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Aufgeklärter Absolutismus

Der aufgeklärte Absolutismus kann grob als gesamteuropäisches staatsgeschichtliches Phänomen (mit Ausnahme von Frankreich, England und den Niederlanden) unterschiedlicher Ausprägung zwischen 1740 und der Französischen Revolution beschrieben werden. Friedrich II. von Preußen (1712–1786), Katharina die Große von Russland (1729–1796), Maria Theresia (1717–1780) bzw. Joseph II. (1741–1790) zählten zu den aufgeklärt absolutistisch regierenden Herrschern. Joseph II. gilt als der radikalste Reformer unter den europäischen Herrschern. Seine Regierungszeit wird als eigene Epoche – Josephinismus – bezeichnet. Gemäß seinem Leitsatz „Alles für das Volk, aber nichts durch das Volk“ war er davon überzeugt, dass der Staat oberster Zweck allen politischen Handelns sei, dem sich Partikularinteressen unterzuordnen hätten. Um das Ziel der Beglückung einer großen Zahl an Untertanen zu erreichen, wurden Reformen ausschließlich aus Vernunftsund Nützlichkeitserwägungen durchgeführt.

Zwar führte der aufgeklärte Absolutismus nicht zur Auflösung der Monarchie als Staatsführungsform, sondern zur Aufteilung der Staatsmacht zwischen dem Monarchen und einer ihm untergeordneten, aber funktionsbezogenen getrennten Staatsverwaltung, doch das Untertanenvolk begann sich ab nun – auch aus Sicht der Staatsführung – allmählich zum Staatsvolk zu entwickeln.

Der Philosoph Immanuel Kant (1724–1804) gab auf die Frage, was Aufklärung sei, die Antwort: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Damit weist er darauf hin, dass das Individuum Subjekt und nicht Objekt des Staates ist.

Verfassungen werden in revolutionär-bellizistische Weise durchgesetzt

Die Um- und Durchsetzung von Verfassungen oder verfassungsähnlichen Bestimmungen geschah vornehmlich revolutionär und bellizistisch: Es stellt geradezu ein denkwürdiges Paradoxon der europäischen Verfassungsgeschichte dar, dass die erste Verfassung aus dem Jahr 1653 stammt. Dabei handelt es sich um das Instrument of Government des englischen Lordprotektors Oliver Cromwell (1599–1658), der nach der Hinrichtung von König Karl I. (1649) ein – bis 1660 existentes – republikanisches Staatssystem einführte. Im Instrument of Government war festgelegt, dass die Regierung aus einer „Einzelperson und dem Parlament“ bestehen sollte. Das Parlament war alle drei Jahre zu wählen, Cromwell gab sich den Titel „Lord Protector“ und sollte das Amt lebenslang ausüben. Gesetze und Steuern durften nur mit Zustimmung des Parlaments geändert oder erlassen werden. Cromwell scheiterte mit seiner Revolution, nach seinem Tod herrschte politische Unsicherheit. Daraufhin erfolgte 1660 mit Karl II. (1660–1685) die Restauration der Stuarts. Unter seinem Nachfolger, Jakob II. (1685–1688), brach die zweite Revolution aus, die Glorious Revolution (1688), in deren Folge sich in England die erste konstitutionelle Monarchie in Europa formierte.

Weitere Revolutionen folgten. 1773 brach in den 13 englischen Kolonien in Nordamerika ein Krieg aus mit dem Ziel, die Unabhängigkeit vom englischen Mutterland zu erlangen. In Frankreich führten die Einberufung der Generalstände am 5. Mai 1789, die Gründung der Nationalversammlung am 17. Juni 1789, der Ballhaussaalschwur drei Tage später, die Konstituierung der Verfassunggebenden Nationalversammlung am 6./9. Juli und schließlich der Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 zum Ausbruch der Französischen Revolution. Allen genannten Revolutionen gemeinsam war die Forderung der Verabschiedung eines Fundamentalgesetzes bzw. einer Verfassung. Dergestalt erhielt der Konstitutionalisierungsakt eine besondere Bedeutung: Verfassung hieß das Schaffen einer neuen Ordnung, von der man erwartete, dass diese gut und gerecht sei und sich auf Dauer bewähre. Verfassung wurde für viele zum „Gegenstand allen Sehnens“. Sie bedeutete im Sinne des angloamerikanischen Publizisten Thomas Paine (1736/37–1809) „für die Freiheit das, was die Grammatik für die Sprache war“. Allerdings, so 1758 der Schweizer Völkerrechtler Emmerich von Vattel (1714–1767), wäre sie nichts als ein Stück Papier wert, wenn man ihre Inhalte nicht befolgte.

Der Durchbruch der Idee des Verfassungsstaates fand an der Jahreswende 1773/74 statt, als es zu amerikanisch-britischen Auseinandersetzungen gekommen war. In der weiteren Folge erhielten die USA die weltweit erste geschriebene Verfassung im modernen Sinne. Sie baute auf aufklärerischem Gedankengut auf. Die Entwicklung von Verfassungsstaatlichkeit beruhte maßgeblich auf den Ideen von Locke, Montesquieu und Rousseau, die sich allesamt gegen das zementierte Bild von der Allmacht des Herrschers, den machiavellistischen Principe, und gegen Bodins Lehre von der staatlichen Souveränität aussprachen. Ihnen setzten Montesquieu die Gewaltenteilung oder Rousseau den Gesellschaftsvertrag und die Volkssouveränitätslehre entgegen. So versuchten sie, den Monarchen an die Gesetze zu binden.

Staatstheoretiker als Motor der Emanzipation des Subjektes

Die Staatstheoretiker trieben die durch die Renaissance angestoßene Emanzipation des Subjekts voran: Nicht mehr das Kollektiv, sondern das Individuum sollte im Mittelpunkt der Staatsgewalt stehen. Nicht mehr das gottgewollte Recht sollte regieren, sondern das vernunftgeleitete. René Decartes’ (1596–1650) Cogito ergo sum (Ich denke, also bin ich) wurde zum verlässlichen und maßgeblichen Ausgangspunkt für die Rückführung des Rechts auf das Individuum als freies Subjekt (Gosewinkel/Masing). Dieser Prozess führte schließlich zum Sturz bestehender Regime in Europa.

Der Gedanke, dass jeder Einzelne – hierbei war allerdings ausschließlich an Männer und meist nur an Besitzende gedacht – seine von Natur aus bestehenden Rechte an eine übergeordnete Instanz namens Staat übertragen müsse, um so in Frieden leben zu können, zog sich ab nun wie ein roter Faden durch die Geschichte und bewirkte im Bewusstsein der Menschen zweierlei: einerseits, dass der Staat „freiwillig“ von den Menschen gebildet werde, und andererseits, dass er deshalb in die Pflicht genommen werden könne, (inneren) Frieden zu schaffen und zu bewahren. Nicht mehr der Staat alleine, sondern der einzelne Mensch war grundsätzlich als Träger von Rechten und Pflichten, von Werten und Ideen anzusehen! Verfassungen bezogen und beziehen das Individuum mit ein, da es von nun an – etwa durch Wahlen oder Geschworene – an der Ausübung der drei Gewalten mitwirkte. Das Wechselspiel zwischen der Bevölkerung eines Territoriums und dessen Beherrschung war eröffnet, allerdings ohne die Masse als Phänomen entdeckt zu haben.

Der Siegeszug des Verfassungsstaates ab dem 19. Jahrhundert

Der Verfassungsstaat trat erst ab dem 19. Jahrhundert seinen Siegeszug um die Welt an. Der rechtliche (und politische) Charakter einer Verfassung bildete sich erst im Zeitalter des Konstitutionalismus im 19. Jahrhundert aus: Verfassung sollte von nun an vor allem Beschränkung der Machtvollkommenheit der Staatsgewalt bewirken, bei gleichzeitigem Ausbau des Dualismus von Staat und Gesellschaft. Als unabdingbare Voraussetzung galt einerseits die Ausgestaltung eines Nationalstaates mit einer Staatsgewalt als umfassende und einheitliche politische Entscheidungs- und Herrschaftsgewalt, andererseits die Stellung des Monarchen oder Präsidenten als Träger dieser Staatsgewalt und des diese ausübenden, ihm unterstellten Behörden- und Verwaltungsapparates. Durch die Verfassung konnte das Staatsoberhaupt verpflichtet und seine Machtfülle sowie jene der Verwaltung gegenüber der Gesellschaft, der (Staats-)Bürgerschaft (als Kollektiv, aber auch gegen die Einzelperson) begrenzt werden. Festzuhalten ist außerdem, dass nicht nur allein auf den formellen Begriff „Verfassung“ (constitutio, Grundgesetz, Charta etc.), also eine feierlich verkündete Verfassungsurkunde, Bezug genommen werden muss. Vielmehr sollten auch andere verfassungsähnliche Rechtsnormen berücksichtigt werden – wie etwa „Grundgesetze“ oder andere Bestimmungen (heute meist als „einfachgesetzliche“ Bestimmungen verstanden), beispielsweise die Einleitung zum Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten (1794) oder §§ 2–18 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (1811).

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