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Die Dolbs

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Aus einer alten Schatzkiste in einem Riff schwamm eine quietschrote, etwa zehn Zentimeter große, ziemlich runde Buddhagestalt mit kurzen Ärmchen und Beinchen und ganz winzigen Händchen und Füßchen. Es war ein Dolb, wie ihn die Einheimischen nannten. Ihm folgte ein ganzer Schwarm völlig identisch aussehender Winzlinge. Als sie an die Wasseroberfläche kamen, erhoben sie sich aus dem Wasser und schwebten mühelos Richtung Strand. So, wie andere Wesen Gerüche verströmen, verströmten Dolbs in der Luft hauchzarte Klänge. Die harmonischen Töne, die von ihnen ausgingen, erinnerten ein wenig an Glöckchen. Der Dolbschwarm klingelte und bimmelte melodisch und dezent vor sich hin und es hörte sich ganz zauberhaft an, wie ein akustisches Glitzern.

Auf einer von Dschungel umgebenen Grasfläche jenseits des Strandes graste ein Pferd. Es hob den Kopf und lauschte. Dann graste es weiter. Bunte Vögel zwitscherten in den großen, alten Bäumen, in den Lianen und überhaupt in allerlei dschungligen Gewächsen. Ein schmaler Wasserfall plätscherte in eine Lagune, in der sich lachend ein paar halb durchsichtige, türkisblaue Wassernymphen vergnügten. Ein leichter Wind strich über das Land, über das Meer, über die Lagune und über das vielfältige Grün hinter der Lagune. Die Sonne glitzerte auf den sich brechenden Wellen des Meeres.

Nachdem Josh und Renko geschlagene vierzehn Tage lang durch monotone Einöde geritten waren, wirkte diese üppig bunte Idylle auf Josh wie ein Schock. Alles war fast schon grotesk perfekt, auf eine skurrile Art absurd in seiner Schönheit.

Renko bekam nichts davon mit, aber überraschenderweise reagierte er darauf, dass sie angehalten hatten: Er ließ sich einfach von seinem Gandrock fallen, rollte sich auf den Rücken, schloss die Augen und blieb im Gras liegen. Josh betrachtete seinen Freund halb genervt, halb sorgenvoll, stieg dann ebenfalls ab und bezahlte die beiden Gandrocks, indem er seinen Daumen auf ihre Abdruckscanner drückte. Die Beträge wurden von seinem Konto abgebucht, und die Gandrocks trotteten von dannen.

Nach dem langen Ritt fühlte es sich seltsam an, wieder auf festem Boden zu stehen. Als würde etwas mit dem Boden nicht stimmen, weil er nicht schwankte.

Josh sah sich um, denn er hörte den Schwarm Dolbs auf sich zu bimmeln. Er winkte ihnen zu und freute sich. Dass ein Treffen so schnell und reibungslos klappen würde, hatte er nicht erwartet. Ihm war nicht einmal klar gewesen, dass sie von seinem und Renkos Kommen offenbar gewusst hatten. Wunderbare Erleichterung durchströmte ihn.

Die Dolbs verteilten sich schwebend um Josh und begrüßten ihn mit Worte formenden Bimmellauten. Als Dschinn war es für Josh selbstverständlich, automatisch alle Sprachen verstehen und sprechen zu können. Er imitierte die klingelnden Laute und unterhielt sich mit dem Schwarm. Nachdem das gegenseitige Begrüßungsgeklingel abgeebbt war, fragte der Dolbschwarm, wie sie ihm helfen konnten. Josh zeigte auf Renko und beschrieb in kurzen Worten, was passiert war. Er fragte, ob sie herausfinden könnten, was diesen Zustand hervorgerufen hatte, was es damit auf sich hatte und ob sie vielleicht sogar eine Lösung für das Problem wüssten.

Der Schwarm bimmelte Hilfsbereitschaft, konnte aber nichts versprechen. Sie würden es versuchen, und allein das war schon ein großer Trost für Josh. Gemeinsam gingen beziehungsweise schwebten sie zu Renko hinüber.

„Renko, die Dolbs hier wollen versuchen herauszufinden, was mit dir nicht stimmt. Darf ich sie auf dich loslassen?”

Wie zu erwarten gewesen war, reagierte Renko nicht. Nun, Josh hatte es versucht. Er gab den Dolbs das Zeichen, dass es losgehen konnte. Bimmelnd verteilten sie sich über Renkos Körper und ließen sich auf ihm nieder. Die kleinen roten Buddhas sahen auf Renkos ebenfalls roter Haut aus wie dicke Beulen. Josh sah ihnen zu und wartete eine Weile, aber mehr passierte nicht. Also schlenderte er an den Strand und setzte sich in den heißen Sand. Er starrte auf die glitzernden Wellen.

Nesodora war ein wirklich seltsamer Planet. Bis auf einen einzigen Kontinent gab es hier nur Meer. Er war fast vollständig von einem undurchdringlichen Schutzschild umgeben, das auch Teleportation verhinderte. Niemand kam hinein oder hinaus und auch innerhalb des Schilds war Teleportation unmöglich. Es gab nur eine trichterförmige Öffnung über der Landezone, in der sich eine kleine, unbedeutende Stadt namens Dasogra befand. Dasogra lag am einen Ende des Kontinents, die Oase genau am anderen. Der Rest war jene platte, öde, unvorstellbar heiße Superwüste, durch die sie geritten waren. Nur sehr wenige Fluggeräte landeten in Dasogras Raumhafen, denn kaum jemand im gesamten Universum machte sich die Mühe – aus gutem Grund.

Intergalaktischen Handel und Touristen gab es auf dem sehr abgelegenen Planeten Nesodora kaum, denn Dasogra war klein und ausgesprochen langweilig. Die entsetzliche Wüste konnten nur wenige Wesen lebend durchqueren, und wer zur Oase wollte, musste einen Gandrock mieten. Um aber überhaupt einen Gandrock mieten zu können, musste man seine Reisewünsche persönlich vor Ort anmelden. Wenn die zuständige Verwaltung der Reise aus unerfindlichen Gründen nicht zustimmte, hatte man Pech und konnte entweder abreisen oder warten, aber der nächste Antrag durfte erst nach Ablauf von drei Monaten wieder gestellt werden. Es war reine Willkür, Regeln gab es nicht, Bestechung funktionierte nicht und Dringlichkeit war für sie kein überzeugendes Argument. Kein Wunder also, dass sich niemand für Nesodora interessierte.

Wer es geschafft hatte, die Erlaubnis zu bekommen, dem standen etwa drei Wochen schaukelnde Reiterei bevor, es gab keine andere Möglichkeit. Die Wüste wehrte sich angeblich auf nicht näher erklärte Weise gegen jeden Eindringling, der es auf andere Weise versuchte. Josh hatte wegen der Umstände keine Lust gehabt, diese Behauptung zu überprüfen. Wenn es so war, dann war es eben so. Er war froh gewesen, überhaupt auf dem Gandrock sitzen zu können, also ertrug er einfach das Geschaukel und gut. Er hatte verdammtes Glück gehabt, alles andere war nicht wichtig. Da fielen ihm Borowski und Adasger wieder ein. Er konnte nur hoffen, dass mit ihnen alles ok war.

Nachdem Josh und Adasger beschlossen hatten, dass Josh versuchen sollte, die Dolbs zu finden, hatte sich die Wildsau in Dasogras Raumhafen materialisiert, obwohl ihre Hilfe nicht nötig gewesen wäre. Adasger und die Wildsau würden auf die beiden warten. Es war eine tröstliche Geste gewesen und Josh war dankbar dafür. Er hatte die Reise beantragt und tatsächlich ohne Probleme die Erlaubnis bekommen. Auch dafür, dass das einfach so geklappt hatte, war er dankbar.

Josh hatte sich mit Renko im Schlepptau schließlich auf den Weg gemacht. Da weder Josh noch Renko Pausen brauchten und auch nicht schlafen mussten, hatten sie die üblichen drei Wochen auf vierzehn Tage verkürzen können. Immerhin, aber es war trotzdem eine Tortur gewesen.

Mit diesen Erinnerungen im Kopf legte Josh sich in den Sand, und noch bevor sein Kopf ganz den Boden berührte, war er auch schon eingeschlafen. Manchmal war Schlaf etwas Großartiges. Eigentlich überflüssig, aber ein wunderbarer Luxus.

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