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7. Inhaltliche Mängel der Gegendarstellung und fehlendes berechtigtes Interesse

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Die Gegendarstellung muss die Erstmitteilung, auf die die Gegendarstellung Bezug nimmt, mindestens sinngemäß wiedergeben. Dabei darf die Wiedergabe in keiner Weise verfälschend oder irreführend sein.[646] In der Praxis empfiehlt sich die wörtliche Wiedergabe der Erstmitteilung. Richtet sich die Gegendarstellung gegen einen wegen Mehrdeutigkeit der Formulierung erzeugten Eindruck, der sich nach dem Urteil des BVerfG als unabweisbare Schlussfolgerung darstellen muss,[647] sind die einzelnen Behauptungen der Erstmitteilung, aus denen sich der Eindruck ergibt, wiederzugeben. Entweder kann der entstehende Eindruck bei der Wiedergabe der Erstmitteilung berücksichtigt werden („… durch die Behauptung „…“ erweckt die X-Zeitung den Eindruck, … . Hierzu stelle ich fest: …“). Denkbar ist aber auch, die Tatsache, dass sich die Gegendarstellung gegen einen Eindruck wendet, in der Entgegnung aufzunehmen („Soweit dadurch der Eindruck erweckt wird, dass … , stelle ich hiermit fest: …“). Jedenfalls muss in der Gegendarstellung zum Ausdruck kommen, dass sie sich gegen einen Eindruck richtet.[648]

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Bei der Entgegnung muss es sich um eine echte „Gegendarstellung“ im Wortsinne handeln. Die Gegendarstellung darf nicht dazu benutzt werden, umfassende nicht zur Sache gehörende Ausführungen zu ergänzen (sog. Konzentrationsmaxime). Gegenüber Teilen eines Interviews kann der Betroffene nicht eine vollständige Gegendarstellung eines gesamten Interviews verlangen.[649] Erklärende Zusätze sind nur zulässig, soweit sie zum Verständnis der Erwiderung notwendig sind.[650] Oft kann durch zusätzliche Ergänzungen auch die Gefahr der Irreführung entstehen. Risiko vermeidend ist die bloße Negation der Erstmitteilung, die zulässig ist, sofern die Negation nicht ihrerseits irreführend ist.[651]

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Die Gegendarstellung darf keinen strafbaren Inhalt haben. Sie darf auch keinen offensichtlich unwahren Inhalt haben.[652] An die Offensichtlichkeit werden strenge Voraussetzungen gestellt.[653] Für das Gericht liegt die offensichtliche Unwahrheit dann vor, wenn es davon unzweifelhaft ausgehen kann, ohne in eine Abwägung und Wertung von Glaubhaftmachungsmitteln eintreten zu müssen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Gegendarstellung in sich widersprüchlich ist oder Schriftstücke vorgelegt werden, aus denen erkennbar ist, dass der Betroffene selbst in der Vergangenheit etwas anderes behauptet hat als er in der Gegendarstellung zum Ausdruck bringen will. Zwei konträre eidesstattliche Versicherungen als Glaubhaftmachungsmittel reichen nicht aus.

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Schließlich darf der Inhalt der Gegendarstellung nicht irreführend sein.[654] Dies kann bspw. dann vorliegen, wenn dem Leser durch die Entgegnung Schlussfolgerungen aufgezwungen werden, die unwahr sind oder wenn bewusst nur der halbe Sachverhalt in der Entgegnung mitgeteilt wird, um einen unwahren Eindruck zu erzeugen.[655]

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Ferner ist die Gegendarstellung nicht abdruckfähig, wenn das berechtigte Interesse fehlt oder wenn sie persönlichkeitsneutral ist, also sich nicht in nennenswerter Weise auf das Persönlichkeitsbild des Betroffenen auswirkt.[656] Beim berechtigten Interesse handelt sich um ein teilweise in den LPG aufgeführtes, teilweise ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal.[657] Das berechtigte Interesse kann bei der bloßen Belanglosigkeit der Ausgangsmitteilung fehlen.[658] Ein berechtigtes Interesse fehlt auch, wenn die Gegendarstellung die Erstmitteilung inhaltlich bloß bestätigt. Dann liegt auch schon keine „Gegen“-Darstellung im eigentlichen Sinne vor. Stellt die Redaktion von sich aus richtig, fehlt das berechtigte Interesse an einer Gegendarstellung, wenn dies uneingeschränkt und gleichwertig erfolgt.[659] Wird ein Widerruf veröffentlicht, fehlt für eine Gegendarstellung ebenfalls das berechtigte Interesse. Die Ergänzung eines Artikels im Fließtext einer Internetveröffentlichung, ohne Heraushebung, dass und inwieweit eine Ergänzung erfolgte, reicht jedoch nicht aus.[660] Bestehen inhaltliche Mängel, so fehlt es ebenfalls parallel an dem berechtigten Interesse. Das Gleiche gilt für eine Überschreitung des angemessenen Umfangs.

Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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