Читать книгу Noch ein Leben - Antje Aubert - Страница 16
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Annabel drehte sich zum x-ten Mal von der einen auf die andere Seite. In der ersten Nacht hatte sie in dem großen, breiten Bett wie ein Murmeltier geschlafen. Doch heute war sie an der Reihe, sich mit dem kleinen, engen Sofa zu begnügen. Sie selbst hatte darauf bestanden, obwohl Simon ihr zig Mal erklärt hatte, dass es ihm nichts ausmachen würde, die ganze Woche auf der Couch zu schlafen. Vielleicht hätte sie doch auf ihn hören sollen, denn so wie es im Moment aussah, würde sie die ganze Nacht kein Auge zudrücken.
Simon hörte, wie Annabel vergeblich versuchte, eine einigermaßen komfortable Schlafstellung auf der kleinen Sitzcouch zu finden. Er selbst hatte die letzte Nacht gerade mal zwei Stunden fest geschlafen, und das eigentlich nur vor Erschöpfung. Den Rest der Zeit hatte er damit zugebracht, seine Beine krampfhaft irgendwie davor zu bewahren, nicht auf den Boden abzurutschen! Im Grunde genommen war es wirklich völlig idiotisch, nicht das überdimensional große Bett miteinander zu teilen und sich stattdessen im Wechsel mit der Couch abzuquälen! Er würde ihr schon nichts tun! Und das Bett war breit genug, um sich nicht ungewollt in die Quere zu kommen.
Annabel war kurz davor aufzustehen und sich klammheimlich an den äußeren Rand des Bettes zu legen, auf die entgegengesetzte Seite von Simon. Vom Platz her bestünde eigentlich keine Gefahr, dass sie sich berührten. Es sei denn, Simon würde sich im Traum unbewusst von der einen Ecke des Bettes in die andere rollen. Aber das Risiko war es ihr fast wert... „Simon?“ flüsterte sie. Wenn er noch nicht schlief, konnte sie ihn ja auch fragen, ob es ihm nichts ausmachen würde, doch das Bett miteinander zu teilen. Dann wüsste er wenigstens, dass er schön brav auf seiner Seite zu bleiben hatte!
Simon zögerte. Sollte er antworten oder so tun, als ob er schlief? Er war sich fast sicher, dass sie früher oder später schwach werden und von der Couch auf das Bett wechseln würde. Wie gerne würde er ihr einen kleinen Schrecken einjagen, so wie er es früher nachts oft getan hatte, wenn sie mit Freunden unterwegs waren. Aber wäre das in der aktuellen Situation angebracht? Würde sie genauso cool wie damals darauf reagieren, ihn einfach nur mit einem Knuff in die Seite und einer Trachtprügel mit dem Kissen bestrafen, bevor sie lachend nebeneinander liegen bleiben und bis in die Morgenstunden diskutieren würden?
Annabel bekam keine Antwort auf ihr Flüstern. Simon schien tatsächlich schon zu schlafen. Kein Wunder! Er musste die letzte Nacht genauso gelitten haben wie sie jetzt und war sicher im Handumdrehen eingepennt! Egal. Sie hatte keine Lust, die halbe Nacht wach zu liegen. Morgen wollten sie einen langen Ausflug in die Berge machen, da musste sie schließlich fit sein! Sie ließ sich vorsichtig auf den Boden gleiten und rutschte auf allen Vieren zum Bett, ihr Kissen unter dem Arm und die Decke hinter sich her schleifend.
Simon versuchte, weiterhin so gleichmäßig wie möglich zu atmen, damit Annabel nicht mitbekam, dass er gar nicht schlief. Er hörte, wie sie aufs Bett krabbelte und die Decke über sich zog. Sein Herz begann, wie wild zu klopfen. Natürlich war das nur die Aufregung wegen des Streiches, den er ihr gleich spielen wollte! Jede andere Erklärung für dieses Herzklopfen wäre völlig absurd gewesen! Immerhin waren sie seit einer Ewigkeit nur gute Freunde. Keiner von beiden hatte je etwas anderes für den anderen empfunden, warum sollte sich das mit einem Mal geändert haben?
Annabel war sich der Nähe Simons stärker bewusst als es ihr lieb war. Nur gut, dass sie so müde war, dass ihr bereits die Augen zufielen. Sie war wirklich durch den Wind, wenn sie jetzt schon wegen eines Freundes, bei dem sie jahrelang nicht die geringste Anziehung gespürt hatte, auf einmal Herzklopfen bekam! Sie würde... „Ahhhh!“ Mit einem Aufschrei fuhr sie in die Höhe und suchte verzweifelt nach dem Lichtschalter. „Noch genauso leicht zu erschrecken wie früher!“ hörte sie in diesem Moment Simons amüsierte Stimme. „Simon!“ rief sie empört! „Das wirst du mir büßen, du gemeiner Kerl!“ Endlich hatte sie den Lichtschalter gefunden. Simon saß mit nacktem Oberkörper aufrecht im Bett und lachte sie frech an.
Annabel sprang aus dem Bett, lief zur Couch und schnappte sich alle verfügbaren Kissen um diese anschließend wahllos in Richtung Simon zu werfen! Dieser schüttelte sich mittlerweile vor Lachen, äußerst zufrieden mit dem Resultat seiner Tat. „Du hättest nicht so viel Wein beim Abendessen trinken dürfen. Bis jetzt hast du mich noch nicht mal annähernd mit einem der Kissen getroffen!“ Annabel, die nun auch lachen musste, hielt in ihrer Bewegung inne, die dafür gedacht gewesen war, das letzte Kissen auch noch in Richtung Bett zu feuern.
„Du willst Krieg?“ meinte sie dann. „Du willst also wirklich Krieg?“ Und mit schnellen Schritten war sie am Bett und drückte das letzte Kissen auf Simons Gesicht, während sie ihn unsanft von oben bis unten in beide Seiten knuffte. „Aufhören! Aufhören! Bitte, Annabel!“ kam es halb erstickt unter dem Kissen hervor. Doch Annabel dachte gar nicht daran aufzuhören. Dazu machte ihr es viel zu viel Spaß sich für den Schreck, den er ihr eingejagt hatte, zu revanchieren!
Simon ließ sie ein paar Minuten gewähren, dann packte er sie mit einem Ruck, hievte sie über sich aufs Bett und rollte sich halb auf sie, so dass sie sich nicht mehr wehren konnte. „Pff!“ meinte sie gespielt verächtlich. „Mit unlauteren Mitteln kann natürlich jeder gewinnen!“ „Du warst schon immer eine schlechte Verliererin!“ neckte Simon sie zurück. „Gar nicht wahr!“ widersprach ihm Annabel lachend.
Simon lockerte seinen Griff und rollte sich neben sie auf die Seite. Er sah sie eine Weile an und sagte dann: „Es ist schön, dich lachen zu sehen!“ Annabel drehte sich nun auch auf die Seite und lächelte ihn an: „Das ist dein Verdienst! Du hast es schon immer geschafft, mich auf andere Gedanken zu bringen!“ Sie sahen sich eine Weile schweigend an. Er spürte, wie sein Herz wieder anfing, schneller zu klopfen, und er hätte fast schwören können, dass es ihr genauso ging. Doch so schwer es ihm auch fiel, befahl er sich, nichts zu unternehmen, was beide sicherlich direkt morgen früh wieder bereuen würden.
Stattdessen gab er ihr einen freundschaftlich Stups und meinte: „So, und nun zurück in dein Revier. Und dass du mir ja nicht die Grenzlinie überschreitest! Sonst muss ich den Hund doch noch von der Leine lassen!“ Annabel prustete los. „Du bist echt bescheuert!“ Dann wickelte sie sich wieder in ihre Decke ein und kullerte zurück auf ihre Seite des Bettes. Keine fünf Minuten später war sie tief eingeschlafen. Simon allerdings lang noch eine ganze Weile wach, bevor sich sein Puls wieder normalisiert hatte...