Читать книгу Die ersten drei Jahre Eurokrise - Arne Kuster - Страница 7
War der Euro wirklich so stabil?
Оглавление3. Juni 2011
Auch bei der Verleihung des Aachener Karlspreises wurde (es war nicht anders zu erwarten) das Hohelied auf die Stabilität des Euros gesungen – nicht zuletzt vom Preisträger selbst, dem EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet. In seiner Dankesrede sagte er: “In den ersten zwölf Jahren nach der Euro-Einführung betrug die durchschnittliche jährliche Inflationsrate 1,97 %. Dieser Wert steht in vollem Einklang mit der Definition von Preisstabilität der Europäischen Zentralbank (EZB): eine Preissteigerungsrate von unter, aber nahe 2 % auf mittlere Sicht.”
Nun, nachts sind alle Katzen grau – und im Durchschnitt sind sie es auch. Ob die Europäer tatsächlich mit dem Euro zufrieden sein können, entscheidet sich nicht an Durchschnittswerten, sondern an der Preissteigerung vor Ort. Schauen wir uns darum die nationalen Zahlen seit Einführung des Euro-Bargeldes 2002 an. Lassen wir die kleinen Länder außer Acht und berücksichtigen nur die mit mehr als 4 Millionen Einwohnern. Das sind zwölf: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien sowie ab 2009 die Slowakei.
Es geht also von 2002 bis 2010 um 101 Daten über die durchschnittliche jährliche Preissteigerung . Zählen wir nach, wie häufig die Inflation im Rahmen des EZB-Zielkorridors lag, also bei 0,0-2,0 %.
Ergebnis: 46-mal wurde das EZB-Ziel eingehalten, mehrheitlich aber, nämlich 55-mal wurde das EZB-Ziel verfehlt. Am zufriedensten können die Finnen mit dem Euro sein, hier riss die Latte nur 2008. Auch in Deutschland lag die Inflation nur in zwei von neun Jahren über der 2-Prozent-Marke.
Anders sieht es in Irland aus. Seit Einführung des Euros lag die Preissteigerung hier nie innerhalb des EZB-Zielkorridors. 2002-2008 lag die Inflationsrate darüber, 2009 und 2010 hatten die Iren dafür eine Deflation. In Griechenland, Portugal und Spanien wurde das Inflationsziel nur einmal erreicht und auch in Italien nur dreimal: 2007, 2009 und 2010. Es ist wohl kein Zufall, dass alle heutigen Problemländer schlecht abschnitten.
Gut war der Euro während der Krise 2009/10. Es gab Verfehlungen in jeweils drei Ländern. Miserabel war er allerdings im Wirtschaftsboom davor. 2008 wurde die 2-Prozent-Latte in allen elf betrachten Ländern gerissen. Es gab auch immer wieder hohe Inflationsraten von mehr als 4 %: Belgien 2008, Griechenland 2008 und 2010, Irland 2002, Spanien 2008.
Die Bilanz des Euros ist also sehr durchwachsen. Das ist nur zum geringeren Teil die Schuld der EZB. Ihr muss man allerdings eine zu lockere Geldpolitik vor Ausbruch der Finanzkrise 2007/08 anlasten. (Und auch gegenwärtig ist die Geldpolitik nicht restriktiv genug, zukünftige Statistiken werden es zeigen.) Ansonsten aber sind die Verfehlungen Ergebnis der Fehlkonstruktion einer zu großen Währungszone. Eine europaweit einheitliche Geldpolitik passt häufig für die Situation vor Ort nicht.
Anstatt allerdings die Fehlkonstruktion einer zu großen Eurozone einzugestehen, suchen die Politiker lieber die Sündenböcke woanders. Ihr erstes Ziel: Die Ratingagenturen.