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Rabenmütter, Ausreden und Erkältungskrankheiten

Kleine Fallgeschichte

Lars (8) und seine Mutter Sandra P. (37), Neu-Isenburg

»Lars, mein Spatz, aufstehen! Es ist höchste Zeit!«, flüstert Sandra P. ihrem Sohn leise ins Ohr und streicht ihm liebevoll über den Kopf. Lars, der es sonst kaum erwarten kann, in die Schule und zu seinen Freunden zu kommen, schiebt seine Mutter fort, behält die Augen zu und brummt nur unwillig irgendetwas von »Kopfschmerzen, Halsschmerzen und einfach alles Schmerzen«. Um seinen Worten noch ein wenig Nachdruck zu verleihen, hustet Lars laut und vernehmlich. Nach einer Bronchitis hört sich das allerdings nicht an. Eher nach etwas, wofür man viel Fantasie braucht. Und die hat Lars, deshalb muss er heute auch eine Strafarbeit in Mathematik abgeben. Eine A4-Seite voll mit »Ich male keine Bilder in mein Mathebuch«.

Lars hustet erneut. Einigermaßen verwirrt legt ihm seine Mutter die Hand auf die Stirn. Fieber hat er keines. Von fieberhaften Infekten, Grippen oder sonstigen Schulepidemien hat sie in den letzten Tagen nichts gehört, und gestern war Elternabend. Spätestens da hätte Frau Maier, die Klassenlehrerin, doch erwähnt, wenn etwas Ansteckendes in der Klasse die Runde machte. Aber sie hat nichts gesagt. Nur von dem Diktat heute hat sie gesprochen und wie viel davon für die Endnote im Zeugnis abhängt und dass es Kinder gibt, denen Diktate immer noch sehr schwerfallen. Ratlos streicht Sandra P. ihrem Sohn noch mal über den Rücken. Auch er ist so ein Kandidat. Und das, obwohl sie jeden Nachmittag mit ihm übt. Simuliert er etwa?

Es ist ja nun mal so: Schule ist doof. Fakt. Zumindest, wenn man Kinder befragt, die nicht darauf hinhibbeln, endlich in die erste Klasse zu kommen. Spätestens, wenn sie die Grundschule hinter sich gelassen haben, ist es vorbei mit der Schulbegeisterung. Dabei hat es meist gar nichts mit der Schule als solcher zu tun. Immerhin trifft man dort (meist) seine Freundinnen und Freunde, man verabredet sich für die kostbare Freizeit und tauscht dort das, was zu Tauschen ist: Hausaufgaben gegen Pausenbrote, WhatsApp-Nummern, Ergebnisse von Fußballspielen oder Liebes- und sonstige News, die sich in selbiger Freizeit zugetragen haben. Das ist alles prima. Ätzend ist vor allem das Drumherum:

•früh aufstehen,

•lange herumsitzen,

•ständig beobachtet, benotet und beurteilt werden,

•dass die Definition von »lustig« so unterschiedlich ist, dass alles, was »lustig« ist, Strafen nach sich zieht,

•dass man nie reden darf, wenn man wirklich was zu sagen hat (zum Beispiel, wer wann in wen und warum verknallt ist),

•und immer was sagen soll, wenn man nichts zu sagen hat (zum Beispiel auf die Frage, wann die Französische Revolution war, was x geteilt durch y ergibt, ob da ein Komma hingehört),

•und sich der Vormittag sowieso grundsätzlich so viel länger anfühlt als der Nachmittag.

Nachvollziehbar, dass der Nachwuchs noch im Halbschlaf gern mal über Möglichkeiten nachdenkt, wie man der Schule fernbleiben könnte. Die guten alten Bauchschmerzen ziehen natürlich immer prima, vor allem, wenn man sich dazu ein wenig publikumswirksam krümmt. (Achtung: Wenn man sich direkt im Anschluss eine große Schüssel gezuckerte Cornflakes mit viel Milch gönnt, dürfte der Schwindel auffliegen und getreu dem Motto »Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht« auch nicht unbedingt noch mal funktionieren. Und wenn man dann mal wirklich Bauchschmerzen hat, tja …)

Auch Fieber lässt sich ja leider nachweisen. Der alte Trick mit dem Thermometer und dem heißen Wasser ist ein Gerücht, und jede Mutter, die ihr Kind schon mal für länger als zehn Sekunden angesehen hat, kann erkennen, ob es Fieber hat oder nicht. Wir sagen nur: glasige Augen, schneller Puls, rote Wangen …

Nein, es ist nicht leicht, Mütter hinters Licht zu führen. Und auch nicht notwendig. Wir wollen ja alle nicht, dass unsere Kinder in der Schule leiden (also jenseits der Gründe, wegen denen sie überhaupt in die Schule gehen). Aber manchmal ist es auch nicht ganz einfach für uns zu entscheiden, ob unsere Kinder besser dort oder zu Hause aufgehoben sind, wir wissen schließlich selbst, wie elend man sich mit einer schlichten Erkältung fühlen kann und dass ein Tag mit Kopfschmerzen keiner sein wird, an dem wir intellektuelle Höchstleistungen vollbringen werden. Natürlich muss man noch mal genauer hinsehen, wenn Klassenarbeiten anstehen, mündliche Abfragen oder Schulausflüge in Museen. Gerade bei Erkältungskrankheiten ist es besonders schwierig zu entscheiden, denn immerhin können die einen über die kalte Jahreszeit verteilt wirklich oft heimsuchen, und man kann ja nicht immer zu Hause bleiben. (Finden wir Eltern. Was die Kinder finden, ist ebenfalls ausreichend bekannt.) Es macht aber auch keinen Sinn, sich durch den Tag zu schleppen, den Unterricht durch dauerhaftes Husten zu stören oder flächendeckend die ganze Klasse anzustecken, nur weil die Mutter andere Pläne für den Vormittag hat oder findet, dass das Kind in die Schule gehört, wenn es noch einigermaßen selbst dorthin gehen kann. Stoff versäumen geht für manche schließlich gar nicht. Die Frage ist nur: Wie viel von diesem Stoff bleibt wirklich im Kinderkopf hängen, wenn der schon mit allerlei Schnodder gefüllt ist? (Entschuldigen Sie bitte das drastische Bild.) Ansonsten ist es ganz hilfreich, sich zu überlegen, ob ein rechtzeitig zu Hause verbrachter Tag nicht etwas abfangen kann, woraus sich sonst vielleicht eine ganze Woche im Bett entwickeln könnte.

Eine ziemlich gute Idee ist außerdem, prophylaktisch was für die Immunabwehr zu tun, damit einen all die anderen hustenden, schnupfenden Kinder nicht so schnell aus der (Schul-)Bahn werfen. Nein, dies ist kein medizinischer Ratgeber, aber ein paar vorbeugende Tipps haben schließlich noch niemandem geschadet.

Also: Das Beste, was man ganzjährig für seine Gesundheitsprophylaxe tun kann, ist – tadaaa – das gute alte Händewaschen. Das verhindert nämlich schon mal, dass wir einen Großteil der bösen Bakterien, Viren und Keime bei der nächstbesten Gelegenheit mit einer unserer diversen Schleimhäute in Berührung bringen. Klar, nicht unbedingt das, was Kinder, insbesondere Söhne, am liebsten den ganzen Tag tun würden, aber hier kann ein wenig Erziehung zur Routine durchaus sinnvoll sein. Natürlich erinnern wir und alle anderen Mütter unsere Kinder sowieso mindestens achtzigmal pro Tag daran (und an viele andere Dinge ebenso), aber wir haben ja auch nicht behauptet, dass wir das Rad – vielmehr die Kinderbetreuung – neu erfunden haben. Händewaschen ist laaangweilig, aber top.

Bewegung an der frischen Luft stärkt das Immunsystem auch (nein, steht im Winter auch meist nicht ganz oben auf der Lieblingsbeschäftigungsskala von Kindern). Und – wahnsinnige Erkenntnis: Vitamine! Im Winter kann man durchaus Retardkapseln mit Vitamin C und Zink geben (Retardkapseln sind Kapseln, die ihre Wirkstoffe über einen längeren Zeitraum gleichmäßig abgeben), oder man kann dem Immunsystem mit der guten alten heißen Zitrone mal so richtig auf die Sprünge helfen. Übrigens: Sanddorn oder frische Paprika enthalten deutlich mehr Vitamin C als Zitronen. Okay, schmecken aber auch nicht so gut als Sud. Schon verstanden. Was natürlich auch immer großartig ist und deshalb auch nicht neu, ist Hühnersuppe. Eine Hühnersuppe ist nämlich magisch. Und nicht nur das: Sie heilt sogar ganz offiziell. An der University of Nebraska hat man nämlich die Hühnersuppenwirkung wissenschaftlich erforscht und nachgewiesen, dass die Suppe die neutrophilen Granulozyten, also die größte Gruppe der weißen Blutkörperchen, die bei Entzündungsprozessen stark vermehrt im Körper herumirren und für Ärger sorgen, beruhigt und somit dafür sorgt, dass sich der arme Kranke schneller erholen kann. Außerdem hat man Cystein in der Suppe gefunden, einen entzündungshemmenden Stoff, der abschwellend auf die Schleimhäute wirkt, und den Mineralstoff Zink, der sich sowieso heldenhaft für das Immunsystem einsetzt.


Wichtig ist also

Achten Sie darauf, dass Ihre Kinder ausreichend mit Nährstoffen versorgt sind. Das ist schon mal die halbe Miete. Am besten natürlich, sie ernähren sich ausgewogen und mit vielen frischen und nicht weiterverarbeiteten Lebensmitteln. Das heißt natürlich nicht, dass sie nicht trotzdem mal krank werden können. Aber sie werden Infekte schneller los und auch im »Normalbetrieb« belastbarer.

Profitipp

Wenn es nun aber kein Infekt ist, der dafür sorgt, dass das Kind sich unter der Decke versteckt, sondern eine vergessene Hausaufgabe, ein schwieriger Test, irgendetwas anderes, das ihm gestern noch nichts ausgemacht hat, aber heute das große Grauen bedeutet? Nehmen Sie sich die Zeit und lassen Sie Ihr Kind erzählen. Lösen Sie seine Ängste behutsam auf, erzählen Sie vielleicht von Ihrer Schulzeit und helfen Sie, eine Lösung für das aktuelle Problem zu finden. Dann kommen Sie aber zu spät zur Arbeit? Das Kind verpasst den Bus und Sie müssen es fahren? Macht nichts. Denn hier kann es wirklich etwas fürs Leben lernen. Wie zum Beispiel, dass es okay ist, vor etwas Angst zu haben. Dass man auch mal sagen kann, dass man etwas nicht geschafft hat, es aber nachholen wird. Wie man sich entschuldigt, wenn man einen Fehler gemacht hat. Und dass Mütter für einen da sind, wenn es drauf ankommt.

Läusealarm

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