| Alles saß nun ruhig, umher auf den Sitzen sich haltend;Nur Thersites erhob sein zügelloses Geschrei noch:Dessen Herz mit vielen und törichten Worten erfüllt war,Immer verkehrt, nicht der Ordnung gemäß, mit den Fürsten zu hadern, |
215 | Wo ihm nur etwas erschien, das lächerlich vor den ArgeiernWäre. Der häßlichste Mann vor Ilios war er gekommen:Schielend war er, und lahm am anderen Fuß; und die SchulternHöckerig, gegen die Brust ihm geengt; und oben erhub sichSpitz sein Haupt, auf der Scheitel mit dünnlicher Wolle besäet. |
220 | Widerlich war er vor allen des Peleus Sohn’ und Odysseus;Denn sie lästert’ er stets. Doch jetzt Agamemnon dem HerrscherKreischt’ er hell entgegen mit Schmähungen. Rings die AchaierZürnten ihm heftig empört, und ärgerten sich in der Seele.Aber der Lästerer schalt mit lautem Geschrei Agamemnon: |
225 | Atreus Sohn, was klagst du denn nun, und wessen bedarfst du? Voll sind dir von Erz die Gezelt’, und viele der WeiberSind in deinen Gezelten, erlesene, die wir AchaierImmer zuerst dir schenken, vom Raub eroberter Städte.Mangelt dir auch noch Gold, das ein rossebezähmender Troer |
230 | Her aus Ilios bringe, zum Lösungswerte des Sohnes,Welchen ich selbst in Banden geführt, auch sonst ein Achaier?Oder ein jugendlich Weib, ihr beizuwohnen in Wollust,Wann du allein in der Stille sie hegst? Traun, wenig geziemt sich’s,Führer zu sein, und in Jammer Achaias Söhne zu leiten! |
235 | Weichlinge, zag’ und verworfen, Achai’rinnen, nicht mehr Achaier!Laßt doch heim in den Schiffen uns gehn, und diesen vor TrojaHier an Ehrengeschenken sich sättigen: daß er erkenne,Ob auch wir mit Taten ihm beistehn, oder nicht also!Hat er Achilleus doch, den weit erhabeneren Krieger, |
240 | Jetzo entehrt, und behält sein Geschenk, das er selber geraubet!Aber er hat nicht Gall’ in der Brust, der träge Achilleus!Oder du hättest, Atreide, das letztemal heute gefrevelt! Also schalt Thersites den Hirten des Volks Agamemnon, Atreus Sohn. Ihm nahte sofort der edle Odysseus; |
245 | Finster schaut’ er auf jenen, und rief die drohenden Worte: Törichter Schwätzer Thersites, obgleich ein tönender Redner, Schweig’, und enthalte dich, immer allein mit den Fürsten zu hadern!Denn nicht mein’ ich, daß irgend ein schlechterer Mensch wie du selberWandle, so viel herzogen mit Atreus Söhnen vor Troja! |
250 | Nie drum nenne dein Mund die Könige vor der Versammlung!Schreie sie nicht mit Schmähungen an, noch laur’ auf die Heimfahrt!Denn noch wissen wir nicht, wohin sich wende die Sache:Ob wir zum Glück heimkehren, wir Danaer, oder zum Unglück.Sitzest du, Atreus Sohn, den Hirten des Volks Agamemnon, |
255 | Darum zu schmähn allhier, weil ihm die Helden AchaiasSchätze so reichlich geschenkt, und lästerst ihn vor der Versammlung?Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich vollendet!Find’ ich noch einmal dich vor Wahnsinn toben, wie jetzo;Dann soll Odysseus Haupt nicht länger stehn auf den Schultern, |
260 | Dann soll keiner hinfort des Telemachos Vater mich nennen:Wenn ich nicht dich ergreif, und jedes Gewand dir entreiße,Deinen Mantel und Rock, und was die Scham dir umhüllet,Und mit lautem Geheul zu den rüstigen Schiffen dich sende,Aus der Versammlung gestäupt mit schmählichen Geißelhieben! |
265 | Also der Held; und zugleich mit dem Scepter ihm Rücken und Schultern Schlug er; da wand sich jener, und häufig stürzt’ ihm die Träne.Eine Striem’ erhub sich mit Blut aufschwellend am RückenUnter des Scepters Gold. Er setzte sich nun, und bebte,Murrend vor Schmerz, mit entstelltem Gesicht, und wischte die Trän’ ab. |
265 | Rings, wie betrübt sie waren, doch lachten sie herzlich um jenen.Also redete mancher, gewandt zum anderen Nachbar: Trau, gar vieles bereits hat Odysseus gutes vollendet, Heilsamen Rat zu reden berühmt, und Schlachten zu ordnen;Aber anjetzt vollbracht er das Trefflichste vor den Argeiern, |
275 | Daß er den ungestümen und lästernden Redner geschweiget!Schwerlich möcht’ er hinfort, wie das mutige Herz ihn auch antreibt,Wider die Könige sich mit schmähenden Worten empören! Also das Volk. Da erhub sich der Städteverwüster Odysseus, Haltend den Herrscherstab; und neben ihm Pallas Athene, |
280 | Gleich an Gestalt dem Herold, gebot Stillschweigen den Völkern:Daß die Nächsten zugleich und die äußersten Männer AchaiasHörten des Redenden Wort, und wohl nachdächten dem Rate.Jener begann wohlmeinend, und redete vor der Versammlung: Atreus Sohn, nun bereiten die Danaer dir, o Gebieter, |
285 | Hohn und Schmach vor den Völkern des redenden Menschengeschlechtes;Und vollenden dir nicht die Verheißungen, die man gelobet,Als man hieher dir folgt’ aus der rossenährenden Argos:Heimzugehn ein Vertilger der festummauerten Troja.Denn wie zarte Kindelein tun, und verwitwete Weiber, |
290 | Klagen sie dort einander ihr Leid, und jammern um Heimkehr.Freilich ringt wohl jeder, wer Trübsal duldet, nach Heimkehr.Denn wer auch einen Mond nur entfernt ist seiner Gemahlin,Weilet ja schon unmutig am vielgeruderten Schiffe,Welches der winternde Sturm aufhält, und des Meeres Empörung. |
295 | Doch uns schwand das neunte der rollenden Jahre vorüber,Seit wir allhier ausharren. Ich tadele nicht die Achaier,Daß man traurt bei den Schiffen, und heimstrebt. Aber es wär’ unsSchändlich doch, die so lange geweilt, leer wiederzukehren!Duldet, o Freund’, und harrt noch ein weniges, daß wir erkennen, |
300 | Ob uns Wahrheit von Kalchas enthüllt ward, oder nicht also.Denn wohl denken wir jenes im Geiste noch, und ihr bezeugt esAlle, die nicht wegführten die graulichen Keren des Todes.Gestern war’s, wie mir daucht, da sich unsere Schiffe bei AulisSammelten, Böses zu bringen dem Priamos selbst und den Troern. |
305 | Ringsher opferten wir um den Quell den unsterblichen GötternAuf geweihten Altären vollkommene Festhekatomben,Unter des Ahorns Grün, dem blinkendes Wasser entsprudelt.Sich, und ein Zeichen geschah. Ein purpurschuppiger Drache,Gräßlich zu schaun, den selber ans Licht der Olympier sandte, |
310 | Unten entschlüpft dem Altar, fuhr schlängelnd empor an dem Ahorn.Dort nun ruhten im Neste des Sperlings nackende Kindlein,Oben auf schwankendem Ast, und schmiegten sich unter den Blättern,Acht; und die neunte war der Vögelchen brütende Mutter.Jener nunmehr verschlang die kläglich Zwitschernden alle; |
315 | Nur die Mutter umflog mit jammernder Klage die Kindlein,Bis er das Haupt hindreht’, und am Flügel die Schreiende haschte.Aber nachdem er die Jungen verzehrt, und das Weibchen des Sperlings;Stellte zum Wunderzeichen der Gott ihn, der ihn gesendet:Denn zum Stein erschuf ihn der Sohn des verborgenen Kronos. |
320 | Wir nun standen umher, und stauneten ob der Erscheinung,Wie doch solcherlei Graun eindrang in der Himmlischen Opfer.Schleunig vor allem Volk weissagete Kalchas der Seher:Warum steht ihr verstummt, ihr hauptumlockten Achaier?Uns erschuf dies Wunder der Macht Zeus’ waltende Vorsicht, |
325 | Spät von Dauer, und spät erfüllt, zu ewigem Nachruhm!Gleichwie jener die Jungen verzehrt, und das Weibchen des Sperlings,Acht; und die neunte war der Vögelchen brütende Mutter:Also werden wir dort neun Jahr auch kriegen um Troja,Doch im zehnten die Stadt voll prächtiger Gassen erobern. |
330 | So weissagete jener; und nun wird alles vollendet.Auf denn, bleibt miteinander, ihr hellumschienten Achaier,Hier nun, bis wir gewonnen des Priamos türmende Feste! Jener sprach’s; auf schrieen die Danaer laut, und umher scholl Ungestüm von den Schiffen das Jubelgetön der Achaier, |
335 | Alle das Wort hochpreisend des göttergleichen Odysseus.Drauf vor jenen begann der gerenische reisige Nestor: Götter! ja traun ihr redet wie Knäbelein hier in Versammlung, Die unmündig noch nichts um Taten des Kriegs sich bekümmern!Wo sind unsere Verheißungen nun, und die heiligen Schwüre? |
340 | Soll denn in Rauch aufgehen der Rat, und die Sorge der Männer,Opfer des lauteren Weins, und der Handschlag, dem wir vertrauet?Denn mit eiteler Rede ja zanken wir; aber vergebensSpähen wir heilsam Rat, wie lange wir hier auch verweilen!Atreus Sohn, du künftig, wie vor, unerschüttertes Herzens, |
345 | Führe der Danaer Volk in wütendes Waffengetümmel.Aber dahin laß schwinden die einzelnen, welche gesondertEtwa von uns ratschlagen, (denn nie wird solchen Erfüllung!)Heim gen Argos zu kehren, bevor vom ÄgiserschüttrerWir erkannt, ob er Täuschung gelobete, oder nicht also. |
350 | Denn ich sag’, uns winkte der hocherhabne KronionJenes Tags, da wir stiegen in meerdurchgleitende Schiffe,Argos’ Volk, die Troer mit Mord und Verderben bedrohend:Rechtshin zuckte sein Blitz, ein heilsweissagendes Zeichen!Drum daß keiner zuvor wegdräng’ und strebe zur Heimkehr, |
355 | Eh’ er allhier mit einer der troischen Frauen geruhet,Eh’ er gerächt der Helena Angst und einsame Seufzer!Sehnt sich einer indes so gar unbändig nach Heimkehr,Wag’ er mir’s, sein schwarzes gebogenes Schiff zu berühren:Daß er zuerst vor allen den Tod und das Schicksal erreiche! |
360 | Sinne denn selbst, o König, auf Rat, und hör’ ihn von andern.Nicht wird dir verwerflich das Wort sein, welches ich rede.Sondere rings die Männer nach Stamm und Geschlecht, Agamemnon:Daß ein Geschlecht dem Geschlecht beisteh’, und Stämme den Stämmen.Tust du das, und gehorchen die Danaer dir; dann erkennst du, |
365 | Wer von den Führern des Heers der Feigere, wer von den Völkern,Und wer tapferer sei: denn es kämpft nun jeder das Seine.Auch erkennst du, ob Göttergewalt die Eroberung hindert,Oder des Heers Feigheit, und mangelnde Kriegserfahrung. Ihm antwortete drauf der Völkerfürst Agamemnon: |
370 | Wahrlich im Rat besiegst du, o Greis, die Männer Achaias.Wenn doch, o Vater Zeus, und Pallas Athen’, und Apollon,Noch zehn andere Räte wie du mir wären im Volke!Bald dann neigte sich uns des herrschenden Priamos Feste,Unter unseren Händen besiegt und zu Boden getrümmert! |
375 | Aber Zeus Kronion, der Donnerer, sandte mir Unheil,Der in ein eitles Gewirr von Hader und Zank mich verwickelt.Denn ich selbst und Achilleus entzweiten uns, wegen des Mägdleins,Mit feindseligen Worten; ich aber begann die Entrüstung.Wenn wir je uns wieder vereinigen; traun nicht länger |
380 | Säumt dann noch das Verderben von Ilios, auch nicht ein kleines!Doch nun geht zum Mahle, damit wir rüsten den Angriff.Wohl bereite sich jeder den Schild, wohl schärf’ er die Lanze;Wohl auch reich’ er die Kost den leichtgeschenkelten Rossen;Wohl auch späh’ er den Wagen umher, und gedenke der Feldschlacht: |
385 | Daß wir den ganzen Tag im schrecklichen Kampf uns versuchen.Denn nicht wenden wir uns zum Ausruhn, auch nicht ein kleines,Ehe die Nacht herkommend den Mut der Männer gesondert.Triefen vom Schweiß wird manchem das Riemengehenk um den BusenAm ringsdeckenden Schild, und starren die Hand an der Lanze; |
390 | Triefen auch manchem das Roß, vor den zierlichen Wagen gespannet.Aber wofern mir einer, der Schlacht mit Fleiß sich enthaltend,Bei den geschnäbelten Schiffen zurückbleibt; wahrlich umsonst wirdDieser umher dann schaun, zu entfliehn den Hunden und Vögeln! Jener sprach’s; auf schrien die Danaer laut: wie die Meerflut |
395 | Brüllt um den hohen Strand, wann kommend der Süd sie emporwühltAm vorragenden Fels, der nie von Wogen verschont ist,Aller Wind’ umher, ob sie dorthin wehen, ob dorthin.Schnell nun sprangen sie auf, und liefen umher durch die Schiffe;Rings entstieg den Gezelten der Rauch, und sie nahmen das Frühmahl. |
400 | Andere opferten andern der ewig währenden Götter,Flehend, dem Tode der Schlacht zu entgehn, und denn Toben des Ares.Jener selbst auch weihte, der Völkerfürst Agamemnon,Einen Stier, fünfjährig und feist, dem starken Kronion.Und er berief die ältesten, die edleren aller Achaier: |
405 | Nestor zuerst vor allen, Idomeneus dann, den Beherrscher,Auch die Ajas beid’, und Tydeus Sohn Diomedes,Auch den sechsten Odysseus, an Ratschluß gleich dem Kronion.Aber es kam freiwillig der Rufer im Streit Menelaos;Denn er erkannt’ im Herzen, wie viel dem Bruder zu tun war. |
410 | Und sie umstanden den Stier, und nahmen sich heilige Gerste;Betend erhub die Stimme der Völkerfürst Agamemnon: Zeus, ruhmwürdig und hehr, schwarzwolkiger, Herrscher des Äthers! Nicht bevor laß sinken die Sonn’, und das Dunkel heraufziehn,Eh’ ich hinab von der Höhe gestürzt des Priamos Wohnung, |
415 | Dunkel von Rauch, und die Tore mit feindlicher Flamme verwüstet;Eh’ ich vor Hektors Brust ringsher zerrissen den PanzerMit eindringendem Erz, und viel um ihn der Genossen,Vorwärts liegend im Staub, mit Geknirsch in die Erde gebissen! Jener sprach’s; doch mit nichten gewährt’ ihm solches Kronion; |
420 | Sondern er nahm sein Opfer, und häuft’ ihm unnennbare Drangsal.Aber nachdem sie gefleht, und heilige Gerste gestreuet;Beugten zurück sie den Hals, und schlachteten, zogen die Haut ab,Sonderten dann die Schenkel, umwickelten solche mit FetteZwiefach umher, und bedeckten sie dann mit Stücken der Glieder. |
425 | Dies verbrannten sie alles, gelegt auf entblätterte Scheiter;Wendeten dann durchspießt die Eingeweid’ an der Flamme.Als sie die Schenkel verbrannt, und die Eingeweide gekostet;Schnitten sie auch das übrige klein, und steckten’s an Spieße,Brieten es dann vorsichtig, und zogen es alles herunter. |
430 | Aber nachdem sie ruhten vom Werk, und das Mahl sich bereitet;Schmausten sie, und nicht mangelt’ ihr Herz des gemeinsamen Mahles.Aber nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war;Jetzo begann das Gespräch der gerenische reisige Nestor: Atreus Sohn, ruhmvoller, du Völkerfürst Agamemnon: |
435 | Laß uns nicht hier redend die Zeit verlieren, und längerNicht aufschieben das Werk, das jetzo der Gott uns vertrauet.Auf denn und heiß ausrufend die Herolde, rings der AchaierErzumpanzertes Volk umher bei den Schiffen versammeln.Wir dann wollen gesellt das weite Heer der Achaier |
440 | Alle durchgehn, um schneller die wütende Schlacht zu erregen. |