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1.5 Einhaltung der Regelungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt

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Unter Einschaltung der KEK ist im Verfahren der Zulassung von Fernsehprogrammen ebenfalls zu prüfen, ob Bedenken gegen die Einhaltung der Regelungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt bestehen. Für den Hörfunk, auch den bundesweit verbreiteten Hörfunk, gelten die Regelungen der §§ 25 ff. RStV nicht. Insoweit wirkt die Annahme fort, dass es hier keiner harmonisierten Vielfaltsregelungen bedarf. Das Medienkonzentrationsrecht dient dem Ziel, das Entstehen vorherrschender Meinungsmacht eines Veranstalters zu verhindern und damit i.S.d. verfassungsrechtlichen Vorgabe zu gewährleisten, dass der Rundfunk nicht einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird, sondern in ihm inhaltlich die Vielfalt der Meinungen im Wesentlichen zum Ausdruck kommen muss.

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Der dritte Unterabschnitt des RStV enthält Momente der Außen- und Innenpluralität; er formuliert Anforderungen an den privaten Rundfunk in seiner Gesamtheit sowie Vorgaben für jedes einzelne Programm, wobei insbesondere die Vollprogramme einem verstärkten Programmauftrag zu genügen haben. Dort müssen die bedeutsamen, politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen angemessen zu Wort kommen. Bis zum Jahr 1997 verfolgte der Gesetzgeber den Ansatz der Außerpluralität durch ein Marktanteilsmodell. Die Anzahl der Programme, insbesondere der für die Meinungsvielfalt besonders bedeutsamen Voll- und Informationsspartenprogramme, die von einem Unternehmen veranstaltet werden durften, waren begrenzt. Nach der Neuordnung des Medienkonzentrationsrechts im Sinne eines Zuschauermarktanteilsmodells[41] gilt nun der Grundsatz, dass ein Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland eine unbegrenzte Anzahl von Programmen veranstalten darf, es sei denn, es erlangt dadurch vorherrschende Meinungsmacht. Erreichen die einen Unternehmen zurechenbaren Programme im Durchschnitt eines Jahres einen Zuschauermarktanteil von 30 %, so wird – unwiderleglich – vermutet, dass vorherrschende Meinungsmacht gegeben ist. Bei Erreichen eines Zuschaueranteils von 25 % ist darüber hinaus zu gewichten, welche Stellung das Unternehmen auf medienrelevanten verwandten Märkten hat. Ergibt eine Gesamtbeurteilung seiner Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten, dass der hierdurch erzielte Meinungseinfluss dem eines 30 %igen Zuschauermarktanteils im Fernsehen entspricht, greift die Vermutung vorherrschender Meinungsmacht ebenfalls ein. Von dem tatsächlichen Zuschaueranteil können allerdings Prozentpunkte in Abzug gebracht werden, wenn bereits vielfaltssichernde Maßnahmen bestehen. Der Zuschaueranteil vermindert sich um zwei Prozentpunkte, wenn in dem dem Unternehmen zurechenbaren Vollprogramm mit dem höchsten Zuschaueranteil Regionalfensterprogramme aufgenommen sind. Bei gleichzeitiger Aufnahme von Sendezeit für Dritte können weitere drei Prozentpunkte in Abzug gebracht werden. Die Frage, ob es sich bei den in § 26 Abs. 2 RStV genannten Zuschauermarktanteilsgrenzen um starre Untergrenzen handelt, ist in der Vergangenheit von der KEK und den Landesmedienanstalten unterschiedlich gesehen worden. Während die KEK davon ausgeht, dass auch außerhalb der Vermutensregelungen nach dem Rundfunkstaatsvertrag eine vorherrschende Meinungsmacht angenommen werden kann,[42] haben die Landesmedienanstalten in Form der KDLM die Auffassung vertreten, dass es sich um echte Vermutungsregelungen handelt und der KEK kein weitergehender Entscheidungsfreiraum zusteht. Die Schwierigkeiten der Gewichtung der Meinungsmacht in unterschiedlichen Mediengattungen haben sich im Verfahren Springer/Pro7Sat1deutlich gezeigt, in dem die KEK die Auswirkungen von Marktmacht auf sogenannten medienrelevanten verwandten Märkten im Print- Hörfunk- und Onlinebereich festzustellen versucht hat. Über die Entscheidung der KEK zur Bewertung der Cross-Ownership-Phänomene hat nunmehr das Bundesverwaltungsgericht insofern entschieden, als es die Sache an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen hat. Dieser hatte sich materiell nicht mit den Berechnungen der KEK beschäftigt, weil er Springer nach Aufgabe der Übernahmepläne das berechtigte Interesse an der nachträglichen Feststellung abgesprochen hatte. Das Bundesverwaltungsgericht sah dies anders, weil aufgrund der ungünstigen BLM-Entscheidung damit zu rechnen gewesen sei, von einem potentiellen Veräußerer gar nicht als ernsthafter Verhandlungspartner für eine künftige Übernahme in Betracht gezogen zu werden.[43] In seiner Entscheidung vom 15.2.2012, gegen die die Revision nicht zugelassen worden war, hatte der BayVGH die Rechtsauffassung Springers bestätigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwischenzeitlich am 22.1.2013 der Nichtzulassungsbeschwerde der formal richtigen Beklagten, der BLM, stattgegeben. Mit Urteil vom 29.1.2014 (6 C 2.13) hat das BVerwG die Revision der BLM zurückgewiesen und damit einen vorläufigen Schlusspunkt unter die Debatte gesetzt. Jedenfalls bei einem Zuschaueranteil von unter 20 % werde die Stellung auf dem Fernsehmarkt nach den Wertungen des Gesetzgebers regelmäßig nur noch ein so geringes Gewicht haben, dass es auch unter Berücksichtigung von Aktivitäten auf verwandten medienrelevanten Märkten nicht mehr zur Annahme vorherrschender Meinungsmacht ausreiche.

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Stellt die KEK vorherrschende Meinungsmacht nach diesen Normen fest, so darf dem Unternehmen eine Zulassung nicht erteilt bzw. von ihm eine Beteiligung nicht erworben werden. Die KEK hat mit dem Unternehmen zu erörtern, ob es ihm zurechenbare Beteiligungen an Veranstaltern aufgeben will bzw. dort wo es relevant ist, seine Marktstellung auf medienrelevanten verwandten Märkten vermindern möchte oder die im Rundfunkstaatsvertrag vorgesehenen vielfaltssichernden Maßnahmen, Einräumung der Sendezeit für unabhängige Dritte oder Einrichtung eines Programmbeirates, ergreifen will. Bei einer Vielzahl von Programmvorhaben dürften sich im Zulassungsverfahren aus den Vorgaben zur Sicherung der Meinungsvielfalt keine Probleme ergeben. In die Nähe der relevanten Zuschauermarktanteile gelangen allenfalls die RTL-Group bzw. die ProSiebenSat.1 Media AG mit ihren Angeboten. Die diesen Gruppen zuzurechnenden beiden bundesweit verbreiteten reichweitenstärksten Fernsehvollprogramme, RTL und Sat.1 sind ohnehin verpflichtet, mindestens im zeitlichen und regional differenzierten Umfang der Programmaktivitäten zum 1.7.2002 Regionalfensterprogramme fortzuführen.[44] Hauptprogrammveranstalter und Fensterprogrammveranstalter sollen dabei nicht zueinander im Verhältnis eines verbundenen Unternehmens stehen. Einige Regionalfensterprogramme genügten dieser Anforderung zunächst nicht. Für eine Übergangszeit sah der Rundfunkstaatsvertrag ein Moratorium vor. Jetzt überlässt er dies dem Landesgesetzgeber, indem bereits bestehende landesrechtliche Regelungen die Unabhängigkeit auch in anderer Weise sicherstellen können.[45]

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Die Entscheidungspraxis der KEK im Zusammenhang mit der Vielfaltssicherung berührt eine Frage, die durch das Bundesverfassungsgericht abschließend beantwortet zu sein scheint, nämlich die Frage nach dem Begriff des Veranstalters. Als Veranstalter ist danach anzusehen, wer bezogen auf das Gesamtprogramm dessen Struktur festlegt, die Abfolge plant, die Sendungen zusammenstellt und unter einheitlichen Bezeichnung dem Publikum anbietet.[46] Entscheidend ist die Programmverantwortung bei der Gesamtgestaltung.[47]

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Die KEK hat in einigen Fällen Programme Infrastrukturbetreibern zugerechnet.[48] Ob der Gesetzgeber die sicherlich bestehenden Gefährdungspotentiale nicht doch abschließend über die Regelungen zur Plattformregulierung aufgegriffen hat und sie dort besser verortet sind, oder ob auch hier die Regelungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt greifen, ist noch kein Thema gerichtlicher Auseinandersetzung geworden. Bislang hat die Entscheidungspraxis der KEK noch zu keiner Ablehnung der Zulassung geführt. Es bestehen aber unterschiedliche Auffassungen der KEK und der Landesmedienanstalten über die Vorlagepflicht sogenannter Plattformverträge.

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Veranstalter von Fernsehprogrammen haben nicht nur alle geplanten Änderungen der Beteiligungsverhältnisse und relevanten Einflussmöglichkeiten anzuzeigen und prüfen zu lassen. Sie unterliegen darüber hinaus den Publizitätspflichten des § 23 RStV. Einmal jährlich bis zum Ende des Septembers hat der Veranstalter unabhängig von seiner Rechtsform nach Maßgabe der Vorschriften des HGB für das vorangegangene Geschäftsjahr seinen Jahresabschluss und einen Lagebericht zu erstellen und bekanntzugeben sowie eine Aufstellung seiner Programmbezugsquellen vorzulegen. Diese Vorschriften zielen auf die Transparenz der Medienkonzentration und unterlagen zunächst dem Vorbehalt einer Überprüfung. Diesen Erprobungscharakter haben die Publizitätspflichten verloren, sie bestehen weiterhin.[49] Angesichts der Tatsache, dass unter die zulassungspflichtigen Rundfunkangebote zunehmend gestreamte Internetangebote fallen, die sich in Organisation, Bedeutung und Reichweite deutlich von klassischen Rundfunkangeboten unterscheiden, sollte neu gedacht werden. Soweit nicht für diese Angebote de lege ferenda von der Zulassungspflicht ohnehin abgesehen werden sollte, wären zumindest, ähnlich wie bei Teleshoppingangeboten, Ausnahmeregelungen im Bereich des Medienkonzentrationsrechts angebracht.

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