gegen die paar Euro entschieden, die die druckbar einbringt. Aber keine Sorge, ich werde dich tagsüber nicht mehr belästigen. Ich gehe jetzt arbeiten, um deinen Sparstrumpf wieder aufzufüllen!« Verärgert zieht er los.

Sofort tut John mir leid. Ich mache mir Vorwürfe, er wollte mir doch nur zeigen, wie dankbar er ist und wie sehr er mich liebt. Den Rest des Tages plagt mich ein schlechtes Gewissen. Ich fahre einkaufen und koche am Abend Johns Lieblingsessen.

Drei Tage später zeigt er mir einen ersten Entwurf unserer Webseite. Ich bin beeindruckt: »Wow, sieht echt klasse aus und voll professionell!« John nickt zufrieden und arbeitet den Rest des Tages an unserem Auftritt bei Facebook. Am nächsten Morgen sehe ich dort den ersten Post:

Das MEN’S MAGAZINE, ein Lifestyle Magazin für den sportlichen, modernen und anspruchsvollen Mann. Durch unsere abwechslungsreiche Themenvielfalt ist für jeden Leser etwas dabei.

Schon nach wenigen Stunden gibt es dafür über achtzig Likes. Achtzig Likes, erstaunlich! Wie hat John das denn geschafft? Es kennt uns doch noch niemand. Offenbar war er früher sehr beliebt. Denn obwohl John seit Wochen irgendwelche falschen Freunde von seinem Profil löscht, hat er trotzdem noch mehr als viertausend Kontakte. Die hat er jetzt eingeladen, das MEN’S MAGAZINE auf Facebook zu abonnieren. Ich tue es ihm gleich und schicke den Link an alle, die ich kenne.

Wenige Tage später knackt unsere Fan-Seite die Fünfhundert-Follower-Marke. John ist entzückt und meint, dass wir bald alle Sorgen los sind. Auch ich verfolge wie die Zahlen stetig nach oben schnellen. Ich bin stolz auf John, es waren keine leeren Worte in seinen Briefen. Er hält tatsächlich, was er immer versprochen hat.

Nach genau zwei Wochen haben wir eintausend Fans, Wahnsinn! Am Nachmittag räume ich John freie Zeit ein und gehe mit den Kindern zu Linda. Sie selbst hat ebenfalls erst vor einigen Jahren ihr eigenes Label gegründet und ist total überrascht, wie schnell wir die Eintausend-Fans-Marke erreicht haben. Sie freut sich für mich und beglückwünscht uns.

Fröhlich komme ich nach Hause: »Und Schatzi, hast du schon Kunden für das erste Heft an Land gezogen?« Zufrieden zeigt er mir seinen nächsten Post. Er hat aus allen Profilbildern seiner Follower ein gemeinsames Foto erstellt und dazu eine Dankesrede veröffentlicht. »Mhm«, stammle ich unbeeindruckt. »Und daran hast du den ganzen Nachmittag gesessen?« »Lara, das ist Marketing. Schau mal, für dieses eine Bild haben wir in nur einer Stunde bereits sechsunddreißig Likes bekommen. Ist das nicht toll?« »Ja, schon, aber ob wir deswegen auch das Interesse der Kunden wecken, wage ich zu bezweifeln.« John reagiert sichtlich genervt: »Verstehst du das nicht? Die Kunden schauen doch zuerst im Netz wie bekannt wir schon sind. Und dafür ist jeder Follower und jedes Like entscheidend. Keiner möchte die Katze im Sack kaufen.« Gespannt checke ich bis zum Abend noch mehrfach, wie die Gefällt-Mir-Angaben weiter nach oben gehen.

Auch die nächsten Tage und Wochen halte ich John so oft ich kann den Rücken frei. Er arbeitet von zu Hause aus und ich möchte nicht, dass die Kinder ihn stören. Jeden Nachmittag bin ich oft stundenlang mit den Jungs unterwegs. Zwischendurch bekomme ich immer wieder Textnachrichten von John, dass er alles dafür tut, damit es uns ganz bald richtig gut geht. Da kann ich ihn beruhigen, uns geht es doch ohnehin schon supergut, einzig und allein, weil er endlich bei uns ist.

Trotzdem spüre ich eine innere Unruhe, ganz besonders an Tagen, an denen die nächste Miete ansteht oder unsere Strom- und Handyrechnungen von meinem Konto abgebucht werden. John arbeitet momentan so hart für uns, ich möchte ihn damit nicht nerven und behalte meine Sorgen für mich.

Während er mit unserem Internetauftritt beschäftigt ist, lesen meine Mom und ich Korrektur. Für unsere Verbesserungen und Änderungsvorschläge ist John stets dankbar.

Nach etwa einem Monat sieht unsere Webseite mit all ihren Unterseiten echt beeindruckend aus. Jetzt müssen wir sie nur noch online schalten, danach können wir uns voll auf unser erstes Heft konzentrieren. Was wir nun dringend brauchen, sind Werbekunden. Doch die letzten Wochen haben gezeigt, wie lange es noch dauern wird, bis wir mit dem Vorhaben »eigene Zeitschrift« tatsächlich Geld verdienen.

Linda macht mir Mut. Laut ihren Worten ist es völlig normal, dass man in eine eigene Firma zunächst investieren muss. Ich soll froh sein, dass John alles ohne fremde Hilfe selbst gestaltet und auf so viele Kontakte von früher zurückgreifen kann. Da hat sie recht. Dennoch, ich fühle mich leer und ausgelaugt. Linda nimmt mich in den Arm und flüstert mir leise zu: »Mach bitte nicht denselben Fehler wie Richard, der setzt mich finanziell so stark unter Druck, dass ich nachts kaum noch schlafen kann.«

Meine Mom versucht mich auf ähnliche Art und Weise aufzubauen: »Es ist in diesem Geschäft ganz normal, dass nicht alle Kunden von heute auf morgen Schlange stehen. Das Heft muss doch erst einmal bekannt werden. Aber ich stehe hinter euch und werde euch auch weiterhin tatkräftig unterstützen. Jetzt musst du einfach noch ein wenig Geduld haben, John macht einen fabelhaften Job und für mich ist er ein Macher.« Ihre bestätigenden Worte tun mir gut. Ich nicke. Dennoch, mehr als ein kurzes »Ja, verstehe«, bringe ich nicht hervor.



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