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ОглавлениеBill of Rights, 1689 Aus: Brand/Hattenhauer, Rechtsstaat, 56–57
Die angemaßte Befugnis, Gesetze oder die Ausführung von Gesetzen durch königliche Autorität ohne Zustimmung des Parlaments aufzuheben, ist rechtswidrig. Die angemaßte Befugnis, von Gesetzen oder der Ausführung von Gesetzen durch königliche Autorität zu dispensieren, wie sie kürzlich beansprucht und ausgeübt wurde, ist rechtswidrig. Die Errichtung des früheren außerordentlichen Gerichtshofes für kirchliche Rechtsfälle sowie alle anderen Kommissionen und Gerichtshöfe ähnlicher Natur sind rechtswidrig und gefährlich. Steuern für die Krone oder zum Nutzen der Krone unter dem Vorwand einer Prärogative ohne Erlaubnis des Parlaments für längere Zeit oder in anderer Weise, als erlaubt und bewilligt wurde, zu erheben, ist rechtswidrig. Es ist das Recht der Untertanen, dem König Bittschriften einzureichen, und jede Inhaftierung oder Verfolgung wegen solcher Petition ist rechtswidrig. Es ist gegen das Gesetz, es sei denn mit Zustimmung des Parlaments, eine stehende Armee im Königreich in Friedenszeiten aufzustellen oder zu halten. (…) Die Wahl der Parlamentsmitglieder soll frei sein. Die Freiheit der Rede und der Debatten und Verhandlungen im Parlament darf von keinem Gerichtshof oder sonst außerhalb des Parlaments bestritten oder in Frage gestellt werden.
Die Französische Revolution veränderte die politische Wirklichkeit Europas
Die Französische Revolution (1789) veränderte die politische Wirklichkeit Europas. Sie war – im Gegensatz zu den Reformationen des Mittelalters und der Neuzeit – nicht darauf fokussiert, eine (an- oder vorgeblich) alte Ordnung wiederherzustellen, sondern sagte den Missständen der Zeit den Kampf an und wollte eine neue Ordnung schaffen. Die Französische Revolution wollte das besorgen, was man bisher von Gott erwartet hatte: (diesseitiges) Menschenglück (Hans Hattenhauer)! Daher lag es auf der Hand, zunächst Menschenrechte zu formulieren, und erst in einem weiteren Schritt eine Verfassung. „Menschenglück“ und „Glückseligkeit“ fand man bereits in der Virginia Bill of Rights (1776): „§ 1: Alle Menschen [dies galt allerdings nur für weiße Männer] sind von Natur frei und unabhängig und haben gewisse angeborene Rechte, deren sie, wenn sie in den gesellschaftlichen Zustand zusammentreten, durch keinen Vertrag ihre Nachkommen berauben oder verlustig erklären können; namentlich sind es die Rechte auf den Genuss des Lebens und der Freiheit, mit den Mitteln Eigentum zu erwerben und zu besitzen, und Glückseligkeit und Sicherheit zu verfolgen und zu erlangen.“
Seit dem Zeitalter des Konstitutionalismus wurde eine Verfassung nur dann als vollständig erachtet, wenn diese über einen Grundrechtekatalog verfügte. Dies wird zu einem wesentlichen Merkmal von Verfassungen. Die Begriffe „Nation“ und „Bürger“ hatten bereits Locke, Montesquieu oder Rousseau theoretisch abgehandelt, jetzt galt es, diesen Begriffen politisches und rechtliches Leben einzuhauchen. Die Französische Revolution machte aus weißen Untertanen politische Bürger (allerdings noch keine Bürgerinnen), deren Rechte, als Bürgerrechte verankert, seitdem einen unverzichtbaren Teil der Verfassung darstellen.
Die Unabhängigkeitserklärung der nordamerikanischen Staaten aus dem Jahr 1776 und die Französische Revolution bildeten die wesentlichen Marksteine jenes Prozesses, der zum Durchbruch des Konzeptes der Verfassungsstaatlichkeit führte. Zu Recht gilt die noch heute gültige Verfassung der USA als Mutter aller geschriebenen Verfassungen. Sie stellt eine Kompilation aus englischem common law und aufklärerischem Gedankengut dar.