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10 Dienstag

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William saß am Schreibtisch und starrte das Bild von Tina an. Er hatte sich seit ein paar Minuten nicht bewegt. Flo räusperte sich und riss ihn aus seinen Gedanken.

„Mittagessen?“, fragte er mit seiner kurzen Art. Er hatte immer Hunger und schaffte drei große Portionen. William schaute auf die Uhr und nickte. Es war kurz nach zwei und er hatte seit dem kleinen Frühstück nach der Morgenbesprechung nichts gegessen.

Seufzend stellte er das Bild neben den Bildschirm. Das blonde Mädchen mit der karierten Bluse war fest in seinem Kopf. Er nahm sich vor, in den nächsten Tagen die Akte durchzugehen. Jemand hatte etwas gesehen, da war er sich sicher.

Flo und er schlenderten zur Kantine. Es war fast nichts los. Ihr Essen holten sie schnell. Flo entschied sich für zwei Teller mit Nudeln und Tomatensoße, William wählte den Kartoffelbrei mit Hühnchen. Zum Nachtisch gab es bei beiden ein Schälchen Joghurt mit Apfelstückchen.

Schweigend aßen sie. William dachte wieder an Tina. Es ließ ihm keine Ruhe. Er musste den Täter fassen. Das schwor er sich.

„Möchtest du deinen Joghurt nicht?“, fragte Flo mit seiner tiefen Stimme und schaute William forschend an. Der warf einen Blick auf die weiße Masse im Schälchen und zuckte mit den Schultern. Er schob es zu Flo rüber. Freudestrahlend tauchte der seinen Löffel in den Joghurt. Schneller als William wieder aufsah, war es schon leer.

Sie sprachen nicht. William schlug die Tür zu ihrem Büro hinter ihnen zu. Seine Frustration ließ sich an manchen Tagen nicht verbergen. Ein Ping vom Computer erinnerte ihn an seine Pflicht. Er setzte sich an den Schreibtisch und rief die Mail auf, die eben gekommen war. Sie stammte vom Stuttgarter Institut für Geologie.

„Sehr geehrter Herr Hauptkommissar Herle,

Es ist beschlossene Sache, die Felswand am Wildsee zu prüfen. Erste Risse zeigen sich. Die Sicherheit der Kinder steht auf dem Spiel. Es soll verhindert werden, dass ein Teil der Felsen abstürzt.

Ein Team von vier Geologen steht bereit. In ein paar Tagen geht es los. Die Gaststätte Zum blauen Wald ist informiert. Teil der Untersuchung ist das Höhlensystem im Fels. Wir wissen nicht, wie verzweigt es ist. Die Stadt Spullberg will den See wieder freigeben. Das wird für großen Wirbel sorgen. Wir gehen davon aus, dass viele sich das nicht entgehen lassen wollen.

Wir bitten Sie um Unterstützung. Sie wissen ja, wie manche Menschen sind.

Helfen Sie uns? Rufen Sie mich schnell an. Ich schicke Ihnen Weiteres in den nächsten Tagen.“

William schüttelte den Kopf. Vor ein paar Jahren war ein Stück Fels abgebrochen. Ein Kind konnte sich gerade noch retten. Seit diesem Tag war das Tauchen in Felsnähe verboten.

Die Höhle, deren Eingang 15 Meter unter Wasser stand, wurde mit einem Gitter versperrt. Der Fels könnte nachgeben. Die Stadt brachte es daher an.

Trotzdem empfand er die Mail als unverschämt. Er öffnete den Dienstplan und seufzte. Am See gab es mehr zu beachten. Der schmale Weg musste als Fluchtweg freigehalten werden. Doch nicht alle würden sich an die Anweisungen halten. Das war bekannt.

„Schau mal“, sagte er zu Flo und drehte den Bildschirm herum. Flo schaute auf, las die Mail und schaute zurück auf sein Blatt, ohne ein Wort zu sagen. William nickte nachdenklich.

„Das wird einige Menschen anlocken“, sagte Flo nach einer Weile leise. William verdrehte die Augen. Der nächste Zeitungsbericht würde nicht lange auf sich warten lassen. Er sah schon die Schlagzeilen vor sich.

„Vielleicht finden sie ja die beiden vermissten Taucher. Dann würde sich die Sache lohnen“, brummte Flo. William lachte und antwortete:

„Abwarten. Die sind seit zehn Jahren verschwunden, mehr als ein paar Knochen werden sie eh nicht finden. Frag Klaus, der erzählt dir gerne alle Einzelheiten.“

Beide lachten. Klaus, der Pathologe, hatte eine Angewohnheit. Er erzählte ihnen nur das Wichtige. Doch sobald er eine Chance witterte, redete er wie ein Wasserfall. Mürrisch machte sich William an die Arbeit. Die Uhr zeigte ihm, dass er bald Feierabend hatte. Zumindest hoffte er das.

Nasser Verdacht

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