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Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), 1811

In Österreich sanktionierte Kaiser Franz I. am 1.Juni 1811 das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das mit 1. Januar 1812 in Kraft gesetzt wurde. Dieser österreichischen Naturrechtskodifikation gingen mehrere Entwürfe voraus, die bereits unter Maria Theresia verfasst wurden. Das ABGB, ursprünglich 1502 Paragrafen umfassend, wurde wegen seiner einfachen, generalisierend kurzen und deutlichen, juristisch präzisen Formulierungen zum Vorbild etwa für Sachsen, Moldau, Montenegro und Liechtenstein. Es folgt dem damals modernen Institutionensystem und steht noch heute (zu mehr als einem Drittel mehrfach modifiziert) in Kraft.

§ 16 ABGB

Angeborne Rechte.

Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sclaverei oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht wird in diesen Ländern nicht gestattet.

Vom deskriptiven zum präskriptiven Charakter der Verfassung

Der Charakter einer Verfassung wandelte sich vom rein deskriptiven zum präskriptiven: In ihr war schriftlich und normativ festgelegt, unter welchen Bedingungen Herrschaft legitimiert wird. Unmittelbar damit verbunden war der Anspruch, Herrschaftsgewalt umfassend zu regeln. Mit der Verfassung erfolgte die Transformation vom (liberalen) Rechtsbewahrerstaat hin zum Rechtssetzungsstaat: Recht wurde politisch gesetzt – Recht war das, was die Mehrheit für Recht erklärte und als Recht wollte. Eine Verfassung im modernen Sinn wird schriftlich niedergelegt und feierlich proklamiert, um so für Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu sorgen.

Bis auf wenige Ausnahmen, wie etwa die Schweiz, die Niederlande oder die Stadtrepubliken Venedig und Genua, verfügten fast alle Staaten in Europa vor dem Anbruch des Zeitalters der Revolutionen in den 1770er Jahren über eine monarchische Struktur. Monarchien, die nachfolgend eine Verfassung erhielten, gestalteten konstitutionelle Strukturen. Frühkonstitutionelle Verfassungen waren zunächst in erster Linie einseitig dahingehend ausgerichtet, die Staatsgewalt, also die Herrschaftsgewalt des Monarchen zu begrenzen. Speziell Grundrechte sollten die monarchische Exekutive beschränken. Leitideen der Grundrechte waren und sind die Gleichheit aller vor dem Gesetz, die Unverletzlichkeit und Freiheit der Person und des Eigentums und die Freiheit des Geistes im Besonderen, Zurückdrängung und/oder Aufhebung der ständischen Ordnung, Freiheit der Meinung in Wort, Schrift und Druck, Pressefreiheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit von Wissenschaft und Lehre, Unverletzlichkeit des Eigentums inklusive Schutz des geistigen Eigentums, Aufhebung der Untertänigkeit. Grundrechte ersetzten die gottgewollte Ordnung. Die Volksvertretung sollte nunmehr jenes Organ sein, das die Freiheitsrechte wahrte. Allerdings sah die Verfassungswirklichkeit anders aus.

Die Wurzeln des modernen Verfassungsstaates im England des 17. Jahrhunderts

Wenngleich man dazu neigt, die USA und Frankreich als Vorbilder für den europäischen modernen Verfassungsstaat zu benennen, so liegen dessen Wurzeln im England des 17. Jahrhunderts. Die politische Entwicklung der Insel unterschied sich wesentlich von der auf dem Kontinent – die Machtbestrebungen der Stuartkönige scheiterten an den Ständen, die ihre Freiheitsrechte durchsetzen konnten: Die Petition of Rights (1628), die Habeas Corpus Akte (1679) sowie die Bill of Rights (1689) dokumentieren diese Auseinandersetzung. Sie stellen bahnbrechende Gesetze dar, die den Schutz des Individuums vor monarchischer Willkür beinhalten. Die Glorious Revolution von 1688 brachte de iure den Sieg über den Absolutismus zugunsten einer konstitutionellen Monarchie: Ober- und Unterhaus wurden nunmehr dem König im Wesentlichen gleichgestellt, die „königlichen Prärogativen“ stark eingeschränkt. Bereits Ende des 17. Jahrhunderts verfügte England über ein parlamentarisches Regierungssystem, von dem Kontinentaleuropa weit entfernt war. Es fand zuerst Nachahmung in Nordamerika, und der Parlamentarismus entwickelte sich alsbald zum Vorbild für den bevorstehenden weltweiten Konstitutionalisierungsprozess. Großbritannien galt um 1700 als das fortschrittlichste Land, wo das Licht der Aufklärung entzündet wurde, während des 18. Jahrhunderts pries man die britische Regierungsform als die vollkommenste unter allen europäischen. Dies wohl auch deshalb, weil sie das herausragendste und unverzichtbarste Merkmal des abendländischen Konstitutionalismus aufwies: den Schutz des Individuums vor der Staatsgewalt! Wesentliche Gesetze regeln dieses Prinzip:

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