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Kapitel 8

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Eine Stunde später saßen wir hinter dem Cottage der Bernhardts, die sich gemeinsam mit mir zum technischen Beratungsteam ernannt hatten. Das bedeutete in erster Linie, dass wir den Haushalt der beiden Schwestern auf alles hin durchforsteten, das Aris für die Arbeit am Sender verwenden konnte. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass nahezu das ganze Arsenal klassischer Werkzeuge dafür unbrauchbar war. Am Ende hockte Aris auf dem Boden über dem umgedrehten Skriff, bewaffnet mit einem Schaschlikspieß, einem Buttermesser und einem Eierlöffel aus Perlmutt, der angeblich aus Sankt Petersburg stammte. Wir sahen ihm fasziniert zu. Als Erstes klopfte er fest auf die Spitze des Bretts, was wieder ein goldenes Pulsieren unter der schimmernden weißen Oberfläche auslöste. Plötzlich klaffte in dem Material eine schmale Öffnung mit harten Kanten, wie eine Muschel, die sich geöffnet hatte. Darin konnte man so etwas wie einen leuchtenden Knopf erkennen.

»Druck von außen löst den automatischen Peilsender aus«, erklärte Aris. »Aber das ist eine offene Notfrequenz, die könnte jeder empfangen.« Er sah auf und fügte hinzu: »Also, jeder von uns. Genau das will ich nicht.«

Hildy, Helen und ich nickten verständig und dachten vermutlich alle dasselbe: Wen genau meint er mit »uns«? Aber keine fragte nach. Dazu waren wir zu beeindruckt von der seltsamen Technik, die sich da vor uns zeigte.

Na, reicht das, um weiterzumachen?, fragte ich meine innere Stimme herausfordernd. Sie antwortete nicht. Für mich war es jedenfalls genug. Das Brett, seine völlig fremdartige Technologie und Aris’ Vertrautheit damit, all das deutete auf ein unvorstellbares Geheimnis hin – dabei hatte ich haufenweise Fantasie und konnte mir eigentlich eine Menge vorstellen. Aber hier stieß ich an meine Grenzen. Konnte ein militärisches Geheimprojekt dahinterstecken? Allerdings wirkte Aris nicht gerade wie ein Soldat oder Spion. Okay, dann waren seine Eltern vielleicht Wissenschaftler und … Ich seufzte innerlich. Wie gut hätte ich jetzt Lisa und ihre wilden Theorien brauchen können!

Mittlerweile hatte Aris die Öffnung dank des Buttermessers gewaltsam erweitert und stocherte mit dem Perlmuttlöffel darin herum. Eine kurze Drehung, ein kräftiger Ruck – schon hielt er etwas in der Hand, das mich an das Innere einer Miesmuschel erinnerte. Allerdings war dieses spezielle Muschelfleisch kinderfaustgroß, transparent wie Glas und mit feinen goldenen Adern durchsetzt. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich das jetzt wunderschön oder einfach eklig fand.

Aris jedenfalls war begeistert. »Der Sender! Das hat schon einmal geklappt. Jetzt muss ich nur noch die Frequenz ändern, und dann –«

Er sprang auf und rannte hinein, um seine Arbeit am Küchentisch fortzusetzen. Hildy, Helen und ich lächelten uns verschwörerisch zu. Natürlich würden wir weiter mithelfen – wer weiß, was wir dabei noch herausfinden konnten … Aber erst einmal war das technische Beratungsteam vollauf damit beschäftigt, Gegenstände mit immer feineren Spitzen heranzuschaffen, weil der Schaschlikspieß sich als zu grob erwies. Am Ende des Nachmittags lagen vier Rouladenpiker, einige Haarnadeln und Hildys zerfleddertes Nähset auf dem Tisch. Mehrere Nadeln waren zerbrochen, mir taten allein vom Zuschauen die Finger weh, aber es war geschafft: Der Sender würde jetzt auf Knopfdruck nur eine ganz bestimmte Frequenz bedienen.

Ich sah Aris erwartungsvoll an. »Und? Willst du ihn nicht benutzen?«

»Er muss ins Meerwasser«, erklärte er und rieb sich die Augen. »Nur dann funktioniert er.«

»Aber erst einmal gibt es einen anständigen Tee, Kinder!« Helen rief uns nach draußen an den Gartentisch und gegen ihren resoluten Ton war Widerstand zwecklos. Ich merkte zwar, dass Aris die Verzögerung kaum ertrug, aber er bedankte sich höflich für das Angebot und ging brav mit mir hinaus.

Die Bernhardts hatten einen Berg Sandwiches und Kekse auf dem kleinen weiß lackierten Eisentisch aufgebaut, der, umgeben von hohen Wildrosenbüschen, in einer Ecke des Gartens stand. Wir setzten uns und bekamen außer gut gefüllten Tellern auch jeder noch einen der hübsch-hässlichen Riesenbecher mit dampfendem Tee serviert. Für mich gab es wieder den Arielle-Becher, der für Aris zeigte ein pummeliges Einhorn in Regenbogenfarben. Entzückend. Er riss sich bewundernswert zusammen und machte nicht die kleinste Andeutung über »seltsames Essen«. Und da man für Sandwiches kein Besteck braucht, lief alles problemlos. Auch lobte er ausdrücklich den stark gesüßten Earl Grey – das Getränk schien das einzig Vertraute für ihn hier zu sein. Ich überlegte: War seine Heimat vielleicht Teil des alten britischen Imperiums? Das grenzte es allerdings auch nicht wirklich ein. Indien, Australien … alles so absurd weit weg. Ich zermarterte mir das Gehirn, welche afrikanischen Länder dazugehört hatten.

Genau, weil man ja nirgendwo auf der Welt Tee trinkt außer im ehemaligen Commonwealth, Miss Superhirn!, ertönte es spöttisch in mir. Schon mal was von Russland gehört? Oder China?

Mit einem inneren Seufzer gab ich das Detektivspielen für den Moment auf. Ohnehin war Aris’ hoffnungsvolle Fröhlichkeit einfach zu ansteckend.

Also saßen wir vier einfach in der warmen Sonne und ließen uns die Brote schmecken, umweht von Rosenduft und einer salzigen Meeresbrise. Die Bernhardts plauderten aufgeräumt mit uns über Gott und die Welt und gaben ein paar Anekdoten aus ihrem bewegten Leben zum Besten, wie früher in Kindertagen, wenn Lisa und ich andächtig ihren Geschichten gelauscht hatten. Wieder war ich wahnsinnig beeindruckt von dem, was sie alles erlebt und gesehen hatten – vielleicht auch ein kleines bisschen neidisch. Schließlich war ich, abgesehen von Berlin und Cornwall, noch nicht viel herumgekommen. Aris war ähnlich hingerissen. Er hörte gespannt zu, wagte manchmal eine erstaunte Nachfrage und wirkte insgesamt so gelöst wie noch nie seit seiner unfreiwilligen Ankunft.

Auch Snowflake war kein Problem mehr. Zwar hatte Aris weiterhin Respekt vor ihm, ließ aber zu, dass das halb verhungerte Tier – ha! – den Kopf auf seinen Oberschenkel legte und sich mit treuem Blick ein Sandwich erbettelte. Ausgerechnet mit Gurke, aber der zottige Gierschlund fraß ja eh alles. Er ließ keinen Krümel übrig und entschied danach, dass der großzügige Spender die Beförderung vom Kauknochen zum besten Kumpel verdient hatte.

»Das war großartig. Ich danke Ihnen beiden sehr, aber jetzt drängt die Zeit.« Mit diesen Worten erhob Aris sich schließlich und verbeugte sich leicht in Richtung seiner Gastgeberinnen, die es kichernd zur Kenntnis nahmen.

Es war bereits ausgemachte Sache, dass der Sender am äußersten Felsen der King’s Steps befestigt werden würde. Jetzt herrschte Ebbe und alle Steine waren gut erreichbar. Auch ich stand auf. Natürlich würde ich mit hinunter zum Meer gehen.

Aris schnappte sich den zauberhaft-ekligen Muschelsender, den Hildy formlos in eine Tesco-Plastiktüte gestopft hatte, und wir machten uns auf den Weg. Die Bernhardts blieben mit einem auf weitere Brote hoffenden Snowflake am Gartentor zurück und winkten uns nach. »Viel Glück, Kinder!«

Ich musste lächeln. Auf einmal kam ich mir wieder vor wie das kleine Mädchen, das den ganzen Tag mit seinen Freunden Schätze am Meer gesucht hatte, auf eine Limo bei den lieben Omis eingekehrt war und jetzt zu neuen Abenteuern aufbrach.


Es dämmerte bereits, als wir zügig den sandigen Pfad in Richtung Bucht entlangmarschierten. Aris’ Gedanken waren trotz seiner Eile noch beim Cottage.

»Diese Damen sind fantastische Menschen«, murmelte er. »Sie sind einfühlsam, mutig, klug … und witzig.« Er warf mir einen raschen, scheuen Blick zu. »Wie du.«

Wow, hatte er mir gerade ein Kompliment gemacht? Ich versuchte, locker zu bleiben, und lachte: »Na ja, ich bin allerdings noch nicht durch den Ärmelkanal geschwommen.«

»Den …?«

»Das Meer zwischen England und Frankreich.«

»So etwas haben sie getan?« Er war angemessen beeindruckt. Dann wurde er wieder nachdenklich. »Ich hätte nicht gedacht, dass es hier solche Menschen gibt.«

»Hier?«

»Hier.« Er zeigte unbestimmt in die Umgebung.

Ich dachte mir, dass er wohl ganz Großbritannien oder vielleicht Europa meinte.

»Die gibt es überall«, versicherte ich ihm und erinnerte mich daran, dass er laut seiner eigenen Worte noch nicht viel von der Welt gesehen hatte. »Meine Mutter war schon sonstwo. Als Chirurgin für Ärzte ohne Grenzen, du weißt schon. Und obwohl sie eigentlich immer in Krisengebieten unterwegs ist, müsstest du mal hören, was sie von den Leuten dort erzählt. Auch krasse Sachen, klar. Aber hauptsächlich Positives. Gastfreundlichkeit, Hilfsbereitschaft … all so was.« Ich merkte plötzlich, dass ich sie ganz schön vermisste.

Aris hatte aufmerksam zugehört. »Sie lässt dich oft allein?«

»Nein, nein, so richtig im Einsatz ist sie immer nur drei, vier Wochen pro Jahr. Sie kommt in ein paar Tagen her, gerade ist sie noch in Afghanistan.«

Das Land sagte ihm nichts. Ich schob ein paar Erklärungen ein. Nicht sehr gute offenbar, denn was ihn am meisten beeindruckte, war die Entfernung. »So weit weg ist deine Mutter? Sie muss großes Vertrauen in dich haben.«

»Hm, vermutlich«, antwortete ich. »Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Aber ich werde ja nächstes Jahr auch schon 18.« Ich lachte. »Dann bin ich volljährig und kann eh machen, was ich will.«

»Aber einen Ehemann hast du noch nicht? Oder … bist du jemandem versprochen?« Er sah mich von der Seite an.

»Was? Quatsch, nein!« Ich schüttelte heftig den Kopf. Hallo, sollte das ein Witz sein? »Das wäre mir jetzt echt ein bisschen zu früh. Außerdem, äh, gibt es da gerade keinen, der infrage käme.« Moment mal. Mir kam ein anderer Gedanke: Wollte er etwa geschickt herausfinden, ob ich einen Freund hatte?

Aris grinste nur. »Vielleicht hat deine Mutter schon jemanden für dich in Aussicht. In so etwas sind Mütter gut.«

»Na, der würde ich was erzählen!« Kichernd riss ich ein paar hellgelbe Blüten von einem verkrüppelten Ginsterbusch und warf sie in seine Richtung. »Und was ist mit dir? Bist du etwa schon jemandem ›versprochen‹?« Extrem peinlich: Aber ich hielt geradezu den Atem an, als er antwortete.

»Nicht, dass ich wüsste«, erwiderte er unbekümmert. »Ich bin ja nur der dritte Sohn, da ist das nicht ganz so … Ich meine, jetzt bin ich der zweite.« Kurz flogen Kummer und Ernüchterung über sein Gesicht. Aber schon schob er den Gedanken beiseite und lächelte wieder. »Na ja, das ist jedenfalls nur eine Frage der Zeit.«

»Wie, suchen deine Eltern echt die Frau für dich aus?«, fragte ich ungläubig. Ella, leg nicht immer deine eigenen Maßstäbe an andere Kulturen an, hörte ich meine Mutter sagen. Trotzdem konnte ich mich nicht zurückhalten. »Das ist aber ganz schön … traditionell!« Im letzten Moment schaffte ich es, ein härteres Wort zu vermeiden.

Aris nickte. »Wir sind eine traditionelle Gesellschaft.«

Vorsichtig hakte ich nach: »Und … das ist okay für dich?«

»Gehört eben dazu.« Er zuckte mit den Achseln.

»Aber was ist, wenn du dich verliebst?«, fragte ich kritisch.

Er musste nicht lange überlegen. »Das ist natürlich von Vorteil. So war es bei meinen Eltern. Damit hat damals wohl niemand gerechnet, aber sie sind ein echtes Paar geworden.«

Ich verdrehte die Augen. »Ich meine, wenn du dich in eine andere verliebst als in deine Zukünftige. Oder wenn sie jemand anderen hat.«

Er hob nochmals die Schultern. »Dann gibt es wohl Tränen am Hochzeitstag.«

»Bist du entspannt!«, kommentierte ich und fügte scherzhaft hinzu: »Na, musst du dich eben vor deiner Heirat noch ordentlich austoben.«

»Mache ich ja auch.« Er warf mir einen frechen Blick zu. »Alles – außer das, was du gerade denkst.«

Erwischt.

Ich merkte, wie ich rot wurde, und schoss zurück: »Äh, und warum, wenn ich fragen darf? Ist das was Religiöses?«

»Nein, etwas Politisches«, antwortete er sachlich. »Aus Liebe wird schnell ein Kind. Es gibt Parteien bei uns, die einen Bastard meiner Familie zu gern für ihre Zwecke einsetzen würden. Ganz sicher verhindern lässt sich das eben nur auf einem Weg.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ich habe meinen Eltern ja schon so einiges zugemutet. Aber das tue ich ihnen nicht an.«

»Echt nicht?« Ich musste einfach fragen. »Ich meine, du hast noch nie …?« Kopfschütteln. »Nicht mal geknutscht?«

»Doch, geknutscht schon«, gab er zu. »Zweimal. Sag’s aber nicht meiner Mutter. Die macht mich zu Krakenfutter.«

»Versprochen«, versicherte ich.

Oh Mann … Wie genau war denn das jetzt passiert – dass ich mit einem Wildfremden allerpersönlichste Themen besprach? Und dann auch noch mit diesem Wildfremden dieses Thema?

Er hätte ja nicht antworten müssen, beruhigte ich mich.

Hat er aber, sagte meine innere Stimme und schickte eine knallharte Analyse hinterher: Das bedeutet entweder, dass er dir einfach vertraut – oder dass du bei dem Thema eh draußen bist.

Na toll, danke.

Sehr wahrscheinlich Letzteres.

Hey!!!

Bevor ich meiner inneren Stimme an die Gurgel gehen konnte, hatten wir glücklicherweise die King’s Steps erreicht. Die Felsenreihe ragte vollständig aus dem ruhigen Wasser heraus und zog sich als steinerner Pfad gute dreißig Meter ins Meer hinein – dorthin, wo es selbst bei Ebbe schon richtig tief wurde. Angeblich hatten Schmuggler sie früher benutzt, um ihre verbotenen Waren an Land zu bringen, ohne die Boote bis zum Strand rudern zu müssen. Jedenfalls erzählte Kenneth die Story gern Touristen, die eine seiner Ausflugstouren buchten. Das kam noch besser an als die Version mit König Artus.

Als wir klein waren, hatte man uns strengstens verboten, dort zu spielen. Zwischen den Felsen entstanden nämlich gefährliche Wirbel, die einen unerfahrenen Schwimmer unter Wasser ziehen konnten. Wir hatten es natürlich trotzdem getan. Ohne Schutzengel läuft eh nichts bei Kindern, hatte meine Mutter geseufzt, nachdem sie uns wieder einmal erwischt hatte.

Und später muss man eben allein klarkommen, dachte ich, als ich vor Aris den ersten der flachen Felsen betrat. Die Oberfläche war vom Wasser glatt geschliffen und mit Algen bewachsen. Man musste also ein wenig aufpassen, wie man seine Schritte setzte – aber ansonsten war es ein Kinderspiel, von Felsen zu Felsen zu schreiten, ob man nun König war oder Schmuggler.

Aris blieb dicht hinter mir. Vor dem letzten Felsen ließ ich ihn vorbei, damit er den Sender dort unterhalb der Wasserlinie anbringen konnte. Es wurde auch langsam Zeit, denn die Sonne neigte sich bereits dem Horizont entgegen.

Aris legte sich an der Felskante auf den Bauch. Ich reichte ihm die Plastiktüte und beobachtete, wie er den Sender im klaren Meerwasser an den Stein unter ihm presste. Das Gerät – oder war es in Wirklichkeit ein Lebewesen? – blieb haften und begann, mit einem sanften Licht zu pulsieren. Aris erhob sich auf die Knie und sah mit undurchdringlicher Miene aufs Meer hinaus. Die untergehende Sonne verlieh seiner hellen Haut einen goldenen Schimmer, seine schwarzen Haare wirkten dagegen noch dunkler als sonst. Unter ihrem Ansatz im Nacken schaute ein Stück der sternförmigen Male aus dem Hemdkragen heraus.

Trotz der vertrauten Kleidung von Kenneth wirkte Aris für mich in diesem Moment wie ein Alien im wahrsten Sinne des Wortes – wie ein Fremdling. Ich hatte plötzlich das unerklärliche Gefühl, dass er nicht aus dieser Welt stammte. Und obwohl es so ein warmer, milder Abend war, fröstelte es mich kurz. Dann aber drehte er sich um, lächelte zu mir hoch – und ich erkannte ihn wieder.

Vorsichtig richtete er sich auf. Ich prustete los. Er blickte an sich hinunter und musste ebenfalls lachen: Sein Hemd war vollkommen beschmiert mit dunkelgrünen, schleimigen Algen.

»Das kannst du mal gleich waschen, mein Freund«, kicherte ich und wies mit großer Geste auf das abenddunkle Meer. »So kommst du den Bernhardts nicht ins Haus!«

»Aber natürlich.« Sprach’s, und bevor ich ihn aufhalten konnte, hatte er das Hemd über den Kopf gezogen und ging an mir vorbei, um einen der tiefer gelegenen Felsen als Waschplatz auszuwählen.

Okay … den Oberkörper kann man wirklich vorzeigen, kommentierte meine innere Stimme bewundernd.

Ich musste ihr recht geben. Fest, muskulös und echt gut proportioniert, aber keiner von diesen unnatürlich perfekten Hollywood-Bodys. Und wie ihm die etwas zu weite Jeans locker auf den schlanken Hüften saß … So eine Figur bekam man definitiv nicht, wenn man nur für den Spiegel trainierte. Dafür musste man wahrscheinlich von morgens bis abends … ja, was eigentlich? Ich hatte schließlich keine Ahnung von einem typischen Tag im Leben des Aris Unbekannt. Schwimmen vielleicht? Könnte schon hinkommen – bei diesen Armen und Schultern …

Hallo! Jetzt komm wieder klar, Mädchen! Sonst nutzt er gleich seine wunderbar starken Arme, um echt dieses blöde Hemd zu waschen!

Ich verpasste mir rasch eine innere kalte Dusche, sprang hinter ihm her und rief: »Hey, warte mal! Das war doch nur ein Scherz!«

Er drehte sich um – und blieb so abrupt stehen, dass ich gegen ihn prallte. Für einen Moment nahm ich den Duft seiner warmen Haut wahr.

Oh wow …

Zentrale? Noch einen Eimer Wasser, bitte!

Ich trat fix einen Schritt zurück und atmete kurz durch.

»Ein Scherz?« Gut gelaunt drohte Aris mir mit dem verschmierten Hemd. »Na, dann kannst du das ja übernehmen, Frau!«

Offenbar hatte er kein bisschen mitgekriegt, wie sehr mich sein kleiner Halb-Striptease aus dem Konzept gebracht hatte. Und es schien ihn auch nicht weiter zu beeindrucken, dass ihm gerade ein, sagen wir mal, nicht ganz unansehnliches Mädchen gegen die nackte Brust geknallt war.

Hey, vielleicht steht er ja auf Jungs!, schlug meine innere Stimme hilfreich vor.

Vielleicht hältst du jetzt einfach mal die Klappe!, knurrte ich im Stillen zurück.

Na gut. So lässig wie er war ich schon lange. »Vergiss es! Du hast es eingesaut, du wäschst es auch!« Ich stemmte die Hände in die Hüften.

Aris nahm ebenfalls eine herausfordernde Pose ein. »Wir kämpfen es aus, wie wär’s?«

»Da verlierst du«, erwiderte ich großspurig. »Ich hab mit Kenneth trainiert, du hättest keine Chance!«

»So?« In seinen grünen Augen blitzte es amüsiert auf. »Das werden wir ja sehen.«

Er griff nach mir, aber ich wich aus und stellte ihm ein Bein. Ich wollte ihn nicht wirklich ins Wasser schubsen, nur ein bisschen aus dem Gleichgewicht bringen. Aber wie das so ist mit undurchdachten Plänen und rutschigen Felsen: Sie sind keine gute Basis.

Und so brachte ich den überraschten Aris tatsächlich ins Wanken. Er suchte einen Halt, fand meinen Arm – und im nächsten Moment landeten wir beide im Meer. Nach Luft schnappend tauchte ich wieder auf, zwei Meter neben mir Aris.

»Große Göttin, ist das kalt!«, prustete er. »Das hatte ich ganz vergessen!«

Ich packte das neben mir treibende Hemd und wollte es rachsüchtig in seine Richtung schleudern. Doch ich erstarrte mitten in der Bewegung. Denn auf Aris’ Brust begann ein Netz feiner goldener Linien zu glühen.

Meeresglühen (Bd. 1)

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