Читать книгу Meeresglühen (Bd. 1) - Anna Fleck - Страница 17
Kapitel 10
ОглавлениеIm ersten Moment war ich so geschockt, dass ich nicht einmal schreien konnte. Entsetzt starrte ich auf das Meer. Doch bis auf ein paar Wellen und weiße Gischtblasen war nichts zu sehen, weder von Aris noch von dem Ding – Monster – oder was auch immer ihn erwischt hatte. Dann schrie ich. Ich schrie seinen Namen auf das Wasser hinaus. Aber ich bekam keine Antwort. Nur Snowflakes Gebell wehte vom Strand zu mir herüber.
Da tauchte in der Mitte der Bucht eine riesige, tiefschwarze Rückenflosse auf. Sie durchschnitt die Wasseroberfläche und verschwand wieder in den Fluten. Mir blieb die Luft weg.
Ein Orca.
Ein verdammter Killerwal war in meiner Bucht und hatte Aris ins Wasser gerissen! In mir brüllten die Gedanken durcheinander.
Wie ist das möglich?
Woher kommt das Vieh?
Aris ist tot. Das – das KANN er nicht überleben, oder?
In diesem Moment tauchte der Schwertwal wieder auf, noch weiter vom Land entfernt. Ich sah den Kopf mit der charakteristischen schwarz-weißen Zeichnung. Und ich sah Aris, der mit seinem Arm immer noch im Maul des Wals hing. In der nächsten Sekunde waren beide wieder verschwunden.
Oh Gott, dachte ich, dieses Monster schleppt ihn aufs Meer hinaus …!
Ich stand nur da wie gelähmt und starrte fassungslos auf die Wellen. Was blieb mir anderes übrig? Diesmal gab es wirklich nichts, das ich hätte tun können. Die schwarze Flosse erschien erneut. Mit unglaublicher Geschwindigkeit durchpflügte sie die Wellen.
Und sie hielt genau auf mich zu.
Ich blickte hinab und bemerkte, dass die ansteigende Flut schon den Stein überspülte, auf dem ich stand. Leichte Beute. Aber ich konnte mich nicht rühren. Verdammt, ich konnte nicht einmal atmen! Der Schwertwal kam näher, pfeilschnell, unaufhaltsam, ein perfekter Jäger.
Tu was, blöde Kuh!, schrie es in mir. Er hat dich gleich!
Nichts tat ich. Bei mir stand alles still, mein Körper totes Gewicht, Kopf und Herz in Schockstarre. Doch als das mächtige Tier meinen Felsen fast erreicht hatte, drehte es mit einem Mal scharf ab. Auf seinem Rücken, festgeklammert an der bestimmt zwei Meter hohen Flosse, erkannte ich Aris. Begeistert winkte er mir zu, während er auf dem schwarz-weißen Monstrum an mir vorbeizog.
Ich wäre in diesem Moment wirklich gern in Ohnmacht gefallen. Stattdessen bekam ich endlich wieder Luft. Und entschied, dass ich genug von dem Scheiß hatte.
»Aris!«, brüllte ich quer über die Bucht, mit einer Stimme, auf die jede Kindergärtnerin stolz gewesen wäre. »Komm sofort zurück!«
Keine Ahnung, ob er mich gehört hatte – aber der gigantische Schwertwal machte tatsächlich im nächsten Moment kehrt und schwamm wieder in meine Richtung. Je näher er kam, desto langsamer wurde er, bis er unmittelbar neben mir längs der King’s Steps trieb und kaum noch das Wasser kräuselte.
Das Tier war immens groß, bestimmt zehn Meter lang. Im klaren Wasser konnte ich deutlich seinen dunklen Körper erkennen. Wie zur Begrüßung hob es den gedrungenen Kopf mit dem länglichen weißen Fleck hinter dem Auge. Als es sein Maul öffnete, erblickte ich darin eine Reihe großer und sehr spitzer Zähne. Plötzlich fühlte es sich an, als ob statt Blut irgendeine eiskalte wässrige Flüssigkeit durch meine Adern floss. Der Rucksack fiel mir aus der Hand und landete mit einem dumpfen Klatschen auf dem nassen Felsen.
Aris richtete sich auf dem glatten schwarzen Rücken des Orcas auf. Er hielt sich an der Flosse fest, die seinen Kopf knapp überragte, und strahlte mich an. »Ella, sieh nur: Es hat geklappt!«
»Hast … hast du den jetzt gerade gezähmt, oder was?«, brachte ich mühsam heraus.
»Wie? Nein, nein.« Er schüttelte den Kopf. Glitzernde Wassertropfen flogen aus seinen Haaren in meine Richtung. »Das ist mein Jagdwal. Er heißt Sika.« Voller Zuneigung klopfte er gegen die Flosse, woraufhin das Vieh so etwas wie ein wohliges Quietschen von sich gab. »Er ist meinem Signal gefolgt und hat mich gefunden.«
»Der hätte dich fast umgebracht!«, rief ich ungläubig.
»Ach was«, lachte Aris. »Reiner Übermut. Er hat sich einfach gefreut, mich wiederzusehen.«
»Ja, Haustiere sind so verspielt. Kenne ich von … Snowflake …« Vielleicht sollte ich doch ohnmächtig werden? Und dann aufwachen und alles wäre wieder normal?
Keine Chance. Mir würden zwar gleich die Knie einknicken, aber mein Kopf war leider total klar.
Langsam schien bei Aris immerhin der Adrenalinrausch nachzulassen. Gewandt sprang er vom Rücken des Orcas auf den Felsen neben mich. Er legte mir die Hände auf die Schultern und sagte beruhigend: »Ella. Es ist alles in Ordnung.«
»Ist das etwa deine Mitfahrgelegenheit?«, fragte ich benommen. »Gehst … gehst du jetzt weg?«
Er runzelte die Stirn. »Was? Mit Sika? Aber nein. Wie sollte das denn funktionieren?«
»Stimmt, wie blöd von mir …«
»Er ist ja ohne Geschirr hier«, fuhr Aris fort, ohne auf meinen Einwand einzugehen. »Und ich habe keine Ausrüstung. Nicht einmal Koirò.«
»Koirò?«
»Ein Kriechgel«, erklärte er leichthin. »Man trägt es auf die Haut auf, zum Schutz und zur Isolierung im Wasser.«
»Das hattest du wohl bei deiner Flucht …?«, mutmaßte ich.
Er nickte, und ich dachte an Dr. Wilkes, dem Aris’ Zustand solche Rätsel aufgegeben hatte. Gegen die Sonne schützte es aber wohl nicht.
»Jedenfalls könnte ich keine so lange Strecke mit Sika überstehen. Das schaffen nur Statt…« Er unterbrach sich. »Aber er wird eine Nachricht von mir an Som überbringen.«
Den Namen hatte er schon einmal genannt. Und jetzt frage ich nach, entschied ich. Das schuldete er mir nach diesem Stunt. »Wer ist das?«
»Mein bester Freund. Streng genommen mein Diener. Aber ich bin praktisch in seiner Familie aufgewachsen.« Aris griff in die Hosentasche und holte eine kleine schwarze Filmdose heraus, die er wahrscheinlich von den Bernhardts bekommen hatte. »Som vertraue ich blind. Und er ist der Einzige, den Sika garantiert findet.« Er sprach weiter wie zu sich selbst: »Som schafft es bestimmt hierher, ohne dass es jemand anders bemerkt. Solange ich nicht weiß, wer zu den Verschwörern gehört, darf ich nichts riskieren.«
Sagte der, der sich gerade von einem Killerwal durchs Wasser hatte ziehen lassen … Da bemerkte ich, dass Blut an seinem Arm hinablief. »Du bist ja verletzt!«
Er blickte unbekümmert an sich hinunter. »Oh. Stimmt. Sika ist es nicht gewöhnt, dass ich keinen Anzug trage. Ist aber nicht tief.«
»Nicht tief, am Arsch«, murmelte ich und ignorierte seinen schockierten Blick wegen meines Kraftausdrucks.
Sorry, Freundchen, dachte ich bei mir, ich bin zwar gerade fast umgekippt, aber eine Prinzessin auf der Erbse hast du nun mal nicht gefunden! Rasch schnappte ich mir den Rucksack. Darin befand sich auch ein dünnes Geschirrhandtuch, in dem die Scones eingepackt gewesen waren. Das wickelte ich jetzt um Aris’ Unterarm, in den das Wassermonster ein paar saubere Löcher gestanzt hatte. Aris hielt musterhaft still und zuckte nicht einmal, als ich das Tuch mehr schlecht als recht festknotete. Das war entweder ziemlich gute Selbstbeherrschung oder immer noch das Adrenalin.
Dann sagte ich streng: »Und nachher wird das desinfiziert, klar?«
Er verbeugte sich leicht, die Hand ehrerbietig auf der Brust. »Wie Ihr befehlt.« Ein bisschen ernster fügte er hinzu: »Danke, Ella.«
Ich versuchte zurückzulächeln, aber es wurde nur eine Grimasse. Keine Ahnung, warum in Filmen solche Verarztungsszenen immer zu Romantik führen. Auf mich wirkten Blut und Schmerzen kein bisschen anregend. Ich hockte mich hin und spülte mir die Hände im kalten Meerwasser – auf der vom Schwertwal abgewandten Seite des Felsens, wohlgemerkt. Nur für den Fall, dass die auch solche Fress-Flashs bekamen wie Haie, wenn sie Blut rochen …
Aris öffnete die Filmdose und entnahm ihr eine kleine Rolle eng beschriebenes Papier. Ich konnte nur einen kurzen Blick darauf werfen, aber die Schriftzeichen waren mir vollkommen unbekannt.
Keilschrift meets Sütterlin, was weiß ich. Auch meine innere Stimme hatte nichts Hilfreiches beizutragen.
Aris kletterte zurück auf Sika. Jetzt bemerkte ich, dass man die Rückenflosse des mächtigen Tiers etwa eine Handbreit über dem Rücken mit einem Ring durchbohrt hatte, an dem eine schmale silberne Kapsel befestigt war. Aris öffnete sie und steckte die Nachricht hinein.
»Die Frequenz, auf die ich den Sender eingestellt habe, ist für meinen Jagdwal reserviert. Die überwacht normalerweise niemand sonst. Aber wenn ich sie Som mitteile, kann er das Signal gezielt anpeilen und findet hierher.«
»Wenn der Sender deinen Wal hergeführt hat, warum hast du dann –« Mit meiner Hand deutete ich das Meeresleuchten an.
»In Landnähe ist es schwer für Sika. Viele fremde Unterwassergeräusche. Ihr seid zu laut. So …« er imitierte meine Geste, »kann ich ihn zu mir rufen. Leider schaffe ich das nur auf kurze Distanz.«
Dann war dieser »Wasserzauber« wirklich nicht nur eine Lightshow, um fremde Mädchen zu beeindrucken – sondern eine Art Kommunikationsweg? Ich verbiss mir meine Fragen, machte aber große Augen, in der Hoffnung, ihn zu weiteren Erklärungen zu verführen.
Leider bemerkte Aris das nicht und fuhr fort: »Sika schafft den Weg nach Hause in einem halben Tag. Mein Freund könnte schon morgen hier sein.« Er war einen Moment still. Vielleicht dachte er an seine Heimat. Oder rechnete sich seine Chancen aus … Dann jedoch kam ihm ein anderer, vollkommen idiotischer Gedanke. »Ella?« Er nickte mit dem Kopf in Richtung des Wals. »Willst du es einmal ausprobieren?«
»Ich – auf dem … Nein.« Entschlossen schüttelte ich den Kopf. Ich erinnerte mich lebhaft an das YouTube-Video, in dem ein »zahmer« Killerwal seine Trainerin tötete. Die Frau hatte keine Chance gehabt, als das Vieh sie mit seinem Maul packte und einfach unter Wasser zog. Oder die Naturdoku-Clips, die zeigten, wie geschickt diese Raubtiere mithilfe von koordinierten Angriffen Robben von Eisschollen herunterholten, um sie dann in Stücke zu zerreißen. »Haie mit besserer PR« hatte Kenneth Orcas einmal genannt. Lisa hatte ihm natürlich heftig widersprochen und angefangen, von dem tollen Sozialverhalten der Biester und ihren Familienverbänden zu erzählen und dass ein Schwertwal in Gefangenschaft ja psychotisch werden muss und blabla, aber mir hatten die Videos gereicht.
»Auf keinen Fall. Niemals«, fügte ich also hinzu, falls etwas unklar geblieben war. »Außerdem sind meine Sachen gerade trocken. Das ist so selten, seit ich dich kenne.«
»Komm schon.« Aris streckte mir seine Hand entgegen und grinste mich spitzbübisch an. »Ich passe auf dich auf.«
»Du kannst ja nicht mal auf dich selbst aufpassen«, erwiderte ich lahm. Hey – warum hatte ich jetzt einen Schritt in seine Richtung gemacht?
Weil du weißt, dass du so eine Chance nur einmal im Leben bekommst. Und dass du ihm vertrauen kannst. Auch wenn du ihn noch keine drei Tage kennst.
Ich atmete tief durch. Okay. Auf deine Verantwortung.
Noch immer widerwillig nahm ich Aris’ Hand und setzte vorsichtig einen Fuß auf den Rücken des Schwertwals, der nahezu bewegungslos neben uns im Wasser trieb. Aris ließ sich vor der mächtigen Flosse nieder, lehnte sich an und zog mich zu sich.
»Wieso sitzen wir hier vorne?«, fragte ich flüsternd. Laut zu sprechen traute ich mich nicht.
»Mehr Platz. Und du bleibst vielleicht trocken.«
Ich sah sein verschmitztes Lächeln nicht, aber ich spürte es in meinem Rücken. Genau wie seine kräftige Brust und den flachen Bauch, die mir als Lehne dienten. Um möglichst viel eigenen Halt zu finden, drängte ich meine Beine dicht an seine, bemerkte dabei jedoch vor allem, wie muskulös sich diese unter dem nassen Jeansstoff anfühlten. Ehrlich gesagt, half mir das alles nicht wirklich, mich zu entspannen.
Als ich schließlich wagte, mich ein wenig umzusehen, verstand ich, dass Aris recht hatte mit seiner Platzanweisung. Zwar saß die Rückenflosse ziemlich genau in der Mitte des Orca-Körpers, aber der Vorderteil, wo wir uns befanden, war breiter und ragte aus dem Wasser – solange Sika nicht mit dem Kopf abtauchte. Ganz vorsichtig berührte ich mit den Händen die Haut des Tiers unter mir. Sie war kalt und vollkommen glatt, wie ein prall aufgepumpter Schwimmreifen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was ich tun sollte, wenn ich ins Rutschen kam.
»Ganz ruhig«, hörte ich Aris’ Stimme an meinem Ohr. »Ich halte dich fest.« Sein rechter, verletzter Arm schlang sich locker um meine Taille. Schmerzen bereitete ihm das wohl nicht – oder er konnte sich einfach gut zusammenreißen. Er schien ja ohnehin nicht gerade zum Jammern zu neigen. Nun klopfte er leicht mit der anderen Hand auf den Rücken seines Reittiers. »Sika.« Er fügte etwas in einer Sprache hinzu, die ich nicht verstand, der Orca aber offenbar schon.
Ich spürte, wie sich der gewaltige Körper unter mir in Bewegung setzte. Wieder hielt ich unwillkürlich den Atem an. Ruhig glitt der Schwertwal durch das Meer, mit so sanften Bewegungen, dass unser Sitzplatz tatsächlich einigermaßen über Wasser blieb. Die gleichmäßigen Schläge der Schwanzflosse setzten sich durch den massigen Leib fort, der sich unter uns hob und senkte. Ich hatte keine Ahnung, wie Aris dabei das Gleichgewicht bewahrte, aber es gelang ihm mühelos, und wie versprochen hielt er mich fest.
Sika zog in einem weiten Bogen am Strand vorbei, ließ die Felsen der Steilküste rechts liegen und steuerte dann auf das offene Meer hinaus. Um uns herum glitzerte das Wasser türkisfarben, dann saphirblau. Wann immer der Kopf des Schwertwals eine der flachen Wellen durchstieß, stob eine schneeweiße feine Gischtwolke empor und hüllte uns ein. Bei einem solchen Ritt trocken zu bleiben war natürlich unmöglich, aber das kümmerte mich mittlerweile überhaupt nicht mehr.
»Atmen«, flüsterte Aris hinter mir.
Seine Wange lag kurz an meiner. Es war, als ob ich plötzlich erwachte. Ich holte tief Luft – und schrie auf vor Begeisterung, so unglaublich war das alles, so wenig konnte ich glauben, was ich hier erlebte! Am allermeisten überraschte mich, wie sicher ich mich fühlte. In der Luft um mich herum zerstoben glitzernde Wassertropfen, ich war durchnässt bis auf die Haut und fand so gut wie keinen Halt auf dem tiefschwarzen Rücken unseres unwahrscheinlichen Reittiers. Das Festland hatten wir weit hinter uns gelassen, vor uns nur noch Himmel und Meer. Schwimmend hätte ich den Weg zurück nicht mehr geschafft. Aber ich hatte keine Angst. Mein Rücken ruhte an Aris’ Brust, dem einzig warmen Punkt weit und breit. Alles andere um mich herum war geradezu überwältigend kalt, klar und licht.
Schließlich kehrte der Orca zurück zu den King’s Steps. Die vorderen Steine waren bereits von der Flut überspült. Kenneths Hemd und der Rucksack trieben vermutlich irgendwo in der Bucht. Lisa würde mich umbringen. Aber so richtig erreichte mich der Gedanke gerade nicht. Mit vor Kälte und Anspannung verkrampften Beinen kletterte ich von Sikas Rücken. Der Felsen schien in sanften Wellenbewegungen unter mir zu schwanken. Egal, hielt ich mich eben noch ein bisschen an Aris fest. Das kannte er ja jetzt schon. Ich sah ihn an. Im Gegenlicht der Sonne ließ sich sein Gesicht nur schwer erkennen, aber er schien so glücklich, wie ich mich fühlte. Schließlich fand ich mein Gleichgewicht und ließ ihn widerwillig los.
Aris wandte sich Sika zu. Fest legte er die Hand auf die gewölbte Stirn des Tieres und begann erneut, in seiner eigenen Sprache zu sprechen. Langsam und deutlich formte er die Laute, und ich glaubte, einige Male das Wort »Som« zu hören. Schließlich richtete er sich wieder auf. Wie zur Antwort schüttelte der Orca mehrmals seinen mächtigen Schädel und stieß ein lang gezogenes, hohes Heulen aus. In einer flüssigen Bewegung tauchte er ab und war unter Wasser verschwunden. Im nächsten Moment sahen wir die scharf geschnittene Rückenflosse in Richtung offenes Meer einschwenken. Dann katapultierte der Schwertwal seinen riesigen schwarz-weißen Körper noch einmal aus dem Wasser heraus, tauchte mit einem gewaltigen Klatschen wieder ein … und war fort.
Wie in Trance stand ich neben Aris und starrte hinaus auf den Ozean. Er murmelte: »Jetzt kann ich nur warten. Aber Sika schafft es bestimmt.« Als er sich zu mir umdrehte, musste er lachen. »Tut mir leid. Jetzt bist du schon wieder nass.«
»Ich vergebe dir«, erklärte ich großzügig. Mein leicht benommenes Grinsen würde ich wohl noch eine ganze Weile nicht loswerden. Dann bat ich: »Sag noch mal was in deiner Sprache.«
Zum einen wollte ich es wirklich gern noch einmal hören, denn es klang sehr schön. Zum anderen hoffte ich, mir ein paar Worte merken zu können, meine Mutter danach zu fragen und vielleicht doch einen Hinweis auf sein Heimatland zu bekommen. Ich kam mir sehr cool und raffiniert vor.
Aris trat an mich heran. Er nahm meine Rechte in beide Hände, sah mir in die Augen und begann nach kurzem Überlegen zu sprechen. Nicht lang – es waren vielleicht zwei, drei Sätze. Ich verstand natürlich überhaupt nichts. Aber in seinen Worten lag eine Ernsthaftigkeit, die mich ahnen ließ, dass ihm das Gesagte etwas bedeutete. Ein leichter Schauer fuhr mir über die Haut. Die Kälte, zweifellos. Was hatte ich mit meiner Bitte noch mal im Sinn gehabt? Ich wusste es nicht mehr …
Als er geendet hatte, fragte ich mit belegter Stimme: »Was hast du denn gesagt?«
Er ließ meine Hand los, räusperte sich kurz und antwortete mit abgewandtem Blick: »Etwas in meiner Sprache.«
Ich wagte nicht, nachzubohren. Einen Moment lang schwiegen wir beide. Schließlich fragte ich: »Also morgen, ja?«
Er nickte. »Wenn alles gut geht.«
»Okay.« Und jetzt? Mein Kopf fühlte sich an wie mit Helium gefüllt, federleicht und kurz vor dem Davonschweben. Aber dann fiel mir zum Glück etwas ein. Ich gab Aris einen leichten Schubs gegen den Arm. »Hey. Wie wär’s mit ’ner Abschiedsparty?«