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2.1.3.2 Betrachtung des wissensbasierten Handelns der Akteure

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Im Anschluss an die Betrachtung der Akteursfelder eines Entwicklungsprojekts wird nun der Entscheidung gefolgt, den Fokus auf das wissensbasierte Handeln der an einer Entwicklungsmaßnahme beteiligten und im jeweils individuellen Handlungskontext agierenden Akteure zu richten.

Laut Rasmussen (vgl. 1983: 258) ist das Handlungsziel in den Situationen, in denen wissensbasiert gehandelt wird, klar formuliert und beinhaltet eine Umweltanalyse entsprechend der übergeordneten Ziele des jeweils handelnden Akteurs. Die bisherigen theoretischen Ausführungen haben gezeigt, dass Entwicklungsprojekte, die nachhaltige Wirksamkeit als Handlungsziel definieren, dem Umgang mit und der Anwendung von projektspezifischem Wissen eine besondere Priorität einräumen sollten (vgl. Kap. 2.1.2). Dementsprechend betont Seibold (2014: 2): „The vision is a self-organised and connected peer-to-peer learning for sustainable human development worldwide, turning learning by sharing into a game changer in development cooperation.“ Ramalingam (2005: 8) beschreibt die Anfänge der „Knowledge for Development“-Bewegung,{55} initiiert durch den 1998 veröffentlichten World Development Report,{56} wie folgt: „Since the publication […] there has been a rapidly increasing emphasis on the knowledge and learning, leading to a renewed attention on both development processes and development organisations as essentially ‘knowledge-based’.“

Dies wirft die Frage auf, „nach welchen Prinzipien [...] die optimale Organisation von Wissen{57} innerhalb einer Organisation (grundsätzlich) erfolgen sollte“ (Haas/Schwaab, 2013: 244). Ausgehend von der Annahme, dass Wissen sich erst manifestiert, wenn diesem ein bestimmter Kontext zugeordnet wird, grenzen North & Reinhardt{58} (vgl. 2005) Wissen zunächst von Daten und Informationen ab (s. Abb. 12).


Abbildung 12: Ausschnitt der Wissenstreppe

(eigene Darstellung in Anlehnung an North & Reinhardt, 2005)

Längst bekannt fällt diese Unterscheidung in der praktischen Umsetzung jedoch nicht immer leicht, wie King & McGrath (2003: 14f) bestätigen: „It is clear that there remains a confusion between data, information and knowledge in some agency thinking that is of more than mere semantic significance.“ Für Probst et al. (2012: 23) kann Wissen grundsätzlich als „Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen“ und „einzige Ressource, welche sich durch Gebrauch vermehrt“ definiert werden.

Im organisationalen Kontext von Entwicklungsmaßnahmen geht es um die „reibungslose Generierung, den Austausch, die Anwendung und Speicherung von Information und Wissen“ (Huber-Grabenwarter, 2014: 101). Richter & Stocker (2012: 32) nennen vier zentrale Ziele des Wissensmanagements in Organisationen: „Schaffung von Wissensspeichern, Förderung der Wissensteilung, erleichterter Zugang zu Wissen/Experten und Wahrnehmung des vorhandenen Wissens als [organisations]kritische Ressource.“ Abb. 13 zeigt den klassischen zirkulären Wissensmanagementprozess{59} in vier Phasen (vgl. Güldenberg/Meyer, 2007; vgl. Hubert-Grabenwarter, 2014).

„Entscheidend [...] für die Aufrechterhaltung des organisationalen Lernprozesses ist [...] die Umsetzung des gelernten organisationalen Wissens in Aktivitäten und damit die Wissensanwendung, um auf Grund von Reflexionsprozessen über das eigene Tun wieder neue individuelle, kollektive und organisationale Lernprozesse in Gang zu setzen.“ (Güldenberg/Meyer, 2007: 460)


Abbildung 13: Organisationaler Umgang mit Wissen

(eigene Darstellung in Anlehnung an Güldenberg, 1999: 247)

Vorab geht es um eine andere bedeutende Phase: die des Wissenstransfers und -austauschs. Nur wenn die Mitglieder einer Organisation bereit sind, ihr Wissen zu teilen, kann dieses auch ausgetauscht bzw. vermittelt und schließlich angewendet werden (vgl. Güldenberg/Meyer, 2007: 457; vgl. Schiersmann/Thiel, 2011: 352; vgl. Huber-Grabenwarter, 2014: 202f). Probst et al. (2012: 167) merken an, dass diese „Bereitschaft zur Teilung von Wissen [...] durch eine breite Mischung von Variablen beeinflusst“ wird. Garavan et al. (2015) weisen ebenfalls auf die Komplexität des Wissenstransfers vor dem Hintergrund des verborgenen, impliziten Wissens (engl. tacit knowledge) (vgl. Nonaka, 1991: 96ff) von Organisationen hin. Dazu merken Haas & Schwaab (vgl. 2013) und Nonaka/Takeuchi (vgl. 1997) an, dass gerade jenes Wissen,{60} das sich in der menschlichen Intuition konstituiert und in routiniertem Verhalten erkennbar wird, besonders relevant für die Wertsteigerung einer Organisation sei. Indem implizitem Wissen eine „persönliche Qualität“ (Reichwald/Piller, 2009: 82) zugeschrieben wird, ist es eine umso größere Herausforderung, dieses an andere Organisationsmitglieder zu vermitteln. Demgegenüber wird unter explizitem Wissen verstanden, „worüber wir bewusst verfügen und was wir formulieren können“ (ebd.). Güldenberg & Meyer (2007: 459) unterscheiden dementsprechend zwei Arten des Wissenstransfers: „Direkter Wissenstransfer verfolgt explizit das Ziel, organisationale Wissensbestände auf Organisationsmitglieder zu übertragen. Indirekter Wissenstransfer [...] funktioniert in Form von struktureller Kopplung, beispielsweise durch Sozialisation oder durch gemeinsames Arbeiten.“ Nach Polanyi (vgl. 1985) sind beide Wissensarten, explizites und implizites Wissen, untrennbar miteinander verbunden. Bolten (2018) ergänzt den hierbei bedeutenden Kulturkontext:

„Explizites Wissen ist eher durch Bestimmtheit, implizites Wissen eher durch Unbestimmtheit charakterisiert. Dies gilt jedoch immer für einen spezifischen Kontext und die entsprechenden Plausibilitätsannahmen seiner Akteure{61} […] Überwiegt bei einem der Kommunikationspartner der Unbestimmtheits- den Bestimmtheitsgrad (Regeln der Wissenserschließung sind nicht hinreichend vorhanden), spricht man von interkultureller Wissenskommunikation.“

Lessig (vgl. 2008) sieht den grundsätzlichen Zugang zu Wissen als Voraussetzung für technische Entwicklung, Innovation und Kreativität. Eine Öffnung gegenüber anderen Organisationen ist notwendig und sinnvoll, wenn Wissen benötigt wird, das intern weder vorhanden ist noch entwickelt werden kann (vgl. Schwaab/Seibold, 2014: 164; vgl. Güldenberg/Meyer, 2007: 457). Der offene Umgang mit dem eigenen Wissen stellt die Grundvoraussetzung für den organisationsübergreifenden Wissenstransfer und -austausch mit projektexternen Anspruchsgruppen wie Projekt-/ Förderpartnern, anderen NGOs oder im Umgang mit der Öffentlichkeit bzw. den Medien{62} dar. Dies schafft wiederum die Voraussetzung für organisationales Lernen:

„Nur durch Anwendung und damit Erprobung neuer Wissensbestände können neuerliche Prozesse des Reflektierens und damit der Wissensgenerierung ausgelöst werden […] Organisationales Lernen bewegt sich im Dilemma zwischen Dynamik und Stabilität, zwischen Veränderung und Bewahrung.“ (Güldenberg/Meyer, 2007: 460ff)

V. Kocemba und Belz (2015: 32) weisen auf die Erkenntnis hin, dass Wissen kontextbezogen aufgebaut wird:

„Durch die regionale Komponente hat jede im internationalen Umfeld erworbene Erfahrung mindestens eine Input-Dimension mehr, den regionalen Bezug, und ist daher schwerer zu strukturieren / zu systematisieren. Erfahrungen im internationalen Umfeld haben oft eine nennenswerte kulturelle und/oder soziale Komponente, deren Einfluss bzw. Größe des Einflusses nur bedingt erkennbar ist.“

Seibold (2014: 13) weist auf die spezifische Relevanz von Lerneffekten im Kontext von Entwicklungsprojekten und in Bezug auf die Frage der nachhaltigen Wirksamkeit der internationalen EZ hin: „Sustainable learning and transformation is at the core of sustainable capacity development.“ Führt man diese Annahmen mit den Erkenntnissen zu den Beziehungen, die zwischen den an einem Entwicklungsprojekt beteiligten Akteuren generiert werden und je nach Intensität eher stark und reziprozitätsintensiv oder eher schwach ausgeprägt sein können, zusammen, ist davon auszugehen, dass ein umfangreicher und nachhaltig wirksamer Wissenstransfer sowie -austausch erst auf der Basis vorhandener Akteursbeziehungen erfolgen kann (s. Abb. 14).


Abbildung 14: Beziehungsaufbau als Voraussetzung für den Wissenstransfer

Der technologische Fortschritt und die Verfügbarkeit neuer digitaler Kommunikationsinstrumente wirken sich maßgeblich auf die vier Phasen des Wissensmanagementprozesses aus (vgl. Haas/Schwaab, 2013: 251; vgl. Richter/Stocker, 2012; vgl. Bautista/Bayang, 2015; vgl. Garde, 2014). Speziell für den Wissenstransfer steht inzwischen eine Vielzahl internetbasierter Möglichkeiten zur Verfügung. Richter & Stocker (2012: 32) merken an, dass sich „Wissen am besten verbreitet, wenn es ‚fließt’, d.h. fortwährend geteilt, kommentiert und verknüpft wird“. Inwiefern innovative Technologien wie Social Media diesen Zweck auch beim Einsatz in Entwicklungsprojekten erfüllen können und „Rahmenbedingungen für eine potentiell barrierefreie, eigendynamische Kommunikation von Wissen“ (Bolten, 2018) schaffen, wird in dieser Studie untersucht.

Auch wenn sich der Wissens- und Lernbedarf innerhalb möglichst nachhaltig wirksamer Entwicklungsmaßnahmen anhand der zitierten Autoren bestätigt, stellt sich die Frage, welche Relevanz dem Wissensmanagement innerhalb von Entwicklungsmaßnahmen in der Praxis beigemessen wird und welche Rolle Social Media dabei spielen. Dies setzt zunächst eine Auseinandersetzung mit dem Begriffsverständnis von Social Media im Kontext von Organisationen voraus. Das folgende Kapitel liefert einen Überblick über wesentliche Social-Media-Anwendungen und deren Funktionen, um darauf aufbauend das Potenzial für Entwicklungsprojekte einzuschätzen.

Nachhaltig wirksame Kollaboration in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit

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