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5 Montag

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William saß an seinem Schreibtisch, die frische Tasse Kaffee neben sich. Sie dampfte. Er las den Bericht des Pathologen. Schon am Donnerstag hatte Klaus ausgesprochen, was beide dachten:

„Das Mädchen ist 22 Jahre alt und wurde erdrosselt. Das Zungenbein ist gebrochen.“

Seufzend lehnte er sich zurück. Er hatte die ganze Zeit recht. Sie war nicht freiwillig verschwunden, sondern ermordet worden. Er nahm das Bild von Tina in die Hand. So ein wunderhübsches Mädchen. Was war ihr nur zugestoßen?

Sie war nur zur falschen Zeit am falschen Ort, mahnte die Stimme in Williams Kopf. Da kann nur der Täter etwas dafür.

Er schaute auf, als sich die Tür zu seinem Büro öffnete. Ein Streifenbeamter trat ein.

„Guten Tag, Herr Herle“, sagte er, „die Frau Schwarz erwartet Sie am Empfang.“

Er hatte Frau Schwarz zum Präsidium eingeladen. Er wollte das Gespräch nicht bei ihr Zuhause führen. Es wäre zu persönlich. Eine neutrale Umgebung war für alle die beste Lösung. Es war kurz vor zehn, sie war pünktlich erschienen.

„Ich hole sie persönlich ab“, antwortete William. Der Beamte nickte und verließ das Büro. Er atmete tief durch, nahm die Akte in die Hand und lief die beiden Stockwerke hinunter zum Empfang.

Dort saß Frau Schwarz an dem kleinen Tisch am Fenster. Hinter ihr fuhren Autos vorbei. Bleich sah sie aus, aber gefasst. Er hatte ihr nicht alles am Telefon erzählt, sondern ihr nur gesagt, man habe ihre Tochter endlich gefunden.

„Guten Tag, Frau Schwarz“, sprach William sie an. Sie hob den Kopf und schaute ihn direkt an. Der Ausdruck in ihren Augen erschreckte ihn. Voller Kummer und Hoffnungslosigkeit, die traurige Gewissheit, sein Kind zu überleben.

„Guten Tag, Herr Hauptkommissar.“ Ihre leise Stimme zitterte.

„Ich habe einen Raum mit etwas Ruhe geschaffen. Dort werden wir besprechen, was passiert ist.“

„Ja.“ Ihre kurze Antwort ließ den tiefen Schmerz erahnen. Sie folgte ihm wortlos in den ersten Stock. William hatte frühmorgens alles hergerichtet. An dem runden Tisch in der Mitte stand eine Vase mit frischen Blumen, daneben zwei Brezeln mit Butter, eine Kanne Kaffee, Tassen, Teller und Löffel.

Schweigend setzten sie sich und William reichte ihr eine Tasse, in welche er zuvor Kaffee eingeschenkt hatte. Dankend nahm sie sie und nahm einen Schluck.

„Etwas Warmes zu trinken ist immer wohltuend“, sagte sie nach einer Weile.

„Da haben Sie recht“, erwiderte William. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

„Das ist egal“, antwortete sie. „Wichtig ist nur, dass Gewissheit herrscht. Jetzt ist es mir wenigstens möglich, mein Kind zu Grabe tragen.“

Die Worte hallten in William nach.

„Wir wissen nicht, was passiert ist. Sie ist, wie es aussieht, erwürgt worden.“

„Und dann wie Dreck entsorgt!“, unterbrach sie ihn wütend. „Halb verscharrt im Boden, damit sie niemand mehr finden konnte!“

William schwieg. Ihm fiel keine passende Phrase ein, mit denen er normalerweise um sich warf.

„Wenn der schreckliche Regen nicht gewesen wäre, würde ich Jahre auf eine Nachricht von ihr warten! Manchmal wünschte ich, sie wäre nur abgehauen und würde heute an einem schönen Ort wohnen!“

Der heftige Ausbruch von Frau Schwarz behagte William nicht. Leider war er nicht in der Lage, der Stimme in seinem Kopf zu entrinnen, die ihr Recht gab.

Wäre sie geflohen, hätte es keinen Mordfall gegeben. Es gab keine Hinweise auf den Täter. Der Regen hatte alles fortgespült. Klaus hatte den Tatort mit einem Sieb durchsucht. Ein Schlüssel und leerer ein Flachmann ohne Deckel, mehrere Kippen, mehr hatte er nicht gefunden.

„Es tut mir leid“, sagte William nach ein paar Minuten leise. „Ich werde denjenigen finden, der ihr das angetan hat. Das verspreche ich Ihnen.“

Sein Versprechen lag ihm schwer im Magen. Er wusste nicht, ob er es halten konnte.

„Danke“, murmelte Frau Schwarz. „Das bedeutet mir viel. Es tut mir leid, was ich eben gesagt habe.“

„Alles in Ordnung“, beruhigte William sie.

Als er später allein in seinem Büro saß, nahm er Tinas Bild in die Hand und seufzte.

Ein Versprechen war schneller gegeben, wie es eingehalten wurde. Die Gewissheit, dass das Mädchen tot war, nagte an ihm. Die Suche nach dem Täter startete erst jetzt. Er hoffte, dass Ben bei der Analyse der Fundstücke etwas fand.

Nasser Verdacht

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