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Im Gespräch mit Marita Müller-Krätzschmar

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Im Gespräch mit Marita Müller-Krätzschmar

Marita Müller-Krätzschmar ist Mitarbeiterin im Institut für Lehrerfortbildung Hamburg und Leiterin des Bereichs Deutsch als Zweitsprache (DaZ)/ Sprachförderung, der unter anderem einen 30-Stunden-Kurs DaZ anbietet.


Was lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Ihnen im 30-Stunden-Kurs?

Müller-Krätzschmar: »Die 30 Stunden sind eine grundsätzliche Einführung in alle Bereiche von Deutsch als Zweitsprache, also Grammatik und die Fertigkeiten von Lesen, Schreiben, Hören, Sprechen. Es geht aber auch um die Inhalte der Sprache selbst, also Deutsch als Zweitsprache im Fachunterricht. Und um Spracherwerbstheorien und Diag­noseinstrumente. Das ist also eher eine Einführung, die zwar auch methodische Hinweise beinhaltet, die aber nicht zu einem Thema umfassend sagt: ›Wie kann ich damit jetzt umgehen?‹ Dafür haben wir dann andere Veranstaltungen.«

Bieten Sie den 30-Stunden-Kurs schon länger an, oder ist der Schnelldurchlauf eine kurzfristige Maßnahme wegen der aktuellen Zuwanderung?

Müller-Krätzschmar: »Nein, wir haben vor fünf Jahren damit angefangen, als sich noch niemand für Deutsch als Zweitsprache interessierte. Es gab zwar bereits Vorbereitungsklassen an Hamburger Schulen in geringem Umfang, aber die Kolleginnen und Kollegen, die das machten, waren damals schon sehr erfahren und brauchten auch keine Fortbildung mehr. Und dann haben wir gesagt, wir probieren es mal mit einem Zertifikatskurs, um mehr Lehrerinnen und Lehrer von DaZ zu überzeugen. Da kamen dann ganz am Anfang 15 Personen. Ein Jahr später waren es schon 30. Allerdings waren darunter auch viele Lehrkräfte, die ins Ausland gehen wollten, sich aber nicht über das Goethe-Institut, sondern über uns qualifiziert haben. Mittlerweile sind die Kurse ausgebucht, die erste Veranstaltung des jüngsten Fortbildungskurses, der im Februar 2016 begann, besuchten 320 Lehrer. Das sind etwa doppelt so viele wie im Jahr zuvor.«

Werden die Lehrerinnen und Lehrer auch auf Begleiterscheinungen des Unterrichts wie mögliche Traumata der Lernenden oder die kulturelle Vielfalt vorbereitet?

Müller-Krätzschmar: »Dafür sind wir nicht zuständig. Auch für den interkulturellen Bereich gibt es eine andere Beratungsstelle, mit der wir sehr eng zusammenarbeiten und auch schon Seminare zusammen angeboten haben.«

Ist die deutsche Sprache besonders schwer zu erlernen für Kinder und Jugendliche aus dem arabischsprachigen Raum?

Müller-Krätzschmar: »Es gibt unterschiedliche Theorien dazu. Ob es hilft, wenn die Sprache sich sehr von Muttersprache unterscheidet, oder ob es eher den Lernprozess erschwert. Wir bieten DaZ ja seit 20 Jahren an. Da gab es ja schon viele türkischsprachige Kinder, es gab Kinder aus afrikanischen Ländern. Die haben alle die deutsche Sprache gelernt. Ich denke, es hängt von unterschiedlichen Situationen ab: Ist jemand motiviert? Gibt es einen besonderen Grund, warum die Sprache gelernt werden muss? Bringt der oder die Lernende Voraussetzungen mit, hat er oder sie vielleicht schon einmal eine andere Sprache gelernt? Das sind alles individuelle Bedingungen, die eine Rolle spielen.«

Welche Probleme bringt die häufiger werdende Mehrsprachigkeit im Unterricht mit sich?

Müller-Krätzschmar: »Es wäre schön, wenn Kolleginnen und Kollegen sich mehr darauf einlassen würden, die sprachlichen Kompetenzen der Kinder in den Unterricht mit einzubeziehen. Das ist nicht immer ganz einfach. Viele Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich da überfordert bzw. fühlen sich unsicher, wenn sie nicht verstehen, was die Lernenden sagen. Sie haben auch wenige Ideen, wie sie dann darauf reagieren und wie sie die Sprache miteinbeziehen können.«

Was gibt es da für Lösungsansätze?

Müller-Krätzschmar: »Man könnte zum Beispiel, wenn Schülerinnen und Schüler alphabetisiert sind und schreiben können, sie in ihrer Herkunftssprache eine Text schreiben lassen. Und den dann wiederum ins Deutsche übersetzen. Das ist aber natürlich eine Zeitfrage. Auch ist denkbar, dass Lernende, welche die gleiche Sprache sprechen, sich zu einem Thema erst einmal in ihrer Sprache in einer Gruppenarbeit auseinandersetzen und darüber reden. Viele Lehrkräfte glauben den Schülerinnen und Schülern allerdings nicht, dass sie tatsächlich über das Thema reden.«

Inwiefern profitieren deutschsprachige Kinder und Jugendliche von einer Mehrsprachigkeit im Unterricht?

Müller-Krätzschmar: »Indem sie einfach auch mitbekommen, welche unterschiedlichen Sprachen es gibt. Ich denke, dass es einfach normal im Unterricht sein sollte, wenn es in einer Klasse zehn verschiedene Sprachen gibt und dies auch thematisiert wird. Deutsch ist natürlich Unterrichtssprache, aber alle anderen Schülerinnen und Schüler sind ja nicht sprachlos. Ich finde, das hat einen ganz großen Wert für die Akzeptanz und Toleranz. Das bedeutet nämlich auch, dass man manchmal aushalten muss, wenn jemand etwas sagt, was man nicht versteht. Aber darüber kann man tatsächlich Vorurteile abbauen und Toleranz entwickeln. Das ist ein langer Prozess, aber wenn die Mehrsprachigkeit von Anfang an etabliert wird, dann ist das doch wunderbar. Es gibt schon vereinzelt Klassen, die das machen.«

Die Flüchtlinge sind da!

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