Читать книгу Der auferstandene Jesus als erzählte Figur im Matthäus- und Lukasevangelium - Anna Cornelius - Страница 30

2.3.1.2.1 Allgemeines zur Figurenanalyse in biblischen Erzählungen

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Bar-Efrat1 unterscheidet bei der Analyse biblischer Figuren grundsätzlich zwischen einer direkten und einer indirekten Darstellung und Formung von Figuren.2 Zur direkten Charakterisierung gehören seiner Ansicht nach sowohl Aussagen des Erzählers über die äußere Erscheinung3 einer Figur, wie auch die Schilderung ihrer inneren Persönlichkeit.4 Im Bereich der indirekten Darstellung von Figuren untersucht Bar-Efrat zum einen die Rede der Figuren, die Aufschluss über den Standpunkt, die Ansichten und die Gefühle einer Figur gibt.5 Zum anderen widmet er sich ihren Handlungen sowie der Darstellung von Nebenfiguren.6

Powell7 stellt folgende Definition von Figuren in (biblischen) Erzählungen auf: „Characters are constructs of the implied author, created to fullfill a particular role in the story.“8 Bei der Analyse von Figuren schließt sich Powell zum einen der Unterscheidung in telling und showing an.9 Zum anderen spielt seines Erachtens der jeweils zugeschriebene Point of View einer Figur für deren Verständnis eine wichtige Rolle.10 Außerdem spricht Powell im Rückgriff auf Chatman von bestimmten „Character Traits“11, die einer Figur zugeschrieben werden. Dabei können solche Eigenschaften entweder direkt vom Erzähler genannt werden, oder aber sie ergeben sich indirekt aus den Handlungen und Ansichten einer Figur.12 Auf Grundlage der einer Figur zugewiesenen Charaktereigenschaften entscheidet sich demnach, ob eine Figur nach Forsters Definition flach oder rund ist.13 Außerdem greift Powell die von Abrams14 gemachte Definition eines „stock characters” für Figuren mit nur einer Eigenschaft auf. Zuletzt geht Powell auf die Frage ein, wie beim Leser im Hinblick auf eine bestimmte Figur Empathie, Sympathie oder auch Antipathie entsteht. Er kommt zu der Schlussfolgerung, dass Empathie durch eine Ähnlichkeit der Figur zum Leser hervorgerufen wird.15 Sympathie entsteht seiner Ansicht nach, wenn sich der Leser von einer Figur positiv angesprochen fühlt, auch wenn keinerlei Ähnlichkeit der Figur zum Leser vorhanden ist.16 Antipathie beschreibt Powell hingegen als „feelings of alienation from or disdain for particular characters“17.

In ihrer narratologischen Untersuchung des Alten Testaments widmen sich Gunn und Fewell18 auch der Charakterisierung von biblischen Figuren. Hierbei unterscheiden sie zunächst grundlegend zwei Bereiche: Den Bereich des Erzählers und den Bereich der Charaktere.19 Zum Bereich des Erzählers, der den Lesern etwas über die Figur mitteilt, zählt zum einen die Frage nach seiner Verlässlichkeit, d.h. wie die Informationen, die er den Lesern über eine bestimmte Figur zukommen lässt, zu bewerten sind. Dazu zählt die Frage, was der Erzähler über eine Figur erzählt und die Art und Weise, wie er dies tut.20 Darüber hinaus zählen Gunn und Fewell zum Bereich des Erzählers die Beschreibung von Figuren.21 Als drittes schreiben sie dem Erzähler die Beurteilung und Bewertung von Figuren zu.22 Hierbei machen sie deutlich, dass der Erzähler durch bestimmte Kommentare die Vorstellung der Leser über bestimmte Figuren gezielt prägen kann.23 Im Gegensatz zum Bereich des Erzählers, der sich in irgendeiner Art und Weise über die Figuren äußert, geht es im Bereich der Charaktere nach Gunn und Fewell letztlich um Folgendes: „Alternatively, the narrator will step aside and allow the characters to speak for themselves. For, of course, what characters say and how they say it may tell us much about the kind of people they are.“24 Demnach zählen zum Bereich der Charaktere ihre Rede, ihr Kontext und ihr Kontrast zu anderen Figuren.25 Auch ist die Verlässlichkeit ihrer Aussagen und Urteile über andere Figuren zu prüfen.26 Als letztes schreiben Gunn und Fewell dem Bereich der Charaktere die Fragen nach einer möglichen Widersprüchlichkeit der Figuren, ihres Standpunktes (im Vergleich zum Standpunkt des Erzählers) und möglicher Ironie zu.27

Zuletzt greifen Gunn und Fewell Forsters Unterscheidung in flache und runde Charaktere auf, wobei sie jedoch deutlich machen, dass ein und dieselbe Figur in unterschiedlichen Szenen einmal flach und einmal rund dargestellt werden kann.28

Marguerat und Bourqin29 widmen sich u.a. auch ausführlich der Analyse von Charakteren. Dabei verwenden sie Forsters Unterteilung in flache und runde Charaktere sowie das von Greimas entwickelte Aktantenmodell.30 Zusätzlich stellen sie heraus, dass ein typisches Merkmal biblischer Figuren ihre fehlende Autonomie ist, da sich die Figuren immer in einer Beziehung zu Gott oder Jesus befinden und niemals nur für sich existieren.31Auch untersuchen Marguerat und Bourqin, inwiefern der Leser sich mit bestimmten Figuren identifiziert, bzw. wodurch eine Wirkung wie Sympathie, Empathie oder Antipathie für die Figur entsteht. Dabei kommen sie zu folgender Schlussfolgerung: „The rule is simple: the more the characters resemble real beings, i.e. the more their life coincides with that of the reader (whether real or imaginary), the more attractive these characters will be to the reader.”32 Dem Erzähler kommt dabei eine bedeutende Position zu, da er durch seine gezielt gewählte Erzählstrategie die Wirkung des Lesers auf bestimmte Figuren beeinflusst.33 Zu dieser gezielten Beeinflussung der Leser gehört auch die Position, die der Erzähler seinen Lesern in Bezug auf bestimmte Figuren zuweist. Zentral ist hierbei die Frage, ob die Leser mehr, weniger oder genauso viel wissen wie die Figur.34 Die Rolle des Erzählers und sein Verhältnis zur Figur sind dabei genauso bedeutsam. Entweder beschreibt er das Innenleben einer Figur, ihre Gedanken und Träume, erzählt also aus einer großen Nähe zur Figur; oder er schildert die Figur „von weitem“ aus einer gewissen Distanz heraus.35 Als weiteres Analysekriterium für die Untersuchung von Figuren nennen Marguerat und Bourqin die grundlegende Unterscheidung zwischen telling und showing. Dabei beinhaltet das telling alle direkten Aussagen, die vom Erzähler über die Figur gemacht werden. Das showing bezeichnet dagegen das Handeln und Sprechen der Figur selbst.36 Marquerat und Bourqin entwickeln somit ein Analysemodell, das Aspekte von Forster und Greimas sowie die grundlegende Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Charakterisierung miteinbezieht.

In der letzten Zeit hat v.a. Finnern37 einen Versuch unternommen, eine generell anwendbare Methodik für die Analyse biblischer Figuren auszuarbeiten. Dabei orientiert er sich stark an dem von Eder entwickelten Konzept zur Figurenanalyse im Film.38 Finnern gliedert eine Figurenanalyse in sechs verschiedene Methodenschritte. 1. Figurenbestand und Figurenkonfiguration: Hier werden zunächst die in einer bestimmten Szene vorkommenden Figuren39 die oftmals eine Auswahl aus dem Gesamtbestand aller Figuren darstellen, aufgelistet.40 2. Figurenmerkmale: Hierunter fallen die folgenden zwölf Kriterien Identität, Charakterzüge, Meinungen, Erleben, Gefühle, Verhaltensweisen, äußere Attribute, sozialer Kontext, Wissen, Pflichten, Wünsche und Intentionen der Figur.41 Auch wird nach ihrer Wirkung auf den Rezipienten gefragt. 3. Figurenkonstellation: In dieser Analysekategorie steht die Figur und ihre Beziehungen zu anderen Figuren, die auch grafisch veranschaulicht werden können, im Fokus.42 4. Figur und Handlung: An dieser Stelle wird nach der Bedeutung und Funktion der Figur innerhalb der Handlung gefragt.43 5. Figurendarstellung: In dieser Kategorie wird die Art und Weise der Charakterisierung einer Figur genauer beleuchtet. So kann sie direkt oder indirekt erfolgen, auktorial oder figural, über den Text verteilt oder in Blöcken.44 6. Figurenkonzeption: In diesem die Figurenanalyse abschließenden Punkt findet eine Gesamtbeurteilung der Figur statt. Es geht dabei um die Frage, ob die Figur letztlich statisch oder dynamisch, knapp oder detailliert, eindimensional oder mehrdimensional, typisch oder untypisch, geschlossen oder offen, realistisch oder unrealistisch, kohärent oder inkohärent ist.45

Der auferstandene Jesus als erzählte Figur im Matthäus- und Lukasevangelium

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