Читать книгу Zwischen Hoffen und Zerbrechen - Ist mein Partner ein Narzisst? - Anita B. - Страница 9
Gemeinsame Zeit in Garmisch
ОглавлениеEndlich Wochenende! Es klingelt. Die Jungs werden wie jedes zweite Wochenende von ihrem Vater abgeholt. John hat bisher nichts Genaues verraten, nur dass er eine ganz besondere Überraschung für uns bereithält. Neugierig komme ich vom Parkplatz wieder hoch.
John nimmt mich in den Arm und erzählt mir fröhlich von unserem ersten Kunden. Er zahlt zwar kein Geld, aber für eine Seite in unserem Heft bekommen wir zwei Nächte, inklusive Halbpension, in einem Nobelhotel direkt in Garmisch. John möchte heute noch losfahren. Im ersten Moment finde ich es ein wenig schade, dass die Jungs nicht dabei sein können. Gleichzeitig freue ich mich wahnsinnig auf unseren spontanen Kurzurlaub.
Plötzlich halte ich inne: »Aber morgen ist doch Marcs Geburtstag, da sind wir eingeladen. Er wird vierzig und der halbe Ort kommt.« »Tut mir leid, Süße, das hatte ich völlig vergessen. Jetzt habe ich fix gebucht, ich wollte dir so bald wie möglich eine Freude machen.«
Ich bin traurig. Es ist das erste Mal, seit wir hier wohnen, dass uns jemand einlädt. So gerne wäre ich mit John gemeinsam hingegangen. Die meisten hier im Ort kennen John noch nicht einmal. Allerdings, so ein Kurzurlaub im Hotel, mit Schwimmbad, Sauna und leckerem Essen klingt schon sehr verlockend.
Ein wenig bedrückt sage ich Marc ab. Auch Linda gebe ich schnell noch Bescheid. Ihre Reaktion: »Du musst wissen, was du tust«, macht mich traurig. Von meiner besten Freundin hätte ich mir ein wenig mehr Verständnis erhofft. Sie hat miterlebt, wie hart ich die letzten beiden Jahre für unser Glück gekämpft habe. Da ist es doch nachvollziehbar, dass ich mich auf ein Urlaubswochenende im Hotel freue. John sieht meine Enttäuschung und versucht mich aufzubauen: »Hak’s schnell ab, war bestimmt nicht so gemeint. Sie hatte halt gehofft, dass du morgen dabei bist. Also los, pack deine Sachen, dann fahren wir los.«
In Garmisch angekommen, werden wir vom Fernseher in unserem Zimmer mit »Herzlich Willkommen Herr und Frau Jackson« empfangen. Ich bin glücklich.
Es sind nur zwei Tage, und dennoch, es fühlt sich irgendwie ganz besonders an. Zwei Tage, in denen John mir so nah ist, zwei Tage, in denen ich mich wieder neu in ihn verliebe und zwei Tage, von denen ich jede Sekunde mit ihm voll auskoste.
Zunächst schlendern wir bei schönstem Wetter durch den Ort. Geld zum Shoppen haben wir zwar beide keins, aber den einen oder anderen Cocktail in der Sonne lassen wir uns trotzdem schmecken.
Zurück im Hotel erwartet uns ein fantastisches Fünf-Gänge-Menü. Lange sitzen wir im Restaurant, schlemmen und planen unseren morgigen Trip. Anschließend werden wir im Zimmer von einer eisgekühlten Flasche Prosecco mit frischen Erdbeeren überrascht. Hat John die etwa bestellt? Wieder spricht er den halben Abend von unserem Nesthäkchen und wie angekommen er sich in unserer Familie fühlt. Er hätte nie gedacht, dass er jemanden mal so sehr lieben könnte wie mich. Mir geht es nicht anders. In seinen Armen liegend, weiß ich endlich was es heißt, seinen Traummann gefunden zu haben. Mehrfach stoßen wir auf unseren ersten gemeinsamen Urlaub an. John verspricht mir, dass viele weitere folgen werden.
Nach einer kurzen Nacht stehen wir zeitig auf. Schnell noch frühstücken und dann fahren wir mit dem Auto bis zum Parkplatz vorm Skistadion. Von dort aus starten wir unsere Wanderung auf die Zugspitze. Für den Weg über die Partnachklamm sollten wir circa acht bis neun Stunden einplanen, meinte die Dame an der Rezeption.
Auf halben Weg wird es in der Mittagssonne richtig heiß. Schwer bepackt mit Essen, Trinken und nun auch noch unseren Jacken und Pullis geht es seit Stunden bergauf. Steile Geröllfelder erfordern uns zum Teil alles ab.
Die Landschaft ist beeindruckend schön. Oft bleiben wir stehen und halten den fantastischen Ausblick mit der Kamera fest. Immer wieder merke ich, wie perfekt John für mich ist. Wir sind uns so ähnlich. Ich bin froh, dass wir auch im wahren Leben dieselben Interessen haben. Es war also nicht nur leeres Geschwätz in seinen Briefen. Im Gegenteil, solche Tage zeigen mir, wie gerne auch er im Freien aktiv ist. Es gibt bestimmt nicht viele Paare, die so einen Bergmarathon ohne Training anpeilen.
Voller Stolz schauen wir beim Mittagessen von der Partnachalm nach unten. Kaum zu glauben, dass wir das alles gelaufen sind. Auch wenn es uns zu diesem Zeitpunkt bereits schwerfällt wieder aufzustehen, der kurze Zwischenstopp tat gut!
Nach der nächsten Kuppel sehen wir, was noch vor uns liegt. John schaut mich hilfesuchend an. Er bittet mich, das letzte Stück von der Knorrhütte bis zum Gipfel mit der Seilbahn zu fahren. Kopfschüttelnd lehne ich ab. Gemeinsam kämpfen wir die letzten drei Stunden Meter für Meter weiter. Am Schluss müssen wir entlang eines gespannten Seils nach oben klettern. Ich habe fast schon Mitleid mit John, während ich ihn immer wieder motiviere weiterzulaufen.
Am Gipfel angekommen, sind die Strapazen der letzten Stunden schnell vergessen. Die Aussicht hier ist atemberaubend. Strahlendblauer Himmel lässt uns hunderte von Kilometern in die Ferne blicken. Wir schauen über die Alpen und entdecken unzählige kleine Bergseen. Dank zahlreicher Fotos und Videos möchte John uns diesen Trip unvergesslich werden lassen.
Dann besetzt er uns zwei Sonnenplätze. Ich hole die Getränke und für John Gulaschsuppe und Germknödel. Er meint, er esse diese merkwürdige Kombination schon immer, wenn er in den Bergen wandern geht. Ich schaue ihm beim Essen zu und freue mich auf unser leckeres Abendessen im Hotel. Das haben wir uns heute wirklich verdient.
Nach dem Essen zeigt John mir stolz auf seinem Handy, wie viele Fans unsere Bergwanderung mit ihrem Like belohnen. Auch für mich wird Facebook langsam zur Droge. Immer öfter ertappe ich mich dabei, wie ich ständig auf mein Handy schaue, um nachzusehen, ob unsere Fanzahlen schon wieder gestiegen sind und bei welchen Beiträgen wie viele Likes dazukommen. Manchmal gebe ich John Tipps, die er sich dankbar lächelnd anhört.
Schließlich fahren wir mit der letzten Seilbahn hinab ins Tal. Achtundsechzig Euro für die Talfahrt erschlagen mich zwar fast, aber runterzulaufen wäre allein schon aufgrund der Uhrzeit keine Option gewesen. In der Bahn übermannt mich urplötzlich ein Flashback. Panisch klammere ich mich an John. Schnell realisiere ich jedoch, er muss ja gar nicht wieder weg am Sonntag. Nein! Auch morgen haben wir den ganzen Tag für uns. Kaisheim ist vorbei! Ich fühle, wie sich meine plötzliche Anspannung wieder legt. John küsst mich liebevoll und eine neue Woge der Glücksseligkeit durchfährt mich.
Alles fühlt sich perfekt an. Zurück im Hotel schlemmen wir erneut über Stunden an unserem Fünf-Gänge-Menü. Danach können wir uns kaum noch bewegen. Oben im Zimmer nehme ich ein erholsames Bad in der großen Wellness Badewanne.
Am nächsten Morgen genießen wir ein ausgiebiges Frühstück. Das Buffet ist der Wahnsinn, nach dem dritten Teller Lachs, zwei Omeletts und ganz viel frischem Obst lehne ich mich vollgefuttert zurück. Abschließend trinke ich noch einen Cappuccino. Das Leben ist so schön! Nichts und niemand kann uns mehr trennen.
In Ruhe packen wir zusammen, checken aus und danach gehen wir bei strahlendem Sonnenschein in Richtung Garmischer Sprungschanze. Die vielen Treppen nach oben machen uns heute richtig zu schaffen, jeder Schritt tut dabei weh. Doch wieder lohnt sich die Anstrengung, auch von hier ist der Blick ins Tal beeindruckend.
John schlägt vor, gemeinsam mit den Jungs zum Neujahrsspringen herzufahren. Er will versuchen, Karten für uns zu bekommen und wieder ein Hotel zu finden, welches in unserer Zeitschrift werben möchte. Was für eine schöne Idee. Live bei einem Skispringen dabei zu sein, war schon immer mein Traum und für die Kinder wäre es ein wahnsinnig tolles Erlebnis.
In Garmisch essen wir noch gemütlich zu Mittag und anschließend fahren wir nach Hause. Auf der Heimfahrt ruft Linda an. Sie ist auf dem Weg zu mir und möchte mich abholen, um mit den Hunden spazieren zu gehen. Ich bin überrascht, es ist das erste Mal seit wir in Seeshaupt wohnen, dass sie mit mir spazieren gehen will. Dabei weiß sie doch, dass wir nicht daheim sind. Was soll der Anruf also?
Danach schütte ich mein Herz darüber aus, wie wenig Zeit Linda und ich miteinander verbringen. Eigentlich sind wir doch gerade wegen ihr hierhergezogen. Und heute, wo sie endlich mal von sich aus anruft, muss ich ihr absagen. Mitfühlend legt John mir seine Hand aufs Knie. Es tut ihm leid, dass mich Lindas Verhalten so mitnimmt. Er meint, sie hat das mit Absicht gemacht, gerade weil sie wusste, dass ich heute nicht kann. Ich schüttle den Kopf: »Nein, das glaube ich nicht, sie hat es bestimmt vergessen.«
Zu Hause haben wir noch ein paar Stunden für uns. Am Abend kommen die Kinder zurück und laufen John jauchzend in die Arme. Ich freue mich über diesen Anblick mehr, als ich es in Worte fassen kann.