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Einführung

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Dies ist der dritte Band einer auf vier Bände angelegten Geschichte der Philosophie von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Der erste Band zur Philosophie der Antike (2004) beschreibt die frühen Jahrhunderte der Philosophie im klassischen Griechenland und in Rom. Der zweite Band zur Philosophie des Mittelalters (2005) behandelt die Zeit von der Bekehrung des heiligen Augustinus bis zur humanistischen Renaissance. Der gegenwärtige Band führt die Geschichte der Philosophie vom Beginn des 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts weiter. Der letzte Band vervollständigt die Darstellung von der Zeit von Karl Marx und John Stuart Mill bis zur Gegenwart.

Der gegenwärtige Band ist ebenso aufgebaut wie die beiden früheren. In den ersten drei Kapiteln gebe ich eine chronologische Übersicht über die Philosophen der Neuzeit. Die restlichen Kapitel enthalten eine nach Themen geordnete Behandlung ihrer jeweiligen Beiträge zu den philosophische Fragen, die von bleibender Bedeutsamkeit sind. Einige Leser sind an der Geschichte der Philosophie hauptsächlich deshalb interessiert, weil sie ein Licht auf die Menschen und Gesellschaften der Vergangenheit wirft. Andere Leser studieren die großen Philosophen der Vergangenheit, um bei ihnen Einsichten zu philosophischen Fragen zu finden, die nach wie vor aktuell sind. Indem ich das Buch auf diese Weise unterteilt habe, hoffe ich, beiden Lesern gerecht werden zu können. Vornehmlich historisch interessierte Leser können sich auf die chronologische Übersicht konzentrieren und bei Bedarf zur Vertiefung die thematischen Kapitel konsultieren. Stärker an den philosophischen Problemen interessierte Leser werden hingegen hauptsächlich die thematischen Abschnitte der Bände lesen und die chronologischen Übersichten zurate ziehen, um ein bestimmtes Problem in seinen Kontext zu stellen.

Bei den Lesern, die ich vor Augen habe, handelt es sich um Studenten auf dem Niveau des zweiten und dritten Studienjahres. Da mir jedoch klar ist, dass viele Studenten, die sich für die Geschichte der Philosophie interessieren, für andere Fächer eingeschrieben sind, in denen die Philosophie nur eine untergeordnete Rolle spielt, werde ich, soweit es geht, nicht voraussetzen, dass meine Leser mit den philosophischen Methoden und der philosophischen Terminologie der Gegenwart vertraut sind. Außerdem habe ich – mit Ausnahme der Originaltexte der Denker des betrachteten Zeitraums – in die Bibliografie lediglich englische Werke aufgenommen. Ich habe mich ferner bemüht, jeglichen Jargon zu vermeiden und so deutlich zu schreiben, dass meine Geschichte auch Leser anzieht, die Philosophie nicht lesen, weil sie auf ihrem Lehrplan steht, sondern die dies zur eigenen Belehrung und Unterhaltung tun.

Dies ist mir umso leichter gefallen, als ich über viele historische Themen notwendigerweise als Amateur statt als Fachmann schreibe. Zu einer Zeit, in der das akademische Studium der Philosophen der Vergangenheit exponenziell zugenommen hat, kann ein Einzelner lediglich einen Bruchteil der uferlosen Sekundärliteratur zur Kenntnis nehmen, die in den letzten Jahren zu jedem der in diesem Band behandelten Denker erschienen ist. Ich selbst habe zur akademischen Diskussion einiger der großen Philosophen der Neuzeit eigene Beiträge geliefert, insbesondere zu Descartes, und habe außerdem Monografien zu einigen der Themen verfasst, die in den späteren Kapiteln dieses Buches dargestellt werden, wie zum Beispiel zur Philosophie des Geistes und zur Philosophie der Religion. Bei der Zusammenstellung der Bibliografie wurde mir jedoch im Vergleich mit der Literatur, die mir vertraut ist, bewusst, wie zahlreich die Werke sind, die ich nicht gelesen habe.

Jeder Autor, der versucht, die gesamte Geschichte der Philosophie allein abzuhandeln, wird sich sehr schnell bewusst, dass er in Einzelfragen im Vergleich mit denjenigen Forschern, die einen einzelnen Philosophen zu ihrem Spezialgebiet gemacht haben, enorm benachteiligt ist. Allerdings kann eine von einem einzelnen Autor verfasste Darstellung Aspekte der Geschichte der Philosophie hervorheben, die in den Arbeiten von Spezialistenteams weniger zum Vorschein kommen, ebenso wie eine Luftaufnahme Aspekte einer Landschaft sichtbar machen kann, die Beobachtern in der Nähe des Bodens fast unsichtbar sind.

Was jemandem, der sich der Philosophie der frühen Neuzeit von einem antiken oder mittelalterlichen Hintergrund aus zuwendet, am meisten auffällt, ist die Tatsache, dass Aristoteles auf der philosophischen Bühne fehlt. Gewiss: Während der in diesem Band behandelten Epoche der Philosophie wurde Aristoteles an den Universitäten nach wie vor studiert, und in Oxford hat es seit Gründung der Universität nie eine Zeit gegeben, in der die Philosophie von Aristoteles nicht unterrichtet worden wäre. Das andere auffallende Merkmal des in diesem Band behandelten Zeitraums, das ihn sowohl vom Mittelalter als auch vom 20. Jahrhundert abgrenzt, ist die Tatsache, dass es sich hierbei um eine Epoche der Philosophie handelt, in der sie am intensivsten nicht innerhalb, sondern außerhalb der Universitäten betrieben wurde. Von allen großen Denkern des 17. und 18. Jahrhunderts gab es vor Wolff und Kant keinen, der eine Professur in Philosophie innehatte.

Dass die Philosophie Aristoteles den Rücken zukehrte, hatte sowohl gute als auch schlechte Konsequenzen. Für die Philosophie im weiteren Sinne – die Philosophie, wie sie während des größten Teils unserer Epoche verstanden wurde: als Disziplin, die die Naturwissenschaften als „Naturphilosophie“ umfasste – war es ein großer Segen, dass die tote Hand von Aristoteles nicht mehr auf ihr lastete. Aristoteles’ Physik enthielt hoffnungslose Irrtümer, und dies hatte man bereits im sechsten Jahrhundert unserer Zeitrechnung erkannt. Die Ehrfurcht, die man ihr während des Mittelalters entgegenbrachte, hat den wissenschaftlichen Fortschritt enorm gebremst. Doch für die Philosophie im engeren Sinne – Philosophie, wie sie heute als eigenes Fach an den Universitäten vertreten ist – hatte die völlige Vernachlässigung von Aristoteles sowohl negative als auch positive Konsequenzen.

Die frühe Neuzeit wird von zwei philosophischen Riesen beherrscht, vom einen an ihrem Beginn und dem anderen an ihrem Ende: Descartes und Kant. Descartes stand in der Rebellion gegen Aristoteles an vorderster Front. In der Metaphysik verwarf er die Begriffe der Möglichkeit und Wirklichkeit, und in der philosophischen Psychologie ersetzte er als Merkmal des Geistigen die Vernunft durch das Bewusstsein. Hobbes und Locke gründeten als Reaktion auf den kartesianischen Rationalismus eine Schule des britischen Empirismus, doch die Grundannahmen, die sie mit Descartes teilten, waren wichtiger als die Punkte, in denen sie sich von ihm unterschieden. Es bedurfte des Genies von Kant, in der Erkenntnistheorie die verschiedenen Beiträge der Sinne und des Verstandes, die von den Empiristen und Rationalisten getrennt und verzerrt worden waren, wieder zusammenzuführen.

Das Hauptmerkmal des kartesianischen Dualismus war die Trennung von Geist und Materie, die als Trennung des Bewusstseins von einem Mechanismus verstanden wurde. Hierdurch wurde ein Abgrund geöffnet, der die metaphysischen Bemühungen des in diesem Band betrachteten Zeitraums behinderte. Einerseits erbauten spekulative Denker Systeme, die den gesunden Menschenverstand des gewöhnlichen Lesers immer stärker überforderten. Was immer die Fehler von Aristoteles’ Hylemorphismus sein mögen: Seine Substanzen – Dinge wie Katzen und Kohlköpfe – hatten, im Gegensatz zu unerkennbaren Substraten, Monaden, Noumena und dem Absoluten, zumindest den Vorteil, zweifellos in der alltäglichen Welt zu existieren. Andererseits fielen dem Zweifel skeptischer Denker nicht nur Aristoteles’ substanzielle Formen, sondern auch primäre und sekundäre Qualitäten, materielle Substanzen und schließlich auch der menschliche Geist selbst zum Opfer.

In der Einleitung zu seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie warnt Hegel vor den stumpfsinnigen Philosophiegeschichten, in denen die Abfolge der Systeme lediglich als eine Anzahl von Meinungen, Fehlern und kuriosen Gedanken dargestellt wird. In solchen Werken, sagt er, erscheine das Ganze der Geschichte der Philosophie als „ein Reich vergangener, nicht nur leiblich verstorbener Individuen, sondern widerlegter, geistig vergangener Systeme, deren jedes das andere tot gemacht, begraben hat“1 (LHP 17).

Obwohl ich versuche, die Meinungen der in der Neuzeit aufeinanderfolgenden Philosophen wahrheitsgemäß wiederzugeben, hoffe ich dennoch, dass Hegels Kritik diesen Band nicht trifft. Ich bin der Überzeugung, dass die Philosophen der Neuzeit, obwohl sie – indem sie einige der wertvollsten Hilfsmittel, die sich die Philosophie in der Antike und im Mittelalter geschaffen hatte, wegwarfen – sich selbst behinderten, dennoch viele wertvolle Beiträge von bleibendem Wert geliefert haben, die in den thematisch geordneten Kapiteln aufgeführt und erörtert werden. Ich hoffe, in diesem Buch die philosophischen Gewinne und Verluste nachzuzeichnen. Ich glaube, dass selbst durch das Studium der weniger systematischen Einfälle derjenigen, die Hegel als „Heroen des Geistes“ bezeichnet, sehr viel zu lernen ist. Bedeutende Philosophen jedes Zeitalters haben große Denkfehler begangen: Es beweist keinen Mangel an Respekt ihnen gegenüber, wenn man versucht, einige der Irrtümer aufzudecken, denen sie anscheinend erlegen sind.

Die Themenaufteilung dieses Bandes unterscheidet sich von derjenigen der vorausgehenden beiden Bände in zweierlei Hinsicht. Erstens findet sich kein eigenes, der Logik und Sprachphilosophie gewidmetes Kapitel mehr, da die Philosophen in unserer Epoche keine Beiträge zu diesen Teilgebieten geliefert haben, die mit denjenigen des Mittelalters oder des 19. und 20. Jahrhunderts vergleichbar wären. (Es ist zwar zutreffend, dass der betrachtete Zeitraum einen genialen Logiker, Leibniz, enthält. Doch seine logischen Werke hatten vor dem 19. Jahrhundert kaum einen Einfluss.) Zweitens findet sich erstmals ein der politischen Philosophie gewidmetes Kapitel. Erst seit der Zeit von Machiavelli und Thomas Morus sind die politischen Institutionen des jeweiligen Zeitalters unseren heutigen so ähnlich, dass die Einsichten der politischen Philosophen für die gegenwärtige Diskussion relevant sind. Das Kapitel über Physik ist kürzer als in den früheren Bänden, da mit Newton die Geschichte der Physik Teil der Geschichte der Wissenschaften wird, statt weiterhin zur Geschichte der Philosophie zu gehören. Allein die abstrakte Behandlung der Begriffe von Raum und Zeit überließ man, zumindest eine Zeitlang, den Philosophen.

Peter Momtchiloff und seinen Kollegen bei Oxford University Press sowie drei anonymen Lektoren danke ich für die Verbesserungen einer früheren Fassung dieses Bandes.

Anmerkung des Übersetzers: Bei der Wiedergabe der Zitate wurde nach Möglichkeit eine deutsche Standardübersetzung verwendet oder der Originaltext zurate gezogen.

1 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, in der von E. Moldenhauer und M. Michel neu edierten Ausgabe der gesammelten Werke (Frankfurt: Suhrkamp, 1979), Band 18, Einleitung A.1.b.

Geschichte der abendländischen Philosophie

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