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1 Einleitung 1.1 Ausgangssituation, Problemstellung und Forschungsziel

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2030 ist das Jahr, bis zu welchem die Sustainable Development Goals (SDG), die 2015 durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen (VN){1} in New York verabschiedet wurden, im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (EZ){2} erreicht werden sollen. Die zugrundeliegende Agenda sieht 17 Ziele vor, wobei das neunte Ziel lautet: „Build resilient infrastructure, promote inclusive and sustainable industrialization and foster innovation“ (UN, 2015: 14). Seitens des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wird bereits 2013 (S. 6f) festgestellt: „Der Zugang zu Wissen und seine Umsetzung in innovative Produkte, Prozesse und Dienstleistungen werden immer mehr zu zentralen Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung.“ Nachhaltige internationale EZ bedarf folglich Innovation. Diese lässt sich wiederum nur umsetzen, wenn zuvor der Zugang zu Wissen geschaffen wird. Neue Internettechnologien, insbesondere Social Media, bieten innovative Möglichkeiten für den intra- und interorganisationalen{3} Umgang mit Wissen in der internationalen EZ.

Holtz (vgl. 2000) und Nuscheler (2008: 5) regen an, anstelle von „Nachhaltigkeit“ vielmehr von „nachhaltiger Wirksamkeit“ der internationalen EZ zu sprechen. Diesem Ansatz wird im Rahmen dieser Studie gefolgt. Die nachhaltige Wirksamkeit einer Vielzahl von Maßnahmen, die im Rahmen der internationalen EZ umgesetzt werden, wird seit jeher in Frage gestellt (vgl. Stockmann, 2016; vgl. Moyo, 2011; vgl. Rist, 2008). Dies soll anhand des Beispiels der ICT4D-Initiativen{4} erläutert werden. ICT4D steht für Information and Communication Technologies (ICT{5}) for Development{6}, verstanden als Initiativen, bei denen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) eingesetzt werden, um die Lebensumstände für Menschen in entwicklungsschwachen{7} Regionen zu verbessern (vgl. Heeks, 2009). Die Tatsache, dass weltweit bis zu 70 % der ICT4D-Initiativen scheitern (vgl. IEG, 2011; vgl. Dodson et al., 2013), begründet den Bedarf einer Ursachenanalyse sowie den Einbezug neuer Lösungsansätze, um die „failure rate“ (ebd.; Marais, 2011: 100) solcher „Entwicklungsmaßnahmen“ (Bialluch/Görgen, 2013) künftig zu senken. Leslie et al. (2018: 2) stellen hierzu fest: „Development professionals [...] are at particular cross-roads with some commentators suggesting that these organisations have failed in their mission to effect transformational change for the poor.“ Trotz der vorhandenen Analysen zum Scheitern von Entwicklungsprojekten (vgl. Baduza/Khene, 2015; vgl. Sanner/Nielsen, 2018) existieren keine allgemeingültigen Kriterien, anhand derer sich der Erfolg{8} einer Maßnahme bewerten lässt. Die Durchführung von allgemeinen Erfolgsmessungen in Bezug auf Entwicklungsmaßnahmen ist dementsprechend unmöglich (vgl. Klingebiel, 2013; vgl. Nuscheler, 2008). Ebenso lassen sich hierzu keine empirischen Belege finden (vgl. Stockmann, 2016). Die stetige Zunahme an durchgeführten Evaluationen einzelner Projekte leisten lediglich einen auf Organisationen, Länder oder Sektoren{9} beschränkten Beitrag (vgl. Klingebiel, 2013). Wenn diese Evaluationsberichte in der Praxis üblicherweise lediglich an Projektbeteiligte verteilt werden, bleiben übergreifende und nachhaltig wirkende Lerneffekte aus (vgl. Raftree, 2015), von denen andere Entwicklungsprojekte hinsichtlich ihres eigenen Projekterfolgs profitieren würden.

Die vorliegende Studie zielt nicht darauf ab, den Erfolg bzw. nachhaltige Effekte bestimmter Entwicklungsmaßnahmen nachzuweisen. Sinnvoll erscheint vielmehr die wissenschaftliche Analyse von Faktoren, die die nachhaltige Wirksamkeit von Entwicklungsprojekten begünstigen und bedingen. Eine Vielzahl von existierenden Evaluationsberichten einzelner Entwicklungsmaßnahmen deuten auf einen Wirkungszusammenhang unterschiedlicher Rahmenbedingungen in den jeweiligen entwicklungsschwachen Regionen hin, die die nachhaltige Wirksamkeit von Entwicklungsprojekten beeinflussen. Holtz (2000: 8) führt hierzu an, worin er die entscheidenden Hemmnisse nachhaltiger Wirksamkeit sieht: „Mängel bei der finanziellen und institutionellen Absicherung der Vorhaben, den allgemeinpolitischen und sektoralen Rahmenbedingungen, der Akzeptanz und dem Verhalten der Zielgruppen, aber auch Inkompetenz auf der Seite der Geber, die Überfrachtung der EZ mit anderen Zielen und mangelnde Kohärenz entwicklungspolitischer Ziele [...] mit anderen Politikbereichen.“ Gurstein (vgl. 2006) und Krigsman (vgl. 2009) sind der Meinung, dass die Hauptursache für das Scheitern zahlreicher Entwicklungsmaßnahmen in Kommunikationsproblemen während der Umsetzung eines Entwicklungsprojekts liegt und sprechen demenentsprechend von folgenschweren „communication failures“ (ebd.). Warum es zu diesen Kommunikationsproblemen kommt und welche Implikationen damit verbunden sind, soll in dieser Studie untersucht werden. Somit bietet es sich an, den Fokus auf eine Analyse der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit im Rahmen von Entwicklungsmaßnahmen zu richten und die Bedingungen der Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren näher zu betrachten. Auf diese Weise kann diese Studie einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung entscheidender Einflüsse auf die nachhaltige Wirksamkeit von Entwicklungsmaßnahmen leisten. Bezugnehmend auf das Forschungsfeld der Wirtschaftskommunikationswissenschaften und angrenzenden Forschungsdisziplinen wird angenommen, dass die nachhaltig wirksame Umsetzung von Entwicklungsmaßnahmen von komplexen organisationalen Kollaborations-{10} und Kommunikationsprozessen abhängt, in deren Rahmen Wissen transferiert wird. Dabei geht es zum einen um die intraorganisationale Kollaboration auf projektinterner Ebene. Diese betrifft die Zusammenarbeit, die Beziehungen sowie die Kommunikation zwischen Projektmitgliedern bzw. Mitarbeitern{11} von Non-Governmental-Organisations (NGOs) (deutsch: Nichtregierungsorganisationen, NROs) oder Nonprofit-Organisations (NPOs) (deutsch: nicht-gewinnorientierte Organisationen), die in der Regel für die Durchführung von Entwicklungsmaßnahmen verantwortlich sind.

Zum anderen steht die interorganisationale Kollaboration auf projektexterner Ebene im Forschungsinteresse dieser Arbeit. Diese bezieht sich auf die Zusammenarbeit, die Beziehungen sowie die Kommunikation zwischen einer solchen Projektorganisation und organisationsexternen Akteuren wie Förderpartnern oder anderen Entwicklungsprojekten.

Es geht bei der Beschäftigung mit der nachhaltigen Wirksamkeit von Entwicklungsmaßnahmen in dieser Studie folglich nicht um die Betrachtung von (Projekt-)Zielgruppeneffekten{12}. Die Betrachtung sektorspezifischer Aufgaben der Projektbeteiligten bzw. die Auseinandersetzung mit Projektzielgruppen bzw. Leistungsempfängern von Entwicklungsprojekten wird in dieser Studie ausgeklammert. Stattdessen geht es um die Analyse der verschiedenen Kollaborationsformen, deren Wirkungen auf intra- und interorganisationaler (Projekt-)Ebene und deren Einfluss auf die nachhaltig wirksame Umsetzung einer Entwicklungsmaßnahme.

In Bezug auf die angestrebte nachhaltige Wirksamkeit einer Entwicklungsmaßnahme ist der Transfer von projektspezifischem Wissen zwischen den beteiligten Akteuren unabdingbar und steht im Zentrum der intra- und interorganisationalen Kollaboration. Teammitglieder internationaler Entwicklungsprojekte agieren zum Teil räumlich getrennt voneinander. Innovative inernetbasierte IKT wie Social Media{13} erfüllen innerhalb von Organisationen u. a. den Zweck, Wissen orts- sowie zeitunabhängig mit einer beliebig großen Anzahl von Personen teilen zu können. Im April 2020 verzeichnet das DataReportal (vgl. 2020) 4,6 Milliarden Internetnutzer weltweit, von denen 3,8 Milliarden Social-Media-Anwendungen (vgl. Hootsuite, 2020) nutzen. In einer unter 5.352 NGOs in 164 Ländern und sechs Kontinenten durchgeführten Studie zum Einsatz von Social Media geben 93% der Nutzer an, eine Facebook Fan-Seite{14} für die projektexterne Kommunikation ihrer Organisation zu nutzen (vgl. Nonprofit Tech For Good, 2018: 11). Dies führt zu der Annahme, dass die Social-Media-Nutzung auch in der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit von Entwicklungsprojekten eine Rolle spielt. Somit stellt sich zum einen die Frage, wie seitens der Projektbeteiligten mit Wissen umgegangen wird, unter welchen Bedingungen die intra- und interorganisationale Zusammenarbeit gestaltet wird und inwiefern dabei Social-Media-Anwendungen zum Einsatz kommen.

Empirische Untersuchungen zu den Bedingungen der nachhaltig wirksamen intra- und interorganisationalen Kollaboration in Entwicklungsprojekten liegen nicht vor. Entsprechend unerforscht ist der Einsatz von Social Media in der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit von Entwicklungsprojekten. Tayyar (vgl. 2013), de Bastion (vgl. 2013) und Steltemeier (vgl. 2018) bestätigen dies und weisen auf das Potenzial des Einsatzes digitaler Technologien in der projektbezogenen Zusammenarbeit von Entwicklungsmaßnahmen hin. Derzeit kann lediglich auf Studien u. a. von Hoffjann & Pleil (vgl. 2015) zum allgemeinen Einsatz von Social Media in NGOs zurückgegriffen werden. Zum Einsatz von Social Media in der organisationsinternen und -externen Kommunikation haben zudem u. a. Moqbel & Nah (vgl. 2017) und Klier & Lautenbacher (vgl. 2013) empirische Ergebnisse veröffentlicht. Dennoch besteht insbesondere in Bezug auf den Anwendungskontext von NGOs weiterhin erheblicher Forschungsbedarf (vgl. Hoffjann/Gusko, 2018: 295). Andere Publikationen fokussieren bspw. den Einfluss von Social Media auf die Bu¨rgerbeteiligung in entwicklungsschwachen Regionen (vgl. Tim et al., 2014), was sich somit lediglich auf die Arbeit mit den Projektzielgruppen einer Entwicklungsmaßnahme bezieht, nicht jedoch auf die intra- und interorganisationale Zusammenarbeit von Entwicklungsprojekten. Darin zeigt sich die Forschungslücke zwischen Theorie und Praxis. Im Rahmen dieser Studie wird angenommen, dass es für die Optimierung von Entwicklungsprojekten weltweit im Sinne der nachhaltigen Wirksamkeit einen deutlichen Vorteil darstellt, wenn dargelegt wird, welchen Bedingungen die intra- und interorganisationale Zusammenarbeit in Entwicklungsprojekten unterliegt und welcher Stellenwert Social Media beizumessen ist. Die empirische Untersuchung trägt dazu bei, aufzuzeigen, um welche Bedingungen es sich handelt, welche Konsequenzen sich daraus ergeben und wie mit diesen Anforderungen seitens der Projektbeteiligten umgegangen wird. Ziel ist es, basierend auf empirischen Daten ein Konzept zu entwickeln, das Verantwortliche von Entwicklungsprojekten dabei unterstützt, bisherige Kommunikationsprozesse zu hinterfragen und die intra- sowie interorganisationale projektbezogene Zusammenarbeit unter Berücksichtigung eines sinnvollen Einsatzes von Social Media nachhaltig zu optimieren. Inwiefern damit nachhaltig wirksam Einfluss auf den Projekterfolg genommen werden kann (vgl. Gurstein, 2006; Krigsman, 2009), soll im Rahmen dieses Forschungsvorhabens untersucht werden.

Nachhaltig wirksame Kollaboration in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit

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