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Dritter Gesang

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Begegnung der Heere. Alexandros oder Paris, nachdem er vor Menelaos geflohn, erbietet sich ihm durch Hektor zum Zweikampf um Helena, welchen Menelaos annimmt. Die Heere ruhn, und Priamos wird zum Vertrage aus Ilios gerufen. Indes geht Helena auf das skäische Tor, wo Priamos mit den Älteste sitzt, und nennt ihm die achaiische Heerführer. Priamos fährt in das Schlachtfeld hinaus. Vertrag, Priamos Rückkehr, Zweikampf. Den besiegten Paris entführt Aphrodite in seine Kammer, und ruft ihm Helena. Agamemnon fordert den Siegespreis.

Aber nachdem sich geordnet ein jegliches Volk mit den Führern,Zogen die Troer in Lärm und Geschrei einher, wie die Vögel:So wie Geschrei hertönt von Kranichen unter dem Himmel,Welche, nachdem sie dem Winter entflohn und unendlichem Regen,
5 Dort mit Geschrei hinziehn an Okeanos strömende Fluten,Kleiner Pygmäen Geschlecht mit Mord und Verderben bedrohend;Und aus dämmernder Luft zum schrecklichen Kampfe herannahn.Jene wandelten still, die mutbeseelten Achaier,All’ im Herzen gefaßt, zu verteidigen einer den andern.
10 Wie auf des Bergs Anhöhen der Süd ausbreitet den Nebel, Der nicht Hirten erwünscht, doch dem Raubenden besser wie Nacht ist;Und man so weit vorschauet, als fliegt der geworfene Feldstein;Also wirbelte Staub von dem Gang der kommenden VölkerDicht empor; denn in Eile durchzog das Gefilde der Heerzug.
15 Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden gegeneinander; Trat hervor aus den Troern der göttliche Held Alexandros,Tragend ein Pardelvlies und ein krummes Geschoß um die Schultern,Samt dem Schwert; zwo Lanzen, gespitzt mit der Schärfe des Erzes,Schwenkt’ er, und rief hervor die tapfersten aller Achaier,
20 Gegen ihn anzukämpfen in schreckenvoller Entscheidung. Aber sobald ihn sahe der streitbare Held Menelaos Vor dem Scharengewühl einhergehn mächtiges Schrittes:So wie ein Löwe sich freut, dem größere Beute begegnet,Wenn ein gehörneter Hirsch dem Hungrigen, oder ein Gemsbock
25 Nahe kommt; denn begierig verschlinget er, ob auch umher ihnHurtiger Hunde Gewühl wegscheucht, und blühende Jäger:So war froh Menelaos, den göttlichen Held AlexandrosDort mit den Augen zu schaun; denn er wollt’ ihn strafen, den Frevler.Schnell vom Wagen herab mit den Rüstungen sprang er zur Erde.
30 Aber sobald ihn sahe der göttliche Held Alexandros Schimmern im Vorderheer, da erbebte vor Angst sein Herz ihm;Und in der Freunde Gedräng’ entzog er sich, meidend das Schicksal.So wie ein Mann, der die Natter ersah, mit Entsetzen zurückfuhr,In des Gebirgs Waldtal; ihm erzitterten unten die Glieder;
35 Rasch nun floh er hinweg, und Bläss’ umzog ihm die Wangen:Also taucht’ er zurück in die Meng’ hochherziger Troer,Zagend vor Atreus Sohn, der göttliche Held Alexandros.Hektor schalt ihn erblickend, und rief die beschämenden Worte: Weichling, an Schönheit ein Held, weibsüchtiger, schlauer Verführer!
40 Wärest du nie doch geboren, das wünscht’ ich dir, oder gestorben,Eh’ du um Weiber gebuhlt! Viel heilsamer wäre dir solches,Als nun so zum Gespött dastehn, und allen zum Anschaun!Ja, ein Gelächter erheben die hauptumlockten Achaier,Welche des Heers Vorkämpfer dich achteten, weil du so schöner
45 Bildung erscheinst; doch wohnt nicht Kraft dir im Herzen, noch Stärke!Wagtest denn du, ein solcher! in meerdurchwandelnden SchiffenÜber die Wogen zu gehn, von erlesenem Volke begleitet,Und zu Fremden gesellt, ein schönes Weib zu entführen,Aus der Apier Lande, die Schwägerin kriegrischer Männer?
50 Deinem Vater zum Gram, und der Stadt und dem sämtlichen Volke,Aber den Feinden zur Wonn’, und zu ewiger Schande dir selber?Ha, nicht mochtest du stehn vor Atreus Sohn! denn gelernetHättest du, welchem Manne die blühende Gattin du raubtest!Nichts auch frommte die Laute dir jetzt, und die Huld Aphroditens,
55 Nichts dein Haar, und der Wuchs, wenn dort du im Staube dich wälztest!Wären die Troer nur nicht Feigherzige; traun, es umhüllteLängst dich ein steinerner Rock, für das Unheil, das du gehäuft hast! Ihm antwortete drauf der göttliche Held Alexandros: Hektor, dieweil du mit Recht mich tadeltest, nicht mit Unrecht;
60 Stets ist dir ja das Herz, wie die eherne Axt, unbezwingbar,Welche das Holz durchstrebt vor dem Zimmerer, wann er zum SchiffbauKünstlich die Balken behaut, und ihr Schwung ihm die Stärke vermehret:So ist fest dir das Herz, und stets unerschrockenes Mutes.Nur nicht rüge die Gaben der goldenen Aphrodite.
65 Unverwerflich ja sind der Unsterblichen ehrende Gaben,Welche sie selber verleihn, und nach Willkür keiner empfänget.Doch jetzt, willst du mich sehn im tapferen Streite des Krieges,Heiße die anderen ruhn, die Troer umher und Achaier,Laßt dann mich vor dem Volk und den streitbaren Held Menelaos
70 Kämpfen um Helena selbst und die sämtlichen Schätze den Zweikampf.Wer von beiden nunmehr obsiegt, und stärker erscheinet,Nehme die Schätze gesamt mit dem Weib und führe sie heimwärts.Ihr dann zugleich, Freundschaft und heiligen Bund euch beschwörend,Wohnt in der scholligen Troja; und jen’ entschiffen zu Argos
75 Rossenährender Flur, und Achaias rosigen Jungfraun. Jener sprach’s; doch Hektor erfreute sich hoch ob der Rede; Trat dann hervor in die Mitt’, und hemmte die troischen Haufen,Haltend die Mitte des Speers; und still nun standen sie alle.Auf ihn spannten den Bogen die hauptumlockten Achaier,
80 Zieleten mit Wurfspießen daher, und schleuderten Steine.Aber es rief lauttönend der Völkerfürst Agamemnon: Haltet ein, Argeier, und werft nicht, Männer Achaias! Denn er begehrt zu reden, der helmumflatterte Hektor! Jener sprach’s; und sie ließen vom Streit, und harreten schweigend
85 Flugs umher; doch Hektor begann in der Mitte der Völker: Hört mein Wort, ihr Troer, und hellumschiente Achaier, Was mir gesagt Alexandros, um welchen der Streit sich erhoben.Dieser heißt euch andern, die Troer umher und Achaier,Strecken das schöne Gerät zur nahrungsprossenden Erde;
90 Daß er allein vor dem Volk und der streitbare Held MenelaosKämpf’ um Helena selbst und die sämtlichen Schätze den Zweikampf.Wer von beiden nunmehr obsiegt, und stärker erscheinet,Nehme die Schätze gesamt mit dem Weib’, und führe sie heimwärts.Freundschaft sollen wir andern und heiligen Bund uns beschwören.
95 Jener sprach’s; doch alle verstummten umher, und schwiegen. Endlich begann vor ihnen der Rufer im Streit Menelaos: Hörer anjetzt auch mich; am meisten ja lastet der Kummer Meine Seel’; und ich denke, versöhnt nun werdet ihr scheiden,Argos Volk und ihr Troer, nachdem viel Böses ihr truget,
100 Wegen unseres Streits, den mir Alexandros begonnen.Wem nunmehr von uns beiden der Tod und das Schicksal bevorsteht,Solcher sterb’; und ihr andern versöhnt euch eilig, und scheidet.Bringt zwei Lämmer herbei, dem Helios weiß und ein Böcklein,Schwarz der Erd’ und ein Weibchen; wir bringen dem Zeus noch ein drittes.
105 Ruft alsdann auch Priamos Macht, daß jener das BündnisSchwör’, er selbst! denn die Söhne sind übermütig und treulos:Daß kein frevelnder Mann Zeus’ heiligen Bund verletze.Stets ja flattert das Herz den Jünglingen; doch wo ein AlterZwischen tritt, der zugleich vorwärts hinschauet und rückwärts,
110 Solcher erwägt, wie am besten die Wohlfahrt beider gedeihe. Jener sprach’s; ihm erfreuten sich hoch Achaier und Troer, Hoffend, nun auszuruhn vom unglückseligen Kriege.Und sie hemmten die Ross’ in den Ordnungen, sprangen vom Wagen,Zogen die Rüstungen aus, und legten sie nieder zur Erde,
115 Nahe nur voneinander; denn wenig war Feldes dazwischen. Aber Hektor beschied zween Herold’ eilig gen Troja, Schnell die Lämmer zu bringen, und Priamos her zu berufen.Auch den Talthybios sandte der Völkerfürst Agamemnon,Zu den geräumigen Schiffen zu gehn, damit er das Lamm ihm
120 Holete; jener enteilt’ und gehorcht’ Agamemnon dem Herrscher. Iris brachte nunmehr der schimmernden Helena Botschaft, Ihrer Schwägerin gleich, des Antenoriden Gemahlin,Ihr, die Antenors Sohn sich vermählt, der Fürst Helikaon,Priamos rosiger Tochter Laodike, reizender Bildung.
125 Jene fand sie daheim: sie webt’ ein Gewand in der Kammer,Groß und doppelt und hell, durchwirkt mit mancherlei KämpfenRossebezähmender Troer und erzumschirmter Achaier,Welche sie ihrethalb von Ares Händen erduldet.Nahe trat und begann die leichthinschwebende Iris:
130 Komm doch, du trautes Kind, die seltsamen Taten zu schauen Rossebezähmender Troer und erzumschirmter Achaier.Die jüngst gegeneinander das Graun des Ares getragenDurch das Gefild’, anstrebend zur tränenbringenden Feldschlacht:Diese ruhn stillschweigend umher, und der Krieg ist geendigt,
135 Hingelehnt auf die Schild’, und die rasenden Speer’ in dem Boden.Nur Alexandros allein und der streitbare Held MenelaosWerden anjetzt um dich mit langem Speer sich bekämpfen;Und wer den Gegner besiegt, der nennt dich traute Gemahlin. Also sprach die Göttin, und schuf ihr süßes Verlangen
140 Nach dem ersten Gemahl, nach Vaterstadt und Gefreunden.Schnell in den Schleier gehüllt von silberfarbener Leinwand,Flog sie hinweg aus der Kammer, die zarte Trän’ an den Wimpern:Nicht sie allein; ihr folgten zugleich zwo dienende Jungfraun,Äthra, des Pittheus Tochter, und Klymene, herrschendes Blickes.
145 Bald nun kamen sie hin, allwo das skäische Tor war.Aber Priamos dort, und Panthoos, neben Thymötes,Lampos, und Klytios auch, und Ares Sproß Hiketaon,Auch Antenor der Held, und Ukalegon, beide voll Weisheit,Saßen, die Ältsten der Stadt, umher auf dem skäischen Tore:
150 Welche betagt vom Krieg ausruheten; doch in VersammlungRedner voll Rat, den Cikaden nicht ungleich, die in den WäldernAus der Bäume Gesproß hellschwirrende Stimmen ergießen:Gleich so saßen der Troer Gebietende dort auf dem Turme.Als sie nunmehr die Helena sahn zum Turme sich wenden;
155 Leise redete mancher, und sprach die geflügelten Worte: Tadelt nicht die Troer und hellumschienten Achaier, Die um ein solches Weib so lang’ ausharren im Elend!Einer unsterblichen Göttin fürwahr gleicht jene von Ansehn!Dennoch kehr’, auch mit solcher Gestalt, sie in Schiffen zur Heimat,
160 Ehe sie uns und den Söhnen hinfort noch Jammer bereitet! Also die Greis’; und Priamos rief der Helena jetzo: Komm doch näher heran, mein Töchterchen, setze dich zu mir;Daß du schaust den ersten Gemahl, und die Freund’ und Verwandten!Du nicht trägst mir die Schuld; die Unsterblichen sind es mir schuldig,
165 Welche mir zugesandt den bejammerten Krieg der Achaier!Daß du auch jenes Manns, des gewaltigen, Namen mir nennest,Wer doch dort der Achaier so groß und herrlich hervorprangt!Zwar es ragen an Haupt noch andere höher denn jener;Doch so schön ist keiner mir je erschienen vor Augen,
170 Noch so edler Gestalt; denn königlich scheint er von Ansehn! Aber Helena sprach, die edle der Fraun, ihm erwidernd: Ehrenwert mir bist du; o teurer Schwäher, und furchtbarHätte der Tod mir gefallen, der herbeste, ehe denn hieherDeinem Sohn ich gefolgt, das Gemach und die Freunde verlassend,
175 Und mein einziges Kind, und die holde Schar der Gespielen!Doch nicht solches geschah; und nun in Tränen verschwinde ich!…Jetzo will ich dir sagen, was du mich fragst und erforschest.Jener ist der Atreide, der Völkerfürst Agamemnon,Beides, ein trefflicher König zugleich, und ein tapferer Streiter.
180 Schwager mir war er vordem, der Schändlichen; ach, er war es! Jene sprach’s; und der Greis bewundert ihn, laut ausrufend: Seliger Atreion’, o gesegneter, glücklichgeborner!Wahrlich doch unzählbar gehorchen dir Männer Achaias!Vormals zog ich selber in Phrygiens Rebengefilde,
185 Wo ich ein großes Heer gaultummelnder phrygischer MännerSchauete, Otreus Volk und des götterähnlichen Mygdon,Welches umher am Gestade Sangarios weit sich gelagert;Denn ich ward als Bundesgenoss’ mit ihnen gerechnet,Jenes Tags, da die Hord’ amazonischer Männinnen einbrach:
190 Doch war minder die Zahl, wie der freudigen Krieger Achaias! Jetzo erblickt’ Odysseus der Greis, und fragte von neuem: Nenne mir nun auch jenen, mein Töchterchen; siehe, wie heißt er?Weniger ragt er an Haupt, als Atreus Sohn Agamemnon,Aber breiteres Wuchses an Brust und mächtigen Schultern.
195 Seine Wehr ist gestreckt zur nahrungsprossenden Erde;Doch er selbst, wie ein Widder, umgeht die Scharen der Männer:Gleich dem Bock erscheinet er mir, dickwolliges Vlieses,Welcher die große Trift weißschimmernder Schafe durchwandelt. Ihm antwortete Helena drauf, Zeus’ liebliche Tochter:
200 Der ist Laertes Sohn, der erfindungsreiche Odysseus,Welcher in Ithakas Reich aufwuchs, des felsichten Eilands,Wohlgeübt in mancherlei List und verschlagenem Rate. Und der verständige Greis Antenor sagte dagegen: Wahrlich, o Frau, du hast untrügliche Worte geredet.
205 Denn auch hieher kam er vorlängst, der edle Odysseus,Deinethalben gesandt, und der streitbare Held Menelaos.Ich herbergete beid’, in meinem Palast sie bewirtend:So daß beider Gestalt und kluger Geist mir bekannt ist.Als sie nunmehr in der Troer versammelten Kreis sich gesellet,
210 Ragt’ im Stehn Menelaos empor mit mächtigen Schultern:Doch wie sich beide gesetzt, da schien ehrvoller Odysseus.Aber sobald sie mit Red’ und Erfindungen alles umstrickten;Siehe da sprach Menelaos nur fliegende Worte voll Inhalts,Wenige doch eindringender Kraft: denn er liebte nicht Wortschwall,
215 Nicht abschweifende Rede, wiewohl noch jüngeres Alters.Aber nachdem sich erhub der erfindungsreiche Odysseus;Stand er und schaute zur Erde hinab mit gehefteten Augen;Auch den Stab, so wenig zurückbewegend wie vorwärts,Hielt er steif in der Hand, ein Unerfahrner von Ansehn:
220 Daß du leicht für tückisch ihn achtetest, oder für sinnlos.Aber sobald er der Brust die gewaltigen Stimmen entsandte,Und ein Gedräng’ der Worte, wie stöbernde Winterflocken;Dann wetteiferte traun kein Sterblicher sonst mit Odysseus,Und nicht stutzten wir so, des Odysseus Bildung betrachtend.
Die großen Klassiker der Antike

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