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IX.

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Elisabeth und Emma zogen ihre Uniformkittel aus und schlüpften in die Kleider, die sie ein paar eleganten ausländischen Kundinnen vorführen sollten. Frau Else Weilert betrat etwas überhastig, wie es ihre Art war, den Ankleideraum.

„Dalli, Mädels, dalli, es sind verwöhnte Damen, die auf euch warten. Ein waschechter Maharadscha mit seiner Gattin und deren Gesellschafterin sind heute euer Publikum. Auch sein Sekretär ist dabei. Also macht meinem Atelier keine Schande.“ Ihr Iltisgesicht war wie in Seligkeit gebadet. „Königliche Hoheiten haben schon bei mir gekauft, aber Maharadschas haben mich noch nicht beehrt. Das gibt für uns eine Bombenreklame! Also bringt die Kleider zu allerbester Geltung. Die Gattin des Maharadscha, übrigens eine unglaublich interessant wirkende Dame, will kaufen und ihre Gesellschafterin ebenfalls, die reichlich vollschlank ist. In fünf Minuten müßt ihr antreten, Kinder, solche Herrschaften haben keine Übung im Warten.“

Sie verschwand und in rasender Eile beendeten zwei Schneiderinnen das Ankleidewerk an den beiden Mannequins.

Die Direktrice und der Modellzeichner befanden sich indessen bei den kauflustigen Besuchern.

Elisabeth trug nun ein mattgraues Kleid von dünnem allerfeinstem Tuch mit schmalem Gürtel, den eine köstliche alte Schnalle von nachgedunkeltem Silber zusammenhielt. Dazu einen sehr tief den Kopf deckenden kleinen Hut aus dunkelgrauem Taft mit moosgrünen Tupfen.

Sie sah entzückend aus.

Mit ihrem leichten, ein wenig tänzelnden Schritt trat sie hinaus auf die kleine Bühne, lässig vornehm wie eine junge Dame der großen Gesellschaft, die einen Spaziergang macht.

Sie sah unten im kleinen Saale zwei Herren und zwei Damen sitzen und wunderte sich ein bißchen, wie einfach sich so vornehme Leute kleideten. Aber sie liebten es natürlich nicht, im Alltagsleben aufzufallen. Nur die juwelenfunkelnden Hände der schlanken, tiefbrünetten jungen Frau verrieten, daß sie zu den mit Reichtümern gesegneten Menschen gehörte. Die Gesellschafterin war üppig und hatte etwas Verschlagenes im Gesicht.

Die Frau des Maharadscha ließ die schweren Lider ein wenig sinken, es war, als sinne sie nach. Dann aber ruckten die Lider völlig hoch.

O, was hatte sie für unwahrscheinlich große schwarze Augen!

„Das Kleid hat meinen Beifall!“

Sie sagte es langsam und betont. Nur daran merkte man, sie war eine Ausländerin.

Elisabeth stieg die Stufen von der Bühne herunter, ging langsam an den Beschauern vorüber, betrachtete dabei die vier Menschen ein wenig neugierig. Die Gelegenheit, so etwas Fremdländisches von ganz nahe sehen zu dürfen, wollte sie sich nicht entgehen lassen.

Die Fürstin hielt Elisabeth, als sie zum zweiten Male an ihr vorüberschritt, durch eine kleine befehlende Geste an, um das Kleid genauer zu betrachten.

Unwillkürlich senkten sich dabei zwei Augenpaare ineinander.

„Wie eigen schön Sie sind“, sagte die Inderin leise, „wirklich so eigen schön!“

Elisabeth dachte, es war wohl ein großes und besonderes Kompliment, wenn es ihr eine so hohe und verwöhnte Dame machte. Und obwohl sie es wagte, ein wenig zu lächeln, um ihre Dankbarkeit auszudrücken, empfand sie keine Freude.

Sie dachte nur bitter, ihre Schönheit hatte ja nicht einmal genügt, den Geliebten festzuhalten.

Emma erschien.

Sie trug ein dunkelbraunes Kleid mit schwarzen Stickereien und es war so gearbeitet, daß ihre Üppigkeit darin besonders reizvoll wirkte.

Die Gesellschafterin schien entzückt davon.

Die dunkeläugige Hoheit entschied: „Also nehmen wir dies Kleid für Sie, meine Liebe.“

Elisabeth mußte noch ungefähr eine Stunde lang Kleider aller Art und verschiedene kostbare Mäntel vorführen, ebenso Emma. Aber es hatte auch Erfolg, die indische Fürstin kaufte für sich und ihre Gesellschafterin sehr vieles.

Dem Fürsten schien die Geduld auszugehen.

Er sprach leise in einer völlig fremden Sprache ein paar Worte zu seiner Frau, die darauf den Kopf neigte, ihm, als er sich erhob, die Hand reichte.

Er küßte die von flimmernden edlen Steinen übersprühten weißen Finger und die interessante Inderin erklärte: „Mein Mann hat eine wichtige Konferenz im Hotel.“

Der Sekretär war längst aufgesprungen und nach kurzem Gruß, vor dem Frau Weilert in tiefstem Respekt förmlich in sich zusammenknickte, verließ der Maharadscha mit ihm das Atelier.

Nachdem die Fürstin noch kurze Zeit verweilt hatte, versprach sie, während der mehrwöchigen Dauer ihres Berliner Aufenthalts noch mehr einzukaufen.

Die Direktrice näherte sich in ergebenster Haltung.

„Ein Telefonanruf für Hoheit, Fürst Arakan ist am Apparat.“

Die Fürstin erhob sich sofort, ging an das Telefon, sprach etwas dort, lauschte dann und rief danach ein paar fremdklingende Worte hinein.

Sie wandte sich Frau Weilert zu.

„O, Madame, würden Sie die Güte haben, mich sogleich zu begleiten? Es ist ja nicht allzu weit, Sie wissen, wir wohnen im Fürstenhof. Mein Gatte erhielt äußerst wichtige Nachrichten, die von uns fordern, noch heute nach Paris abzureisen, um dort den Vetter meines Gatten noch anzutreffen.“

Else Weilert ließ schnell die Rechnung ausschreiben.

Die Fürstin befahl, zwei Autos rufen zu lassen. Die Kartons mit den Kleidern sollten in das erste Auto gebracht werden, in dem die Gesellschafterin Platz nehmen mußte, im zweiten wollte die Fürstin mit Frau Weilert fahren.

„Wir fahren gleich los, Madame, nicht wahr? Wenn die Kostüme fünf Minuten später wie wir im Hotel ankommen, schadet es ja nichts“, meinte sie.

Frau Weilert hatte keinen Grund zu einer anderen Meinung.

Unterwegs fiel es der Fürstin ein, sie wollte schnell noch zu einem Juwelier, um dort etwas abzuholen, damit es nicht in der Hast der Abreise vergessen würde.

Als sie vor dem eleganten Juweliergeschäft ausstieg, reichte sie Frau Weilert ihr goldenes Handtäschchen.

„Bitte, nehmen Sie es an sich, bis ich wiederkomme, ich bin in spätestens zehn Minuten wieder zurück.“

Frau Weilert war immer mehr von der Liebenswürdigkeit der hohen Frau entzückt und versprach, das Täschchen keine Sekunde aus den Händen zu legen.

Zehn Minuten vergingen und eine halbe Stunde verging, aber die Fürstin kam noch immer nicht zurück.

Nach abermals einer Viertelstunde befiel die Wartende eine seltsame Angst, der sie sich aber zugleich beinahe schämte.

Der Chauffeur stieg ab, öffnete den Schlag.

„Verzeihung, meine Dame, dauert es noch lange, bis die andere Dame wiederkommt? Ich habe nämlich in einer halben Stunde einen Stammfahrgast von seiner Wohnung abzuholen.“

So entschloß sie sich, der Fürstin die Mitteilung zu machen, der Chauffeur wolle nicht länger warten.

Aber der Chauffeur verwehrte ihr das Aussteigen.

„Entschuldigung, meine Dame, aber ich muß Sie bitten, erst zu zahlen, denn falls auch Sie nicht wiederkämen, wäre ich der Dumme.“

Das kluge Frauengesicht ward blaß vor Ärger.

Sie verlor aber kein Wort und zahlte.

Er dankte höflich.

„Ich werde fünf Minuten warten, meine Dame. Wenn Sie bis dahin nicht zurück sind, fahre ich los. Sie kriegen hier ja leicht ein anderes Taxi.“

Mit klopfendem Herzen betrat Frau Weilert den Ladenraum. Auf den ersten Blick sah sie, die Fürstin befand sich nicht darin.

Der Chef selbst kam herbei, um ihr Auskunft zu geben.

Er erklärte, eine Fürstin von Arakan kenne er nicht, dagegen wäre vor ungefähr einer halben Stunde eine Fremde dagewesen, deren Äußeres mit der gegebenen Personalbeschreibung übereinstimmte. Sie hätte hier schon öfter Kleinigkeiten eingekauft und beim Fortgehen stets den Ausgang nach dem Flur benützt, der mit einem Haus der Nebenstraße Verbindung habe. Wer in die Nebenstraße müsse, könne auf diese Weise ein Stück Weg abschneiden.

Die Auskunft brachte Else Weilert einer Ohnmacht nahe.

Sie erzählte keuchend vor Erregung, wer sie war und wie sie zu der Autofahrt mit der jetzt stark verdächtig scheinenden Dame gekommen.

Sie reichte dem Juwelier das goldene Handtäschchen.

„Ich sollte es bei mir behalten, bis sie wiederkäme“, berichtete sie in weinerlichem Ton, „bitte, untersuchen Sie es, sagen Sie mir, ob es größeren Wert hat. Falls man mich, wie ich fürchte, um die Kleider betrogen hat, hätte ich doch wenigstens eine teilweise Entschädigung dafür.“

Der Juwelier brauchte den sehr wertvoll aussehenden Gegenstand nur flüchtig zu prüfen.

„Es ist Talmi, verehrte Frau, Talmi mit bunten Glassteinen am Bügel. Der Neuwert übersteigt zehn oder zwölf Mark ganz bestimmt nicht. Eine indische Fürstin würde sich schönstens bedanken, so etwas zu tragen.“

Er überlegte und riet: „Telefonieren Sie doch für alle Fälle von hier aus sofort das Hotel Fürstenhof an, ob dort ein Fürst von Arakan mit Gemahlin abgestiegen ist.“

Frau Weilert war wie benommen vor Schreck, aber mechanisch folgte sie dem Rat.

Die Antwort fiel verneinend aus und in völlig gebrochener Haltung verließ Frau Weilert das Juweliergeschäft.

Sie setzte im Laufe des Tages allerlei in Bewegung, um herauszubringen, wohin die angebliche Gesellschafterin mit den kostbaren Kleidern gefahren war, aber vergebens. Auch der Polizei hatte sie Meldung gemacht.

Endlich fand man den Chauffeur, der die Schwindelbegleiterin der Schwindelfürstin mit den Kartons ins Hotel hatte bringen sollen.

Er erzählte: in der Nähe des Fürstenhofs hätte ihm die Dame den Befehl gegeben, nach dem Görlitzer Bahnhof zu fahren, was er auch getan hätte. Dort hätten zwei Gepäckträger die Kartons in den Wartesaal tragen müssen, weiter wisse er nichts. Auch im Bahnhof selbst brachte man nichts Besonderes heraus. Wahrscheinlich war die vierköpfige Bande von hier aus abgereist. So nahm man auf der Polizei an. Frau Weilert mußte nun eine sehr böse Erfahrung mit „indischen Fürsten“ zuungunsten ihres Kontos buchen. Ihr Verlust betrug einen Verkaufswert von zwanzigtausend Mark.

Sie war jetzt immer verärgert und in grimmigster Stimmung. Ihre Angestellten fanden, es war jetzt schlecht Kirschessen mit ihr.

Emma meinte eines Mittags, als sie mit Elisabeth in dem kleinen billigen Restaurant der Anhalter Straße saß: „Unsere Olle is jetzt unjenießbar wegen der Maharadscharin aus Jaunerland.“

Elisabeth nickte nur, es stimmte ja, was Emma sagte.

„Und du, Liliken, bist auch so miesepeterig. Manchmal starrst du ins Leere und hast kein‘ Dunst, wovon man mit dir jequatscht hat. Wenn du ißt, weißt du nich, was du in den Mund steckst. Hör mal, Liliken, mopple dir mal ’n bißchen auf. Du sollst dir nich innerlich kaputt machen für einen Menschen, der das nicht wert is.“

„Emma, ich bitte dich, sei still davon“, bat Elisabeth gequält.

„Fällt mir jar nich ein“, widersprach die meist so gutmütige Dicke. Ihre Augen blinzelten. „Du, ich weiß ’ne Adresse, wo du bestimmt was über ihn hören kannst. Danach is dir vielleicht wohler, weil du dann weißt, woran du bist.“

Elisabeth blickte grenzenlos erstaunt.

„Du weißt jemand, der mir über ihn, über Heino Staufen, etwas mitteilen könnte?“

„Na, nich ganz so, wie du dir das nu wohl denkst“, bremste Emma. „Ich meine, ich kenne die Adresse einer Frau, zu der die feinsten Damen kommen, um sich allerlei sagen zu lassen, was mit der Herzjejend zusammenhängt.“

Elisabeth war bitter enttäuscht.

„Du redest von einer Kartenlegerin, nicht wahr?“

Emma schüttelte den Kopf.

„Bewahre, sie is so ’ne Art Hellseherin. Weißt du, eine, die Dinge sehen kann, die weit weg von einem passieren. Sie versteht sich auf allerlei Jeheimnisvolles. Ich habe von ein paar Bekannten jehört, sie hätte jründlich was los. Wie wäre es, Liliken, wollen wir hinstiebeln bei die Tunte? Ich rate dir zu, damit du ruhiger wirst. Wenn du zum Beispiel von der Hellseherin hören würdest, er poussiert schon mit ’ner anderen, wärst du doch kuriert.“

Elisabeth zuckte die Achseln.

„Ich gebe für solchen Mumpitz kein Geld aus. Und ich will auch gar nichts wissen, glauben würde ich es ja doch nicht.“

Emma krauste die Stirn.

„Liliken, nimm es mir nich übel, aber das is ’n Zeichen von Dummheit. Das Hellsehen hat schon bei Kriminalfällen eine wichtige Rolle jespielt, un wenn so was von der Polizei ernst jenommen wird, brauchst du dir wahrhaftig nich dajejen wehren. Weißt du, Liliken, heute is doch nich viel im Jeschäft los, machen wir einfach blau. Ich telefoniere unsere Olle an, dir wäre schlecht jeworden, sie soll erlauben, daß du nach Hause fährst, un ich möchte dir an die Bahn bringen.“

Sie beachtete Lilis Widerspruch gar nicht, sprang auf und verschwand in der Telefonzelle.

Nach fünf Minuten kam sie sehr vergnügt zurück.

„Det Ding hab ich schon jeschmissen, meine liebe Kollejin. Unsere Olle war janz ängstlich wejen dir un hat mir abkommandiert, dir nach euerem Kaff zu bejleiten, damit dir nix passiert. Du bist ja auch ihr erklärter Liebling. Jedenfalls sind wir den Nachmittag frei.“ Sie drängte: „Los, Liliken, machen wir uns auf die Socken, die Adresse, die ich weiß, is ein bißchen abjelejen.“

Auf der Straße wehrte sich Elisabeth noch gegen Emmas Vorschlag, aber nachdem sie von der energischen Freundin in eine Elektrische gezogen worden war, gab sie den Widerstand auf.

Still saß sie Emma gegenüber, die ebenfalls wenig sprach.

Aber nicht etwa, weil ihr nichts einfiel, sondern weil der Wagen gedrängt voll von Menschen war.

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