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UNTENRUM FREI

Taghazout, Marokko
März 2016

Mit Leichtsinnigkeit hat die folgende Geschichte nichts zu tun. Höchstens mit leichter Bekleidung. Aber ich fange mal von vorne an. Ich steckte gerade wieder mitten in einem Abenteuercamp, das Steffi und ich ausrichteten. Dieses Mal aber nicht in Ägypten, sondern in einem wunderschönen kleinen marokkanischen Ort namens Taghazout. Dort gibt es wie in ganz Marokko etwas, das jeder ausprobieren sollte, der einmal gepflegt die Seele baumeln lassen möchte: marokkanische Hammams. Ein Hammam ist ein traditionelles Badehaus, das dem türkischen Hamam ganz ähnlich ist. Alles, was ich wusste, bevor ich selbst dort an die Tür klopfte: Das marokkanische Hammam-Ritual dreht sich um Peeling und Massage. Eine Bekannte von Steffi und mir hatte uns einen Geheimtipp gegeben, und so fuhren wir ein Stück aus der Ortschaft raus in die Berge. Am Ziel angekommen, hielten wir vor einem ganz normalen marokkanischen Häuschen: nicht besonders groß, nicht besonders klein, zwei weiß getünchte Ebenen mit einem Stück Garten vorne dran und einem bunten Türrahmen.

Als wir über die Schwelle traten, standen wir direkt vor einer Rezeption, bei der wir uns zunächst anmelden mussten. Es konnten immer zwei Personen gleichzeitig an diesem kulturellen Bad teilnehmen. Vor uns waren unsere Freundinnen Ani, meine Co-Autorin, und Anja dran gewesen. Die beiden waren dann auch das Erste, was ich sah, als wir in das Haus geführt wurden. Ani und Anja thronten, eingewickelt in alte Herrenbademäntel und mit Handtuchturbanen auf dem Kopf, auf einer riesigen Couch und hatten zwei Tässchen Tee vor der Nase. Sie sahen aus wie zweimal Witwe Bolte aus Max und Moritz. Es war ein Bild für die Götter. Mich haute es vor Lachen fast aus den Flipflops, aber da im Hammam ähnliche Stille herrschen soll wie in einer Bibliothek, musste ich das lautlos über die Bühne bringen.

Als ich mich soweit erholt und mir die Lachtränen aus den Augenwinkeln gewischt hatte, waren Steffi und ich dran. Ich ahnte natürlich, dass Ani und Anja längst dachten: »Warte mal ab, Nick. Wer zuletzt lacht, lacht am besten!« Schließlich würde ich ebenfalls bald mit einem dieser Handtuchturbane auf der Couch liegen. Aber es sollte noch besser kommen.

STEFFI UND ICH BEI EINER UNSERER LIEBLINGSBESCHÄFTIGUNGEN: EINWOHNER KENNENLERNEN UND SPASS ZUSAMMEN HABEN.

Eine marokkanische Hammam-Behandlung besteht aus zwei Teilen. Im ersten wirst du sozusagen »aufgeweicht«. Nachdem Steffi und ich uns bis auf Badehose und Bikini aus- und einen Herrenbademantel drübergezogen hatten, wurden wir von einer freundlichen, recht robusten Marokkanerin namens Fatima in eine Dampfsauna geführt. Das war in diesem Fall ein großer, von oben bis unten gekachelter Raum.

»Was ist denn das?«, fragte ich Steffi, als wir wieder allein waren, und zeigte auf eine Art gefliesten Altar, der in der Mitte des Raumes stand.

»Keine Ahnung«, Steffi zuckte mit den Schultern.

Weil wir nicht wussten, was wir sonst tun sollten, setzten wir uns auf die in die Wand eingelassenen Bänke. Nach einigen Minuten steckte Fatima erneut den Kopf zur Tür herein und sagte, dass sie in ein paar Minuten wieder zu uns kommen würde. Weil die Sitzbänke ebenfalls mit Kacheln verkleidet waren, dauerte es nicht lange, bis Steffi und ich ordentlich vor uns hin schwitzten. Sauna eben.

Als wir uns nach zwanzig Minuten langsam vorkamen wie in einem Schongarverfahren, fragten wir uns, ob Fatima jemals wiederkommen würde. Wie auf ein Stichwort öffnete sich die Tür mit einem Schwung, und unsere freundliche Marokkanerin war wieder da. Sie grinste uns an, zeigte mit einer Hand auf den Kachelaltar und gab uns zu verstehen, dass einer von uns sich da jetzt mal drauflegen sollte. Und zwar »mit Rücken oben und Gesicht unten«.


DAS KÜSTENDÖRFCHEN TAGHAZOUT: TAJINE ESSEN, SURFEN UND IM HAMAM MASSIEREN LASSEN.

Steffi überließ mir den Vortritt, und wenige Sekunden später lag ich wie eine Kaulquappe auf dem Altar. Dann begann Fatima auch schon mit ihrer Prozedur: Sie rieb mit einer Drahtbürste meine ganze Haut ab. In Wirklichkeit hatte sie einen Naturschwamm in der Hand und rubbelte an meinem verschwitzten Körper herum. Doch ich schwöre, es tat genauso weh, als hätte sie eine Drahtbürste in der Hand gehabt. Eine grobe. Das war wirklich nicht sonderlich gemütlich. Mehr so, als würde ein Angler eine Forelle entschuppen. Mit schnellen, kräftigen Bewegungen. Ich fragte mich, ob mir der Schweiß aus den Augen tropfte oder ob ich vielleicht ein kleines bisschen weinte. Nachdem Fatima mit meinen Armen und Beinen rückseitig durch war, tönte sie fröhlich: »Einmal umdrehen, bitte!« Als ich mich hochstemmte, wäre ich beinahe vom Altar geflutscht, so glitschig war es auf der Fläche. Wenigstens aber war es warm. Sobald ich sicher lag, machte sich Fatima über meine Füße, meine Schienbeine und die Oberschenkel her. Sie bearbeitete jeden Zentimeter Haut und zog die »Drahtbürste« sogar zwischen meinen Zehen durch. Bei dieser sehr empfindlichen Haut konnte ich ein paar Schmerzenslaute nicht unterdrücken. Steffi brach in lautes Lachen aus, als Fatima bemerkte: »Hahaha, he cries like baby!«

Abgesehen von meinem Gemecker und Steffis dreckiger Lache wurde die ganze Zeremonie akustisch einzig von einem durchdringenden Scheuergeräusch begleitet, das der Schwamm auf meiner Haut verursachte. Es hörte sich ein bisschen so an, als ob man die Hände fest gegeneinander reibt, nur viel lauter, da das Geräusch mehrfach von den gekachelten Wänden widerhallte.

Als meine Arme und mein Oberkörper dran waren, bemerkte ich, dass durch das Scheuern ganz viele kleine schwarze Würmer auf meiner Haut zurückblieben. »Ja, ihhhh! Was’n hier los?«, fragte ich Steffi.

Fatima, die zwar kein Deutsch verstand, aber sich wohl denken konnte, warum ich mein Gesicht so verzog, grinste breit. Sie hielt einen der schwarzen Würmer hoch und sagte: »Old skin!«

Boah, wie eklig. Fatima allerdings fand meinen Gesichtsausdruck zum Schießen und lachte herzlich.

Als Steffi an der Reihe war, konnte ich mir das Ganze noch mal aus der Zuschauerperspektive anschauen. Von außen betrachtet, sah das Peeling tatsächlich ganz entspannend aus. Trotzdem musste jetzt auch ich lachen, verzog aber gleichzeitig die Miene: Da lag meine halbnackte Freundin auf einem Kachelaltar, und überall klebten diese schwarzen Dinger auf ihr. Sexy.

Wenig später standen wir beide rot geschrubbt mitten im Raum, während Fatima eimerweise warmes Wasser über uns kippte. Das tat ziemlich gut. Sie reichte uns Handtücher zum Abtrocknen und rieb uns dann mit Arganöl ein. Dieses Öl wird aus den Beeren des Arganbaums gewonnen, der nur in Marokko wächst. Unter anderem wird das Öl zur Schönheitspflege genutzt, weil es, wie Fatima uns mit Händen und Füßen erklärte, entzündungshemmend ist und trockene Haut beruhigt. »Oder Haut, die gerade mit einer Drahtbürste beackert wurde«, dachte ich.

Als wir schließlich mit Öl eingerieben und – wie zuvor Ani und Anja – in unsere Männerbademäntel gewickelt auf der Couch vor einem Tee saßen, stellte sich ein angenehm wohliges Gefühl in mir ein. In der duftgeschwängerten, warmen Atmosphäre hätte ich jetzt locker ein kleines Schläfchen halten können. Doch schon kam eine Frau um die Ecke, die sich uns als eine der Masseurinnen vorstellte. Wunderbar, endlich kam der wirklich angenehme zweite Teil der Hammam-Behandlung: Massage! Die Frau führte uns in einen Raum mit zwei Liegen. Sie gab Steffi zu verstehen, dass sie ihren Bikini ausziehen sollte, dann würde sie gleich wiederkommen. Als Steffi sich frei machte, zog auch ich gleich mal blank. Für die Wartezeit schlüpften wir dann noch einmal in unsere Bademäntel.


RÜCKWÄRTSSALTO VON DEN KLIPPEN IM PARADISE VALLEY. DABEI KANN JA KAUM ETWAS SCHIEFGEHEN …

Nachdem die Masseurin zurückgekommen war, legte sich Steffi nackt auf eine der Liegen und wurde durchgeknetet. Sofort entspannten sich ihre Gesichtszüge, und ich konnte ahnen, wie gut diese Massage tun musste. Etwas ungeduldig schaute ich zur Tür. Ich wollte auch! Deshalb sprang ich sofort auf, als meine Masseurin hereinkam, und riss mir den Bademantel vom Leib. Von mir aus konnte es sofort losgehen! Als meine Masseurin sich jedoch zu mir umdrehte, schlug sie mit einem Mal die Hände vors Gesicht und fing an zu schreien: »Oh nooo! Nooooo!« Erschrocken schauten nun auch Steffi und ihre Masseurin zu uns herüber. Letztere fing ebenfalls an zu kreischen. »No! No!« Steffi verdrehte die Augen und dachte wohl etwas wie: »O Mann, Nick! Typisch mein Freund!«

Ich stand währenddessen da, wie Gott mich erschaffen hatte, und war verwirrt. Was war denn nun los? Es dauerte jedoch nur einige Sekunden, bis ich begriff: Die Frauen waren entsetzt, dass ich mich komplett ausgezogen hatte. Schnell griff ich nach meiner Badehose und schlüpfte rein. Hinter mir hörte ich Steffi glucksen. Meine Masseurin war unterdessen aus dem Raum gestürzt und lugte nun vorsichtig um die Ecke. »Entschuldigung«, bedeutete ich ihr grinsend. Die Situation war wirklich ein bisschen komisch. Dennoch gab ich mir große Mühe, nicht zu lachen. Es war das totale Missverständnis gewesen, ein echter Lost-in-translation-Moment. Ich hatte es so verstanden, dass wir uns komplett ausziehen sollten. Erst jetzt bemerkte ich, dass auch Steffi noch ihr Bikini-Höschen trug.

Innerlich schlug ich die Hand vor den Kopf. Hätte ich mir ja selbst denken können, dass die Frauen in einem traditionellen marokkanischen Hammam auf eine Badehose Wert legen. Als sich alle wieder beruhigt hatten, erhielt ich zum Glück endlich meine Massage. Es hätte mich aber auch nicht gewundert, wenn im Moment nach meiner Entblößung der Hausherr hereingekommen wäre und mich aufs nächste Kamel in Richtung Taghazout gesetzt hätte.

Insgesamt kann ich eine marokkanische Hammam-Behandlung nur jedem empfehlen. Es ist zwar anfangs etwas unbequem, aber auch ganz lustig. Vor allem wenn man zu zweit ist. Wir haben zwischendurch viel gelacht. Am Ende fühlst du dich wie ein Baby und hast mindestens genauso samtweiche Haut. Wenn du eine Behandlung im marokkanischen Hammam buchst, solltest du dir jedoch für den restlichen Tag nicht mehr so viel vornehmen, da du anschließend in einen totalen Ruhemodus verfällst. Wir jedenfalls traten selig grinsend unsere Rückreise ins Camp an. An die Herren der Schöpfung: Lernt aus meinen Fehlern und lasst bloß die Badehose an!

Die geilste Lücke im Lebenslauf – Die dunkle Seite

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