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Im Dschungel

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Hivvy war jetzt erst recht überfordert. Sie hatte noch nie eine Entscheidung treffen müssen, wusste bis vor Kurzem gar nicht, was das war – erstaunlich, dass das überhaupt möglich war. Ein alter Mann war aufgetaucht und hatte ihr Dinge erklärt. Ohne Ohren hatte sie ihn nicht hören können, aber seine Gedanken waren bei ihr angekommen. Klar und deutlich – aber das war keine Hilfe gewesen. Nicht wirklich.

Eine andere Elementepfütze … Es war ihr noch nie in den Sinn gekommen, dass es andere Elementepfützen geben könnte. Sie hatte es nie vermisst, denn sie hatte ja nichts vermissen können ohne Gefühle und ohne Seele. Es war nicht relevant gewesen.

Diese Seele machte alles entsetzlich kompliziert. Hivvy wollte das nicht fühlen, wollte nichts entscheiden, fand es ungewohnt und eklig, aber diese Seele wollte es, sie war neugierig und freute sich auf … auf … alles? Das war so ein starker Sog, dass Hivvy das Gefühl hatte, sich dem nicht entziehen zu können. Schrecklich.

Dieser Widerspruch war anstrengend. Wenigstens wusste sie jetzt, dass sie sich von den Gefühlen distanzieren konnte. Die Gefühle waren nicht ihre eigenen. Sie musste da nicht mitmachen, sich nicht davon beeinflussen lassen, sie konnte den Dschinn entstehen lassen und alles wäre wieder gut. Aber auch langweilig, wenn man der Seele glauben wollte. Hivvy kannte Langeweile nicht. War es langweilig eine Elementepfütze zu sein? Nein. Nicht, wenn man eine Elementepfütze war. Erst, wenn man keine mehr war, sah es nach einer langweiligen Existenz aus, soviel musste sie zugeben.

Hivvy brütete vor sich hin, die Gedanken kreisten, verschiedenste Gefühle drohten, sie zu überwältigen, und es war ein einziges Chaos. Sie kam zu keinem Ergebnis. Zu allem Überfluss stellte sich ihr nun auch noch die Frage nach dem Sinn. Was war der Sinn von allem? Gab es einen? Wollte sie versuchen es herauszufinden? Es war zum Verrücktwerden!

Der alte Mann kam zurück. Er hatte den Hund auf dem Arm, der immer noch Angst vor ihr hatte, das spürte sie, aber er hatte sich halbwegs beruhigt. Der Mann kniete sich vor sie hin. Das alles konnte sie ohne Augen natürlich nicht sehen, aber sie nahm es trotzdem wahr, so wie seine Gedanken und die Angst des Hundes.

Wie war das möglich? Noch mehr Fragen. Sie hatte langsam die Nase voll von all diesen Fragen. Das Einfachste wäre wirklich die Sache mit dem Dschinn. Weg mit der Seele und gut, dann hätte sie wieder ihre Ruhe. Wollte sie ihre Ruhe? Ja. Nein. Vielleicht.

„Wie sieht es aus, weißt du schon, ob du mit einer anderen Elementepfütze Gedanken austauschen möchtest? Ich könnte versuchen, auch einen Dschinn und einen Gestaltwandler zu holen, die auf diese Art entstanden sind. Dann könntest du drei Erfahrungen miteinander vergleichen.”

Hivvy überlegte. Der Elementepfütze wäre es gleichgültig, denn sie konnte ihre Entscheidung nachträglich nicht in Frage stellen. Für sie wäre es automatisch normal, sich so entschieden zu haben. Der Dschinn und der Gestaltwandler könnten von ihren Erfahrungen berichten, ja, aber würde das einen Unterschied machen? Echte Erfahrungen konnte man nur selbst machen, in der Theorie taugten sie nichts. Woher sie das wusste? Noch so eine Frage ohne Antwort. Und stimmte das überhaupt? Egal, sie wollte sich nicht beeinflussen lassen. Sie würde das alleine entscheiden.

„Gut. Dann lasse ich dich mit deinen Gedanken jetzt wieder alleine und gehe zurück in die Wildsau. Morgen früh komme ich wieder.”

Der Mann hatte es verstanden und akzeptiert, einfach so. Das war seltsam tröstlich. Ihre erste Entscheidung – das fühlte sich gut an! Aber ob es die richtige Entscheidung gewesen war? Der Zweifel fühlte sich schrecklich an. Noch eine Frage, noch ein Widerspruch. Hörte das nie auf? Ging das so weiter, wenn sie die Seele bei sich behielt? Das war ja unerträglich! Aber auch spannend. Puuuh, wie anstrengend!

Adasger ging zurück in die Wildsau und bat die KI, das Portal wieder zu schließen. Wieder kommentierte sie das Offensichtliche, aber Adasger war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, als dass es ihm aufgefallen wäre. Er setzte Borowski auf den Boden, der zwar noch nicht ganz wieder der Alte war, jetzt aber wenigstens zaghaft schnüffelnd von einer Ecke in die andere lief und sich schließlich vor dem brennenden Kaminfeuer zusammenrollte.

Der kleine Hund hatte vor ein paar Tagen ein T–Shirt von Renko gefunden und es sich dort hingezerrt. Er sah jetzt halbwegs ok aus. Gut. Sehr gut. Eine Sorge weniger. Adasger sah sich um. Womit sollte er anfangen? Erst einmal aufräumen. Genau. Den Müll einsammeln, das Geschirr stapeln und später abwaschen, die anderen Dinge in Schränke legen oder in Schubladen verschwinden lassen, je nachdem. Er fing an zu pfeifen und legte gutgelaunt los. Wie auch immer sich alles andere entwickeln würde, es würde auch ohne sein Zutun geschehen. Das tat es ja immer. Und wenn es an der Zeit war, einzugreifen und mitzumischen, dann würde er das deutlich spüren. Es war wie ein Schalter, der in ihm umgelegt wurde.

Zur buckligen Wildsau

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