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Tränen rannen ihre eingefallenen Wangen hinab. Verärgert wischte die junge Frau sie achtlos mit dem Handrücken weg.

»Verdammt! Reiß dich am Riemen, Juli!« Sie hielt den, vor Wut zerknüllten, vom Regen durchweichten Brief in zitternden Händen. Vor einer Woche hatte ihr Freund sie verlassen, sie waren erst ein paar Monate zusammen gewesen. Die ersten Wochen der Beziehung waren berauschend. Rainers Zärtlichkeiten hatten ihrer Gefühlswelt keine Pause gegönnt. Sie hatte es wie eine Flut empfunden, die ihre Sinne überschwemmte, die Zeit genossen und auch die kleinste Zuwendung aufgesogen. Währenddessen war ihr Selbstwertgefühl sprunghaft gestiegen.

Dann fiel Juliane eine Änderung an Rainers Verhalten auf. Er wurde schroff, vereinzelt bedrohlich. Liebkosungen nahmen ab, Tage der gemeinsamen Unternehmungen hatte es nicht mehr gegeben. Rainer hatte begonnen zu trinken und zeitweise Aggressionen an ihr abgebaut. Trotz allem, die Beachtung wog alle Demütigungen auf. Vernachlässigung, es gab nichts Erniedrigenderes. Julianes Versuche, ihn zur Rede zu stellen, waren misslungen. Im Gegenteil, Lustlosigkeit hatte sich in Aggressivität verwandelt. Apathie hatte in solchen Situationen Schutz bedeutet. Durch sie war der Schmerz kontrollierbarer. Es gab ihr die Möglichkeit, Demütigungen zu überstehen. Sie hatte gelernt, die Angst abzuschalten, Blutergüsse zu überschminken. Sie erinnerte sich daran, als Kind ähnliche Situationen überstanden zu haben. Früh hatte sie gelernt, Anfeindungen und Schläge einzustecken. Rückzug und Passivität waren ihre Mittel gegen die Unterdrückung gewesen. Irgendwann hatten ihre Peiniger die Lust verloren und von ihr abgelassen.

Juliane sah auf das Knäuel Papier in ihrer Hand und biss die Zähne aufeinander. Das war der dritte Job, den sie innerhalb eines Jahres verloren hatte. Auf keinen Fall wollte sie jetzt in ihrer Wohnung sitzen. Sie warf die Kündigung achtlos auf die Straße, schlug den Kragen der leichten Regenjacke hoch, öffnete den Schirm und bewegte sich in Richtung Innenstadt.

Die Geschäfte waren noch geöffnet, durch die Schaufenster fiel weißlich gelbes Licht auf die verwinkelte Fußgängerzone. Je näher sie dem Stadtzentrum kam, desto entspannter wurde sie. Hier war mehr Betrieb, Passanten hetzten scheinbar ziellos von einem Geschäft in das nächste. Juliane vermied es, die Läden zu betreten, sie durchschritt nur die Lichtkegel, die, aus den Schaufenstern und Eingangstüren der Konsumtempel, nach ihr zu greifen schienen. Wie zufällig berührte sie den ein oder anderen Kunden am Arm. Diese flüchtigen Berührungen genügten ihr, um sich zu fangen. Sie mussten genügen, das hatten sie immer.

Zwei Stunden später sperrte sie ihre Wohnung auf und legte den nassen Schirm in die Badewanne. Die Schuhe streifte sie achtlos an der Garderobe im Flur ab. Ermattet ließ sich Juliane in den Sessel, der direkt am Fenster vor der Heizung stand, fallen. Sie angelte eine Decke vom Sofa und hüllte sich darin ein. Den Kopf an die hohe Lehne geschmiegt, fielen ihr die Augen zu.

Juliane

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