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Die Philosophie der Gegenreformation

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Montaignes Hochschätzung der Offenbarung zulasten der Vernunft – eine Haltung, die man später als „Fideismus“ bezeichnete – war für die Gegenreformation nicht typisch. Als Reaktion auf Luther, der darauf bestand, dass die Vernunft und der Wille des Menschen durch die Sünde Adams vollständig verdorben worden waren, tendierten seine katholischen Gegner dazu hervorzuheben, dass grundlegende religiöse Wahrheiten für die menschliche Vernunft ohne Hilfe der Offenbarung erkennbar waren und selbst der Glaube der Unterstützung und Verteidigung durch die Vernunft bedurfte.

An vorderster Front dieser optimistischen Bewegung der Gegenreformation standen die Jesuiten, die Mitglieder der neuen Gesellschaft Jesu. Dieser Orden war von einem ehemaligen Soldaten, dem Spanier Ignatius von Loyola gegründet und im Jahre 1540 von Papst Paul III. genehmigt worden. Zusätzlich zum Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams, das von allen Mitgliedern religiöser Orden abgelegt wird, legten die Jesuiten ein zusätzliches Gelübde der bedingungslosen Treue zum Papsttum ab. Die Mitglieder der Gesellschaft Jesu traten in vielen Teilen der Welt schon bald durch ihre Leistungen auf den Gebieten der Erziehung und Mission hervor. In Europa waren sie bereit, für die Sache der Gegenreformation die Gefahr eines Märtyrertodes auf sich zu nehmen. In Amerika, Indien und China brachten sie den einheimischen Religionen mehr Verständnis entgegen als viele andere – katholische und protestantische – christliche Missionare. In der akademischen Philosophie und Theologie konnten sie es schon bald mit den seit langem etablierten religiösen Orden der Franziskaner und Dominikaner aufnehmen. Sie vertraten eine neue und nach ihrem eigenen Urteil verbesserte Version des scholastischen Denkens.

Während die mittelalterlichen Scholastiker ihren Vorlesungen an den Universitäten kanonische Texte, wie zum Beispiel die Werke des Aristoteles und die Sentenzen von Petrus Lombardus, zugrunde gelegt hatten, begannen die Jesuiten bloße Kommentare durch eigenständige Kurse in Philosophie und Theologie zu ersetzen.9 Im frühen 17. Jahrhundert wurde diese Vorgehensweise durch Dominikaner und Franziskaner übernommen, und dies führte zu einer schärferen Trennung zwischen Philosophie und Theologie, als sie bislang üblich war. Der Vorreiter dieser Bewegung, die Philosophie durch die Einführung eigenständiger Lehrbücher zu reformieren, war der spanische Jesuit Francisco Suárez. Seine Disputationes Metaphysicae (1597) waren die ersten systematischen Abhandlungen der scholastischen Metaphysik in dieser Form.

Suárez wurde im Jahre 1548 in Granada geboren, und er schloss sich der Gesellschaft Jesu im Jahre 1564 an. Er war während seines gesamten Berufslebens Hochschullehrer und hielt an insgesamt sechs verschiedenen Universitäten in Spanien und am Jesuitenkolleg in Rom Vorlesungen. Er war ein frommer und gelehrter Mann, und was seine intellektuelle Leistungsfähigkeit betrifft, könnte er beanspruchen, der herausragendste Philosoph des 16. Jahrhunderts gewesen zu sein. In der Geschichte der Philosophie nimmt er jedoch keinen seinen Begabungen entsprechenden Platz ein, und zwar aus zwei Gründen: Erstens handelt es sich bei dem größten Teil seiner Arbeiten um Neuformulierungen und verfeinerte Darstellungen mittelalterlicher Themen, statt um die Erschließung neuer Problemgebiete. Zweitens war er als Autor nicht nur ungeheuer produktiv (seine gesammelten Werke umfassen 28 Bände), sondern auch weitschweifig und langweilig. Soweit er einen Einfluss auf die Philosophie nach ihm gehabt hat, geschah dies durch die Schriften zwar weniger bedeutender, dafür aber lesbarerer Nachahmer.


Die Decke der Kirche S. Ignazio in Rom, die von Andrea Pozzo bemalt wurde, zeigt die Verklärung des Gründers der Gesellschaft Jesu.

Die beiden Gebiete, in denen er tatsächlich einflussreich war, waren Metaphysik und politische Philosophie. Zwar verehrte er Thomas von Aquin sehr, doch folgte er als Metaphysiker eher Avicenna und Duns Scotus, statt dem Aquinaten selbst. Paradoxerweise steht vieles, was im 17., 18. und 19. Jahrhundert als Thomismus galt, der Metaphysik von Suárez näher als der Summa Contra Gentiles. Suárez’ Beitrag zur politischen Philosophie war seine Schrift De Legibus von 1612. Sie wurde zur ungenannten Quelle vieler Ideen bekannterer Denker. Zu seinen eigenen Lebzeiten war er für seinen Streit mit König Jakob I. über das Gottesgnadentum der Könige am bekanntesten. Er griff die Theorie an, die das Herrschaftsrecht weltlicher Monarchen direkt von Gott ableitete. Jakob I. ließ dieses Buch öffentlich verbrennen.10

Keines der philosophischen Probleme, die die katholischen und protestantischen Lager im 16. Jahrhundert trennten, war schwieriger als die Frage nach der Freiheit des menschlichen Willens. Die Willensfreiheit war auf dem Konzil von Trient gegen Luthers Determinismus und Calvins Prädestinationslehre bekräftigt worden. Die Jesuiten verteidigten die Lehre von der Freiheit des Willens. Suárez und sein jesuitischer Kollege Luis de Molina vertraten eine Definition der Handlungsfreiheit, nach der sie im Vorhandensein alternativer Handlungsmöglichkeiten bestand, die man später als „Freiheit der Indifferenz“ bezeichnete. Derjenige Handelnde werde als frei bezeichnet, der beim Vorhandensein aller notwendigen Bedingungen für eine Handlung diese ausführen oder unterlassen könne oder der etwas tun könne, während er fähig sei, das Gegenteil davon zu tun.

Diese Definition wurde dem menschlichen Selbstbewusstsein, über Wahlfreiheit zu verfügen, und der Tatsache, dass wir andere für ihre Handlungen verantwortlich machen, voll gerecht. Doch im Vergleich mit eingeschränkteren Theorien der Freiheit des Menschen machte sie es sehr schwer, die Lehre von der göttlichen Voraussicht der freien menschlichen Handlungen zu erklären, der Katholiken und Protestanten verpflichtet waren. In seiner berühmten Abhandlung Concordia aus dem Jahre 1588 legte Molina eine sorgfältig ausgearbeitete Lösung dieses Problems vor. Er stützte sich dabei auf Gottes umfassende Kenntnis der Handlungen jedes möglichen Menschen in jeder möglichen Welt.11 So scharfsinnig sie auch war, fand Molinas Lösung nicht nur unter Protestanten keine Zustimmung, sondern sie war auch bei seinen katholischen Glaubensbrüdern wenig beliebt.

Dominikanische Theologen, von denen der lautstärkste der Thomist Domingo Bâñez (1528–1604) war, waren der Auffassung, die jesuitischen Theologen betonten die Freiheit des Menschen in übertriebener Weise und schränkten dadurch die Macht Gottes ein. Dieser Streit zwischen den beiden religiösen Orden nahm so bittere Formen an, dass Papst Clemens VIII. im Jahre 1605 beiden Seiten Schweigen auferlegte, ohne das zugrunde liegende Problem zu lösen. Ironischerweise schlug innerhalb des reformierten Lagers ein Geistlicher aus Leiden namens Arminius Ideen vor, die denjenigen Molinas ähnlich waren, wenn auch weniger differenziert. Die Synode von Dordrecht erklärte sie im Jahre 1619 als mit der calvinistischen Orthodoxie unvereinbar.

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