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Juliane öffnete die Augen und sah sich in dem kleinen Zimmer um. Es war bereits dunkel, nur der fahle Schein einer Straßenlaterne beleuchtete den Raum. Ihre erste Reaktion war, die Decke noch enger um ihre Schultern zu ziehen und die Augen wieder zu schließen. Doch ihr Magen signalisierte, dass sie etwas zu sich nehmen sollte. Widerwillig legte Juliane die Decke zur Seite und quälte sich aus dem Sessel. Sie schlurfte in die spartanisch eingerichtete Küche, öffnete den Kühlschrank und griff nach dem einzelnen Joghurt, der in einer der Aussparungen der Tür stand. Das Licht, das aus dem Kühlschrank strömte, beleuchtete die junge Frau auf eine skurrile Art. Es war, als würde sie ins Gelobte Land schauen. Allerdings in ein Land, das bereits leergeräumt worden war. Sie ließ die Tür zufallen, das Licht erlosch. Juliane drehte sich um und nahm sich eine Scheibe Brot von dem Teller, auf dem sie die Anschnitte aufbewahrte. Nachdem sie den Kaffeelöffel, der seit dem kargen Frühstück auf dem Holzbrettchen lag, in den Mund geschoben hatte, schlich sie zurück ins Wohnzimmer. Wie in Zeitlupe entfernte sie die Abdeckung des mickrigen Joghurtbechers, der den Vorgang mit einem schmatzenden Geräusch quittierte. Das scharfkantige Stück Aluminium legte sie auf den niedrigen Tisch in der Mitte des Zimmers. Juliane löffelte genüsslich den Joghurt, biss zwischendurch von der Scheibe Brot ab und dachte darüber nach, was sie am morgigen Tag erwartete.

Als Allererstes musste sie ihre Arbeitslosigkeit bei der Agentur für Arbeit melden. Das durfte sie auf keinen Fall vergessen, die Auszahlung des Arbeitslosengeldes hing davon ab. Dort würde man ihr sicher auch Adressen von Arbeitgebern vermitteln, bei denen sie sich vorzustellen hatte. Mit ihren vierundzwanzig Jahren war sie bereits mehrfach entlassen worden. Eine Frau ohne Schulabschluss hatte es nicht leicht in der Gesellschaft. Sie bekam die am schlechtesten bezahlten Arbeiten und durfte als Erste die Sachen packen, wenn die Firmen Probleme hatten. Juliane machte sich keine Hoffnungen für ihre Zukunft, sie wollte nur irgendwie durchkommen und ansonsten ihre Ruhe haben.

Am nächsten Morgen meldete sie sich arbeitslos und wie vermutet, bekam sie gleich drei Adressen von Firmen, die ungelernte Arbeiter suchten. Natürlich würde sie nur einen Hungerlohn verdienen, aber zumindest die Miete und das Nötigste zum Leben davon bezahlen können. Juliane hasste es, zu irgendwelchen Ämtern gehen zu müssen. Immer und überall war man auf das Wohlwollen des jeweiligen Bearbeiters angewiesen. Hatte der oder die einen schlechten Tag, fühlte man sich wie der letzte Dreck und war froh, wenn das Gespräch beendet war.

Wieder zuhause rief sie die Firmen an, hatte Erfolg und konnte zwei Termine für Vorstellungsgespräche auf ihrem Zettel notieren. Juliane sortierte ihre Unterlagen zusammen, die Personalchefs üblicherweise sehen wollten. Sie hatte kein Geld für schöne Hochglanzmappen und bewahrte ihre Unterlagen in einem schlichten grauen Schnellhefter auf, den sie bereits bei mehreren Vorstellungsterminen verwendet hatte. Dementsprechend benutzt sah das Utensil aus. Juliane störte es nicht, schließlich wollte sie sich nicht als Chef, sondern für einen Arbeitsplatz am Fließband bewerben.

Der erste Termin war einer von denen gewesen, die man schnell wieder vergessen wollte, die aber trotzdem vorkamen. Juliane war pünktlich erschienen aber man hatte sie fast eine Stunde lang warten lassen. Eine Besprechung hatte sich verschoben und so waren alle nachfolgenden Termine nach hinten gerutscht, wie die Dame am Empfang ihr erklärt hatte. Inzwischen hatten sich neben Juliane noch drei weitere Bewerber eingefunden. Die vier Kandidaten wurden in ein Zimmer geführt, in dem sie warten sollten, bis man sie einzeln zum Gespräch rufen würde. Währenddessen sah sich Juliane die Mitbewerber an und versuchte herauszufinden, welcher von ihnen die größten Chancen hatte, den Job zu bekommen. Auf den Stühlen neben ihr saßen zwei Frauen in Julianes Alter und ein jugendlich wirkender Mann um die zwanzig. Er kaute mit offenem Mund auf seinem Kaugummi herum und schmatzte, was das Zeug hielt. Seine zerschlissenen Jeans wiesen an den Knien große Löcher auf, durch die Ansätze von muskulösen Oberschenkeln zu erkennen waren. Juliane hatte keine gute Erziehung genossen und wäre sicher bei einem Benimmkurs mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Bei dem Gedanken daran, wie der junge Mann vor einem Personalchef bestehen wollte, musste sie unwillkürlich lächeln.

Eine der beiden Frauen erinnerte sie an eine graue Maus, sie hatte verlegen die Hände im Schoß zusammengelegt und hielt den Kopf leicht gesenkt. Die andere hatte sich herausgeputzt und war darauf bedacht, so viel Fleisch wie möglich ans Licht zu bringen. Ihre blonde Mähne und die falschen Wimpern konnten allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass sie auf die vierzig zuging. Ihre besten Jahre hatte sie bereits hinter sich gelassen. Allerdings durfte man nicht vergessen, dass sie aufgrund ihres Alters, sicher einige Berufserfahrung vorweisen konnte. Sicher sein, das Gespräch erfolgreich zu beenden, konnte man nie, es kam immer darauf an, ob man den Erwartungen des Gegenübers entsprach. Schließlich wurde “das Model“ als Erste zum Gespräch gerufen. Gekonnt erhob sich die Frau mit einer verführerischen Drehung ihres Hinterteiles und stolzierte an den anderen vorbei durch die Tür. Juliane verdrehte die Augen und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Nach weiteren zwanzig Minuten wurde sie als Nächste zum Gespräch gebeten. Zügig stand sie auf, schritt durch den Raum, ohne die anderen zu beachten und öffnete die Tür, hinter der das Vorstellungsgespräch stattfinden sollte.

Hinter einem Tisch saßen zwei Schlipsträger in ihren grauen Anzügen und musterten Juliane beim Eintreten. Ihr entgingen nicht die abschätzenden Blicke der beiden, die den Körper der attraktiven Frau interessiert musterten. Auch ihre Reize waren unverkennbar, nur hatte Juliane es nicht nötig, sie jedem unter die Nase zu halten.

Juliane

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