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2.2.1 Definitorische Einordnung und Abgrenzung

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Die grundlegende Definition des Social-Media-Begriffs ist untrennbar mit dem Einbezug der Entwicklungsgeschichte des Internets verbunden. Seit den 90er Jahren diente das Internet primär als Informationsquelle (vgl. Hilbert/López, 2011). Als Bruca und Susan Abelson 1998 ihr „Open Diary“ {63} veröffentlichten, hätten sie wohl nicht geglaubt, damit eine völlig neue Bewegung, die „partizipative Form“ (Braasch, 2018: 6) der Internetnutzung, anzustoßen. Mit „Open Diary“ gelang es, die Verfasser digitaler Tagebücher, sog. Blogs (auch Weblogs), miteinander zu vernetzen. Dies markiert zugleich den Beginn der Nutzung von Social-Media-Instrumenten (vgl. Kaplan/Haenlein, 2009: 60). Grundsätzlich sind Social Media also eine Variante der internetbasierten Kommunikation, die Beißwenger (2017: 1) als „Formen der Sprachverwendung [...], die dialogisch und interaktional organisiert sind und für deren Zustandekommen Computernetze die infrastrukturelle Voraussetzung darstellen“, versteht. Kaplan & Haenlein (vgl. 2010: 61) definieren Social Media (auch soziale Medien, Social Software) als eine Gruppe internetbasierter Anwendungen, die sich der ideologischen und technologischen Grundlagen des Web 2.0{64} bedienen und mittels welcher sich nutzergenerierte Inhalte (auch User-generated content, UGC) erstellen und austauschen lassen. Web 2.0{65} (auch Social Web) steht als „Oberbegriff für eine Vielzahl von Technologien, die es Nutzern im Internet ermöglichen zu partizipieren, kollaborieren und interagieren“ (Rühl/Ingenhoff, 2015: 260).

Demgegenüber steht das Web 1.0, das als Vorläufer des Web 2.0 seine Hochphase zwischen den Jahren 1989 und 2005 erlebte (vgl. Kujur/Chhetri, 2015). Unter Web 1.0-Instrumenten sind Anwendungen wie „Intranet{66}, Extranet“ (Hoffjann/Gusko, 2018: 303), die „reine Informationssuche“ (Bruhn, 2016: 454) und die „monodirektionale Kommunikation via E-Mails{67}“ (ebd.) zu verstehen, die ein „vorwiegend starres und nicht-interaktives Webangebot“ (Rühl/Ingenhoff, 2015: 260) darstellen. Winkler & Trier (vgl. 2017: 22) merken hierzu an, dass insbesondere die E-Mail-Nutzung den heutigen Kommunikationsanforderungen von Organisationen kaum mehr gerecht werden könne. Fernab vom klassischen „Sender-Empfänger-Prinzip“{68} (Weaver/Shannon, 1949; Bruhn, 2016: 456) gelingt es aufgrund der programmatischen Gestaltung von Social Media, individuelle Nutzerbedürfnisse hinreichend zu berücksichtigen (vgl. Rühl/Ingenhoff, 2015.). In diesem Zusammenhang weisen Gabriel & Röhrs (vgl. 2017: 21) darauf hin, dass mittels Social Media Beziehungen zwischen Personen(gruppen) hergestellt und gestaltet werden können. Dies wird in dieser Studie als zentrale Funktion von Social-Media-Anwendungen in den Fokus gerückt.

In Bezug auf die eingangs erwähnten zunehmend hohen Zahlen von Social-Media-Nutzern (vgl. Kap. 1.1) führt Bruhn (ebd.) drei Gründe für die Entstehung des Phänomens auf: „(1) Den technologischen Fortschritt und damit verbunden die verbesserte Verfügbarkeit von Web-Technologien, (2) die verbesserte technische Infrastruktur sowie (3) sich verändernde Bedürfnisse und ein verändertes Verhalten der Internetnutzer.“

Die weltweit rasante Verbreitung und Verfügbarkeit von Social Media haben dazu geführt, dass Social Media zunehmend auch im organisationalen Kontext eingesetzt werden (vgl. Rühl/Ingenhoff, 2015: 259; Bruhn/Herbst, 2016: 618). Seitens der Social-Media-Anbieter stehen interaktiver „Dialog und Nutzerpartizipation{69}“ (Tonndorf/Wolf, 2015: 236) im Fokus der Entwicklung neuer Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten. Dementsprechend stellt Bruhn (2016: 454) fest, dass sich „passive Informationskonsumenten“ in eine wachsende Anzahl von selbständigen „Informationslieferanten und -produzenten“ verwandelt haben. Dies wirkt sich sowohl auf die internen Arbeits- und Kommunikationsprozesse{70} als auch auf die Gestaltung der Verständigung mit organisationsexternen Anspruchsgruppen aus. Dufft et al. (2017: 10) erkennen darin Folgen für die organisationale Kommunikation von NGOs: „Die Vielzahl digitaler Kanäle [...] ermöglicht [...] immer mehr Transparenz{71} und erlaubt eine bessere Information der Öffentlichkeit.“

Hinsichtlich einer Klassifizierung von Nutzertypen und -rollen von Social-Media-Anwendungen bietet sich der Rückgriff auf die Kategorisierungsvorschläge von Shao (2009: 7) und Li & Bernoff (vgl. 2011) an. Shao (vgl. ebd.) unterscheidet bzgl. der Nutzungsintentionen Konsum, Partizipation und Produktion und weist darauf hin, dass sich die drei Intentionen in der Praxis zwar überschneiden, aus analytischen Gründen jedoch einzeln zu betrachten seien. Bruhn (2016: 456) umschreibt das Nutzungsmotiv folgendermaßen: „Nutzer partizipieren in Social Communities-Plattformen [sic], um ihre Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und sozialer Interaktion zu befriedigen.” Li & Bernoff (vgl. 2011: 246) geben zu bedenken, dass bei jeglichem Social-Media-Einsatz der Aspekt der kritischen Masse an Nutzern{72} beachtet werden müsse und merken an, dass diese in Abhängigkeit von der jeweils betrachteten Social-Media-Anwendung variiere. Dies. (2011: 43) unterscheiden sechs Nutzertypen hinsichtlich der jeweiligen Aktivität und Ausprägung des persönlichen Involvements: „Kreative“, „Kritiker“, „Sammler“, „Neuankömmlinge“, „Zuschauer“ und „Inaktive“.{73}

Der Einsatz von Social Media im organisationalen Kontext kann für die Institutionen und ihre Arbeits- und Kommunikationsprozesse einen „paradigmatischen Wechsel“ (Tonndorf/Wolf, 2015: 235) implizieren. Diese Meinung teilen auch Kietzmann et al. (2011: 250) und sprechen von durch die Einführung von Social Media initiierten „tiefgreifenden Veränderungen in der Kommunikation zwischen Organisationen, Gemeinschaften und Einzelpersonen“. Rühl & Ingenhoff (2015: 260f) stellen hierzu fest: „Betrachtet man diese Entwicklung positiv, so bedeutet dies, dass soziale Medien das Potential haben, Organisationen und ihre Bezugsgruppen in engen Kontakt zu bringen.“ Bruhn & Herbst (vgl. 2016: 615) schätzen an Social-Media-Instrumenten deren Innovativität sowie das hohe Nutzenpotenzial. Dies zeigt sich anhand der verschiedenen Funktionen, die von Social-Media-Anwendungen erfüllt werden können: „Soziale Software fördert die kollaborative Zusammenarbeit, die gemeinsame Benutzung von Inhalten und die Kommunikation zwischen und das Vernetzen von Individuen und Gruppen” (Gabriel/Röhrs, 2017: 21). Mack & Vilberger (vgl. 2016: 25) geben zu denken, dass sich Social-Media-Anwendungen permanent weiterentwickeln und fortlaufend neue Instrumente zur Verfügung stehen. Folglich stellt die Abhandlung der Social-Media-Grundlagen im Rahmen dieser Studie unter dem Gesichtspunkt der höchstmöglichen Aktualität eine Herausforderung dar. Um dem wissenschaftlichen Anspruch entsprechend der Gütekriterien nach Steinke (vgl. 2015) gerecht zu werden, an welche die empirische Untersuchung der vorliegenden Studie ausgerichtet ist, werden in diesem Kapitel grundlegende Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für den Einsatz von Social-Media-Anwendungen sowie deren Funktionen betrachtet, die auch unabhängig von der technologischen Weiterentwicklung Bestand haben. Ziel ist es, ein Grundlagenwissen zu vermitteln, das den erforderlichen theoretischen Rahmen für die empirische Untersuchung liefert. Somit werden in den folgenden Teilkapiteln bewusst die Social-Media-Funktionen{74} fokussiert, die unabhängig von der zeitlichen Komponente bzw. der technologischen Weiterentwicklung betrachtet werden können – was wiederum die Veränderung und Ablösung einzelner Nutzungsformen zur Folge hat. Bevor darauf eingegangen wird, mittels welcher Social-Media-Instrumente bestimmte Funktionen erfüllt werden und inwiefern dies für den möglichen Einsatz bei der Zusammenarbeit im Rahmen von Entwicklungsmaßnahmen relevant ist, erfolgt in Kap. 2.2.2 zunächst eine Klassifizierung von Social-Media-Anwendungsgruppen.

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