Читать книгу Noch ein Leben - Antje Aubert - Страница 4

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„Ich will nicht, dass Omi stirbt!“ sagte Lisa mit Tränen in den Augen. Erstaunt drehte sich ihre Mutter zu ihr um: „Aber Mäuschen, warum sollte Omi denn sterben?“ „Weil sie Opa so vermisst und nicht ohne ihn sein will!“ Lisa versuchte vergeblich den Kloß herunterzuschlucken, der sich in ihrem Hals gebildet hatte. Sie wollte nicht losheulen, aber sie fühlte sich so hilflos. Ihre Mutter versuchte sie zu beruhigen: „Aber Omi geht es gut. Sie ist völlig gesund. Natürlich ist sie traurig, weil Opa gestorben ist, aber das wird sich mit der Zeit geben. Du wirst sehen, mit jedem Tag, der vergeht, wird es ihr ein bisschen besser gehen und dann wird sie auch wieder fröhlich sein können und mit uns lachen, so wie vorher, als Opa noch da war.“ Lisa sah ihre Mutter mit großen Augen an und runzelte die Stirn. „Ich finde nicht, dass es ihr jedes Mal ein bisschen besser geht, wenn wir sie am Telefon haben. Im Gegenteil, sie hört sich immer trauriger an.“

Wie gerne hätte Lisas Mutter ihrer Tochter etwas entgegen gehalten. Aber unbewusst musste sie ihr recht geben. Ihr kleines Mädchen von gerade mal zehn Jahren sprach das aus, was ihr selbst seit einigen Wochen immer schwerer auf dem Herzen lag: Ihrer Mutter, Lisas Omi, ging es nicht gut. Natürlich war die erste Zeit nach dem plötzlichen Tod eines geliebten Menschen schwer. Sehr schwer. Sie selbst vermisste ihren Vater mehr als sie es jemals für möglich gehalten hätte. Aber in den letzten Wochen hatte sie das Gefühl, dass ihre Mutter erst gar nicht mehr versuchte, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Lisa hatte recht: „Omi“ war auf dem besten Wege, ihren Lebenswillen völlig zu verlieren. Und wenn sie sich weiter so gehen lassen würde, würde es nicht lange dauern, bis auch sie nicht mehr unter ihnen wäre. Solche Geschichten waren nicht selten. Dass Partner, die ihr ganzes Leben gemeinsam verbracht hatten, sich nach dem Tod des anderen aufgaben und kurz darauf selbst starben, weil sie ohne den anderen im wahrsten Sinne des Wortes nicht leben konnten.

„Und wenn wir Omi einen neuen Mann finden?“ schlug Lisa plötzlich in ihrer ganzen kindlichen Unschuld vor. Ihre Mutter konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Das ist nicht witzig!“ empörte sich Lisa, um ihrer Verzweiflung Luft zu machen. „Natürlich nicht, Mäuschen. Ich habe auch nur gelächelt, weil ich das total süß von dir finde, wie du dich um Omi sorgst. Und du hast recht. Wir sollten etwas unternehmen. Die ganzen letzten Versuche, sie ein wenig rauszuholen, hat sie zwar vehement von sich gewiesen. Aber mit vereinten Kräften kriegen wir das schon hin! Gleich heute Abend reden wir noch mal mit Papi drüber, ok?“ Lisa nickte begeistert und drückte ihrer Mutter einen dicken Kuss auf die Wange.

Noch ein Leben

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