Читать книгу Nasser Verdacht - Ann-Katrin Zellner - Страница 7
1 Donnerstag
ОглавлениеAls der Regen nach vier Tagen nicht aufhörte, trat der Fluss über die Ufer. Die Mauer aus Säcken konnte das Wasser nicht aufhalten. Unaufhörlich stieg der Pegel und das Wasser suchte sich seinen Weg durch das Feld.
Erst war es nur eine schmale Spur, dann drängten die Tropfen weiter. Über kleine Spurrillen verteilten sie sich schnell. Sie erreichten den Wald und die Wurzeln der Bäume freuten sich über das Wasser. Sie sogen es auf.
Als sie voll waren, sickerte das Wasser hinab in die Erde. Es vermischte sich. Die Erde verwandelte sich in einen schleimigen Brei.
In der Tiefe stieß es auf weiße feste Strukturen. Sie gaben nicht nach. Die Erde hob sie hoch zur Oberfläche. Dort schwammen sie auf dem Brei, bis der Regen nachließ.
Als es dunkel wurde, kroch die Kälte aus der Tiefe. Sie festigte das Erdreich. Die weißen Strukturen blieben sichtbar an der Oberfläche liegen.
„Wieso kann es nicht aufhören mit regnen?“, schimpfte William Herle. Der Kriminalhauptkommissar brummte vor sich hin und stapfte durch den Matsch. Ein Jogger hatte ein Skelett gefunden. Der Regen musste es frei gelegt haben. Der Anruf hatte ihn aus dem warmen Büro gejagt.
Das Feld lag außerhalb der Stadt. Ein kleiner Pfad für die schnellen Läufer führte direkt daran vorbei. Der Hauptweg folgte dem Rand des blauen Waldes. Nach dem Wildbach teilte er sich, einer führte hoch zur Ruine Wildberg, der andere am Waldrand entlang.
Helle Lichter zeigten ihnen den Weg. William gefiel der Herbst, aber der Regen störte ihn. Florian, sein Partner, schien es nicht zu stören. Der schwarze Hüne stapfte unbeirrt durch den Matsch.
William grüßte die Beamten der Spurensicherung. Richard tauchte auf. Er war in dem blauen Zelt, das zum Schutz über den Fund gestellt worden war. Der Regen hatte schon alle Spuren verwischt. Sie nickten sich zu. William streckte seinen Kopf in das Zelt. Klaus saß über das Skelett gebeugt. Der Rechtsmediziner drehte sich nicht um.
„Hallo, Will“, ertönte seine Stimme.
„Wie sieht es aus?“, fragte William und schaute nachdenklich auf das halb freigelegte Skelett. Der bleiche Totenschädel schien ihn zu verhöhnen.
„Ich habe noch nicht alle Spuren ausgewertet. Ich vermute, dass der Todeszeitpunkt zwei Jahre her ist. Weiß, weiblich, etwa 20 bis 25 Jahre alt.“
„2 Jahre? Bist du dir ganz sicher?“
„Ja, William.“
Die Männer dachten an dasselbe Mädchen. Tina wurde von ihren Eltern vermisst. Vor zwei Jahren war sie abends auf einer Party. Nachts wollte sie mit dem Fahrrad nach Hause fahren, sagten alle. Angekommen war sie nicht. Niemand hatte sie wieder gesehen.
William war fast verzweifelt. Er stand ohne Hinweise da. Bevor nicht die Leiche gefunden wurde, war nicht klar, ob sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen war.
Die Mutter glaubte fest, dass ihre Tochter noch lebte. Niemand wagte es, sie vom Gegenteil überzeugen. Nach einem halben Jahr stellte man die Ermittlungen ein. Es gab keine Beweise für ein Verbrechen.
William ließ das Bild von Tina auf seinem Schreibtisch stehen. Das Lächeln des blonden Mädchens war ihm ins Gedächtnis gebrannt. Seine Tochter war fast gleich alt.
Ohne Hinweise war er machtlos. Es gab keine Aufzeichnungen von Kameras. Es fehlten kaum Dinge in ihrem Zimmer. William glaubte nicht an ihr Verschwinden. Er legte sich verschiedene Theorien zurecht. Ein Unfall mit Fahrerflucht, um ihn zu vertuschen. Sie hatte sich selbst verletzt. Doch dann hätte man sie finden müssen. Möglich wäre eine Entführung. Aber niemand hatte Geld verlangt.
Er dachte an eine vierte Theorie. Jemand hatte das Mädchen ermordet und vergraben.
„Du wirst es herausfinden“, meinte Klaus aufmunternd. William nickte nur. Erstmal blieb ihm nur, einer Mutter schonend beibringen, dass ihr Kind tot aufgefunden wurde. Doch wie stellte man so etwas an?