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Enttäuschung an Weihnachten

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Es ist unser erstes gemeinsames Weihnachtsfest seit Johns Entlassung. Letztes Jahr stand ich die ganzen Feiertage unter Hochspannung. Gleich nach dem Fest musste er wieder zurück ins Gefängnis und erst drei Wochen später sollte endlich seine Anhörung für eine vorzeitige Entlassung stattfinden. Zuvor hatte ich diesem Termin zwei Monate immer wieder neu entgegengefiebert. Der Ausgang dieser Anhörung war absolut ungewiss.

Aber dieses Jahr sind wir alle zusammen, John ist bei uns und wir haben die härteste Zeit unseres Lebens hinter uns gelassen. Morgen kommt meine Mom, die Jungs sind heute noch bei ihrem Vater und werden pünktlich zur Bescherung hier sein. Ich möchte mich freuen und lege alle Geschenke unter den Weihnachtsbaum.

Die letzten Tage waren für uns beide nicht leicht. Es kommt mir vor, als ignoriert John meine finanziellen Sorgen komplett. Entgegen seiner Zusage, diesen Monat die Miete zu übernehmen, wurden erneut alle laufenden Rechnungen von mir abgebucht. Wenn ich ihn darauf anspreche, weicht er mir aus. Dabei hat er in seinen Briefen stets geschrieben, dass wir immer über alles reden können.

Und jetzt? Der Autoverkauf, der Uhrendeal, seine Kunden von früher, alle angekündigten Einnahmen verzögern sich. Sein einziger Kommentar dazu: »Das musst du verstehen, die zahlen leider alle erst im neuen Jahr.«

Morgen ist Heiligabend. Warum nur stellt sich bei mir auch in diesem Jahr keine echte Vorfreude ein? Seit Wochen bereite ich alles vor, kümmere mich um die Geschenke, den Baum, Plätzchen backen, das Essen und natürlich die Kinder. John ist die ganze Zeit oben im Büro. Ab und zu kommt ein Post auf Facebook, der ihm jedes Mal überraschend viele Likes einbringt. Ansonsten ist es ruhig.

Meine Mom kennt meine Sorgen. Sie möchte uns helfen und erklärt mir: » Lara, Künstler arbeiten ganz anders als wir und auch zu anderen Zeiten. Erst letzte Nacht, als ich auf die Toilette musste und nicht gleich wieder einschlafen konnte, habe ich gesehen, dass John immer noch online ist. Er möchte für euch etwas aufbauen, dir endlich das zurückgeben, was du all die Jahre für ihn getan hast.«

Sind meine Ängste also unberechtigt? Vielleicht bin ich ja wirklich zu ungeduldig. Genau wie letztes Jahr versuche ich meine Sorgen weit wegzuschieben.

Endlich ist Weihnachten, die Jungs kommen aufgeregt nach Hause. Beim Abendessen hält es sie kaum noch auf ihren Sitzen. Sie rennen in den Hausflur, sie wollen nur kurz nachsehen, ob der Weihnachtsmann schon da war. Gleich nach dem Essen müssen sie in ihr Zimmer. John zündet die Kerzen an, alle Geschenke liegen unter dem Baum und dann ist es so weit. Zwei nicht mehr zu bremsende Kinder stürzen ins Wohnzimmer. Zunächst werden sie noch dazu genötigt, drei Weihnachtslieder zu singen. Danach sagen sie brav ihre Gedichte auf. Felix‘ Blick weicht die ganze Zeit nicht von den Geschenken. Seine Augen leuchten.

Endlich dürfen sie auspacken. Auch ich werde reich beschenkt, allerdings nur von meiner Mom. Und John? Er freut sich über seine neuen Klamotten. Meine Mom schenkt ihm drei neue Hemden für die Arbeit, von mir bekommt er Hosen und Pullis.

Für uns jedoch? Hat John nichts. Ich lasse mir meine Enttäuschung nicht anmerken. Dennoch macht es mich traurig, dass er nicht einmal an die Kinder oder an meine Mom gedacht hat. Früher hat er immer geschrieben, dass wir uns für die beste Schwiegermutter der Welt etwas ganz Besonderes einfallen lassen müssen. So oft hat sie uns in den letzten Jahren aus der Patsche geholfen. Wann immer wir sie brauchten, hat sie uns die Kinder abgenommen. In seinen Briefen wusste John ihre Hilfe stets zu schätzen. Und jetzt? Ich versuche nicht weiter darüber nachzudenken und freue mich über die glücklichen Jungs.

Den Rest des Abends spielen wir die neuen Spiele. Des Öfteren suche ich Johns Nähe, doch er fühlt sich, glaube ich, nicht wohl. Vielleicht ist es ihm peinlich, dass wir so viel für ihn hatten, aber er nichts für uns. Er tut mir leid.

Später sehe ich, wie er meiner Mom etwas ins Ohr flüstert. Sie freut sich daraufhin wahnsinnig und umarmt ihn. Die beiden wissen nicht, dass ich sie beobachtet habe. Ich denke jedoch, ich kenne die Überraschung.

Am nächsten Morgen, noch vor dem Frühstück, drückt John mir einen großen Umschlag in die Hand. Aufgeregt reiße ich ihn auf. Darin liegt eine Karte, vorne drauf ist ein schwarzer Porsche Cayenne in eine rote Schleife eingewickelt. Darüber steht in Großbuchstaben »VERKAUFT UND ENDLICH BEZAHLT«. Aufgeregt lese ich seine Zeilen:

Das Geld wird Anfang Januar auf unser Konto überwiesen! Dann bekommst du auch erst dein richtiges Geschenk, weil ich genau weiß, dass du dich vorher noch nicht darüber freust, mein Schatz! Einen Gutschein bekommst du von mir nicht mehr, die löst du ja eh nie ein! ;-) Außerdem ist das vermutlich sowieso das beste Geschenk, dass wir das Porsche-Geld endlich bekommen! Fiel mir ganz schön schwer, dir nichts davon zu sagen, weil ich es ja schon seit einigen Tagen weiß! Ich liebe dich, Süße, nächstes Jahr wird nun endlich alles leichter!

Eine Last fällt von mir ab. Obgleich ich manche Worte ein wenig zweideutig finde, was bedeutet zum Beispiel sein extra unterstrichenes »richtiges« Geschenk? Ich habe doch bisher gar nichts von John zu Weihnachten bekommen. Und das mit dem Auto hatte er mir ohnehin schon ewig zugesagt. Plötzlich geht das Geld auf »unser« Konto. Ich wusste gar nicht, dass wir ein gemeinsames Konto haben. Und was schreibt er da zum Thema Gutschein? Seinen Gutschein vom letzten Weihnachtsfest, die Reise nach Nizza, konnte er verständlicher Weise bis heute nicht einlösen. Egal, ich freue mich, dass der Wagen endlich verkauft ist. Ab jetzt sollten unsere lästigen Streitereien um seine Ausgaben der Vergangenheit angehören. Dankbar falle ich ihm um den Hals. Auch John scheint zufrieden.

Meine Mom fährt am zweiten Weihnachtstag wieder nach Hause. Die Jungs werden zwei Stunden später abgeholt und verbringen die Ferien bei ihrem Vater. Die folgenden Tage erleben wir eine vertraute Zweisamkeit, fast wie zu Beginn unserer Beziehung. John möchte am liebsten die ganze Zeit im Bett verbringen, spricht nur noch von unserer Familie zu fünft und wie sehr er sich auf unser Nesthäkchen freut. Er wünscht sich eine Weihnachtsprinzessin und beginnt bereits damit, online ein passendes Häuschen für uns zu suchen. Ich lache darüber, aber John lässt sich nicht beirren. Er möchte mich künftig tagtäglich verwöhnen, dass ich lerne, endlich das Leben zu genießen. Einmal mehr wird mir bewusst, warum ich diesen Mann so sehr liebe.



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