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Der Verfall der Logik

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Aufgrund der Auswirkungen der Renaissance und der Reformation war das 16. Jahrhundert in den meisten Fächern der Philosophie eine unfruchtbare Zeit. Die Logik war möglicherweise derjenige Zweig der Philosophie, dessen Niedergang am deutlichsten war. Logik wurde zwar nach wie vor an den Universitäten unterrichtet, doch hatten humanistische Gelehrte wenig dafür übrig. Sie hielten ihre Terminologie für barbarisch und die von ihr behandelten Schwierigkeiten für belanglos. Rabelais gab ihre Haltung wieder, als er sich in Pantagruel (1532) über die Logiker lustig machte: Sie fragten danach, ob eine durch ein Vakuum brummende Schimäre Absichten zweiten Grades verschlingen könne. Die meisten Fortschritte in diesem Fach, die den Stoikern und den Logikern des Mittelalters gelungen waren, waren vier Jahrhunderte lang verschollen. Stattdessen wurde durch populäre Lehrbücher eine vereinfachte Version der Logik von Aristoteles auf elementarster Ebene unterrichtet.

Um die Mitte des Jahrhunderts begann man, diese Bücher in Übersetzungen in verschiedene Landessprachen herauszugeben. Die erste englische Version war Thomas Wilsons The Rule of Reason (Die Leitung der Vernunft), die er 1551 Edward VI. widmete. Er verwendete als Erster diejenigen englischen Wörter, die heute die Grundbegriffe der Logik ausmachen, wie zum Beispiel das Wort „Proposition“ (Aussage). Andere verwarfen solche Latinismen und bemühten sich darum, eine angelsächsische Terminologie zu erfinden. Ralphe Lever meinte, Logik solle als „Hexerei“ bezeichnet werden. Als er in seinem Lehrbuch erklären wollte, dass eine widersprüchliche Proposition aus zwei Aussagen, einer bejahenden und einer verneinenden, bestehe, die dasselbe Subjekt, Prädikat und Verb haben, führte er folgendes Beispiel an: „Widersprechende Aussagen bestehen aus zwei Aussagen, einer bejahenden und einer verneinenden Aussage, wobei weder Subjekt, Prädikat noch Verb sich ändern.“5

Diese englischen Logiklehrbücher hatten kaum einen Einfluss. In Frankreich verhielt es sich anders: Petrus Ramus (Pierre de la Ramée, 1515–1572) erlangte einen dauerhaften Ruhm, der allerdings zu seinen Verdiensten als Logiker in keinerlei Verhältnis stand. Eine Legende erzählt, er habe für seinen Magistergrad die These verteidigt, dass alles, was Aristoteles je gelehrt habe, falsch sei. Tatsächlich verfasste er später eine anti-aristotelische Abhandlung und als er zum Professor am Collège Royale ernannt wurde, ließ er ihr zwanzig kritische Bücher über Aristoteles folgen. Seine Dialectique, die 1555 auf Französisch, 1556 auf Latein und 1574 auf Englisch erschien, sollte alle bisherigen Logiklehrbücher überflüssig machen. Er behauptete, dass hierin erstmals die Gesetze dargelegt seien, nach denen sich das natürliche Denken der Menschen vollziehe.

Logik, so sagt er uns, sei die Kunst, die lehre, wie man erfolgreich disputiere. Sie hat zwei Teile: Erfindung (invention) und Urteil, dem jeweils ein eigenes Buch gewidmet ist. Bei der Darstellung der „Erfindung“ listet er neun Bereiche oder Themengebiete auf, in denen man nach Argumenten suchen kann, um eine Schlussfolgerung zu untermauern, die man verteidigen möchte. Dies sind: Ursache, Wirkung, Subjekt, Attribut (adjunct), Gegensatz, Vergleich, Name, Unterteilung und Definition. Er veranschaulicht jeden dieser Bereiche mit zahlreichen Zitaten klassischer Autoren, die fast die Hälfte seines kurzen ersten Buches ausmachen. So definiert Ramus beispielsweise ‚Attribut‘ als „dasjenige, was ein Subjekt hat, mit dem es verbunden ist, wie Tugend und Laster als Attribute des Körpers oder der Seele bezeichnet werden; und um es kurz zu sagen: Alle Dinge, die dem Subjekt, neben seinem Wesen, zufällig zukommen, werden als Attribut bezeichnet“. Er veranschaulicht dies dann mit einem langen Zitat aus einer Rede Ciceros, die folgendermaßen beginnt:

„Beweisen nicht sein Kopf und seine Augenbrauen, die er ganz abgeschnitten und so sauber rasiert hat, dass er böswillig ist und nach Gaunerei stinkt? Sprechen sie nicht eine deutliche Sprache und schreien sie nicht förmlich, dass er ein listiger Fuchs ist?“ (L 33)

Trotz seiner offiziellen Geringschätzung von Aristoteles sind die meisten der von ihm für Argumente aufgelisteten Themenfelder verschiedenen Stellen des Corpus Aristotelicum entnommen und auf ähnliche Weise definiert. Die einzige Neuerung ist seine Erörterung dessen, was er gegen Ende des Buches als „nichtkünstliche“ Argumente bezeichnet. Als Beispiele hierfür führt er die Verkündigungen göttlicher Orakel und menschliche Zeugenaussagen vor Gericht an.

Das zweite Buch kommt dem traditionellen Thema der Logik näher. Auch hier lehnt sich Ramus bei seiner Klassifikation der verschiedenen Aussagetypen und der Analyse der verschiedenen Schlussfiguren wieder deutlich an Aristoteles an. Seine hauptsächliche Neuerung besteht darin, dass er Argumenten, die Eigennamen enthalten, wesentlich mehr Aufmerksamkeit als Aristoteles widmet, wie zum Beispiel: „Caesar unterdrückt sein Vaterland; Tullius unterdrückt sein Vaterland nicht; also ist Tullius nicht Caesar.“ (L 37)

Moderne Historiker der Logik finden wenig Verdienstvolles und kaum Originalität in den Werken von Petrus Ramus, doch noch lange nach seinem Tod gab es hitzige Debatten zwischen Aristotelikern und Ramisten, und es gab sogar Gruppen von Semi-Ramisten, die für einen Kompromiss zwischen den beiden Schulen eintraten. Ramus trat im Jahre 1561 zum Calvinismus über und fiel in der Bartholomäusnacht des Jahres 1572 dem Massaker an Protestanten zum Opfer. Sein Status als Märtyrer gab seinen Schriften ein Prestige, dass sie ansonsten nicht erlangt hätten, und sein Einfluss hielt jahrhundertelang an. John Milton veröffentlichte fünf Jahre, nachdem er Paradise Lost abgeschlossen hatte, beispielsweise einen Band ramistischer Logik. Die Beliebtheit der ramistischen Werke führte zu einer langandauernden Verarmung der Logik. In der Formalisierung der Modallogik und in der Logik der kontrafaktischen Annahmen, die die Logiker des Mittelalters fasziniert hatten, wurden nicht nur keine weiteren Fortschritte erzielt, sondern große Teile ihrer Arbeiten gerieten völlig in Vergessenheit.

Geschichte der abendländischen Philosophie

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