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Ein Streifzug in unsere kosmische Umgebung

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Der Raum zwischen den Sternen ist nicht ganz leer. Es gibt dort Atome, Moleküle, Elementarteilchen und feine Staubpartikel. Die Unterschiede von Ort zu Ort sind immens. Sie unterscheiden sich um viele Zehnerpotenzen in Dichte und Temperatur. Selbst der Zustand der Materie ist verschieden und geht von Staub und molekularem Gas nahe beim absoluten Nullpunkt der Temperatur (-273 Grad Celsius) über atomares Gas mit einigen tausend Grad bis zu ionisiertem Gas mit Millionen von Grad, das vor allem aus Elektronen und Protonen besteht. Das Sonnensystem und die allernächsten Sterne sind von einem siebentausend Grad heißen Gas umgeben. In einem Würfel von zwei Zentimeter Kantenlänge befinden sich durchschnittlich nur zwei Atome oder Atomkerne. Das Gas ist gleichwohl etwa zehnmal dichter als die Umgebung. Man nennt es den »Lokalen Flaum« (Local Fluff). Die Sonne mit ihren kreisenden Planeten befindet sich nahe am Rand dieser langgestreckten Struktur. Der Lokale Flaum ist fünfundzwanzig Lichtjahre lang und zwischen fünf und zehn Lichtjahre breit. Die Breite entspricht etwa dem zehntausendfachen Durchmesser des Sonnensystems bis zum Planeten Neptun. Das Sonnensystem fliegt mit 26 Kilometern pro Sekunde durch diese kleine interstellare Wolke. Weltraumsonden spüren das Gas des Lokalen Flaums auf, wie es zwischen den Planeten vorbeiströmt. Die verblüffend hohe Temperatur birgt übrigens keine Gefahr auf interplanetaren Reisen, weil die wenigen Atome pro Kubikzentimeter die vielen Atome in der Hülle eines Raumschiffs nicht zu erwärmen vermögen. Auch andere bekannte Nachbarsterne, wie Alpha Centauri, Wega und Altair, bewegen sich in derselben Wolke. Die Sonne ist eben erst eingetaucht und wird 200 000 Jahre brauchen, um den Lokalen Flaum zu durchqueren.


Abbildung 2: Der Orion-Nebel in rund 1500 Lichtjahren Entfernung füllt fast das ganze Sternbild. Das Bild zeigt einen Ausschnitt unterhalb der drei Gürtelsterne. In der Mitte beleuchtet eine Gruppe von jungen, hellen Sternen das Gas im Umkreis von 10 Lichtjahren. Auf diesem Hintergrund kann man dunkle Molekülwolken erkennen (Foto: M. Robberto u. a., NASA, ESA).

Der Lokale Flaum schwebt wie eine Daune in einem noch viel heißeren Gas, der »Lokalen Blase« (Local Bubble) mit einer Temperatur von einer halben Million Grad. Auch dieses Gas kann uns nichts anhaben. Öffnete ein Astronaut in der Lokalen Blase eine leere Literflasche, würden durchschnittlich nur zehn Atome darin Platz nehmen. Die Lokale Blase mit einem Radius von 150 Lichtjahren muss vor einigen zehn Millionen Jahren durch Supernovae in der Nähe des Sonnensystems entstanden sein. Warme und heiße Gebiete von der Art des Lokalen Flaums und der Lokalen Blase machen den weitaus größten Teil des Raumes in unserer Gegend der Milchstraße, unserer Galaxie, aus.

In diesen unvorstellbar großen Räumen gibt es zwar viele Sterne, aber das interstellare Gas mit seiner hohen Temperatur und sehr geringen Dichte kann keine neuen Sterne bilden. Sterne entstehen in einer dritten Zustandsform des interstellaren Gases, in den bereits erwähnten Molekülwolken (Dunkelwolken). Diese beanspruchen nur ein Prozent des Volumens, aber ein volles Drittel der Masse des lokalen interstellaren Gases in der Milchstraße. Molekülwolken müssen folglich sehr dicht sein. Die Moleküle in einem Gas stoßen gegeneinander und werden zum Rotieren und Schwingen angeregt. Sie sind dann in einem höheren Energiezustand und geben diese Energie nach einer Weile in Form einer elektromagnetischen Welle wieder von sich. In einem Bereich von Wellenlängen kleiner als ein Mikrometer nehmen unsere Augen diese Wellen als optisches Licht wahr. Im Infrarot sind die Wellenlängen größer und die Strahlung ist intensiver. Ihre Stärke nimmt zu bis zu einer Wellenlänge von fast einem Millimeter. Da ein dichtes Gas auf diese Weise viel seiner Wärme in den Weltraum abstrahlt, kühlt es sich ab. Bei tiefen Temperaturen besteht das Gas zum größten Teil aus Molekülen, und diese wiederum bestehen zu 99,99 Prozent aus molekularem Wasserstoff und atomarem Helium.

Hier gibt es ein subtiles Problem im Bereich von Molekülen, das uns später noch beschäftigen wird und große Auswirkungen auf die Wolken hat: Bei niedrigen Temperaturen sind Stöße schwach und bringen Moleküle nur zum Rotieren. Für alle anderen Strahlungsursachen, wie zum Beispiel Schwingungen, reicht die Energie in den kalten Wolken nicht. Ausgerechnet das häufigste Molekül, das Wasserstoffmolekül, und Helium werden jedoch bei niedrigen Temperaturen nur ungenügend angeregt, sodass sie überhaupt nicht zum Leuchten kommen. Daher sind Wasserstoffmoleküle in Wolken nicht beobachtbar, und sie tragen nichts zur Abkühlung bei, ohne die keine Sterne entstehen. Aus diesem Grund sind auch viel weniger häufige Moleküle wichtig, wie Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Wasserdampf, Methanol und Ammoniak. Sie strahlen ihre Rotationsenergie in Form von Infrarot- und Millimeterwellen ab.

Der Staub der Wolken schützt die zerbrechlichen Moleküle in diesen dunklen, kalten Winkeln unserer Galaxie vor hochenergetischen Strahlen und der Wärmestrahlung benachbarter Sterne. Ultraviolett- und Röntgenstrahlung von bereits entstandenen Sternen in der Nachbarschaft würden Moleküle aufbrechen und sie zerstören. Ohne Staub gäbe es keine Moleküle, ohne Moleküle keine Sterne und Planeten. Der interstellare Staub entstand im Wind von Sternen früherer Generationen. Wir werden diesen Winden noch näher begegnen, wenn wir auf die Endphase von Sternen detaillierter eingehen. Es gibt im Universum ein Geflecht von kausalen Zusammenhängen. Aber wie entstand der erste Stern – im frühen Universum ohne Staub und Moleküle? Eine Antwort auf diese Frage werden wir später geben.

Glücklicherweise sind Molekülwolken transparent für Infrarot- und Millimeterwellen, genau für jene Wellenlängen, in denen kalte Moleküle strahlen. Nur können unsere Augen diese Wellen nicht sehen. Unsere Netzhaut ist an das Sonnenlicht angepasst, das im optischen Bereich sein Maximum hat, und aus diesem Grund können wir auch nachts die sonnenähnlichen Sterne sehen. Einige Lebewesen, wie zum Beispiel Schlangen, haben Augen, welche die Wärmestrahlung von warmblütigen Tieren im Infrarot sehen. Wenn sie den Nachthimmel anschauen, sehen sie nur wenig von den Sternen, dafür die riesigen Molekülwolken, einige so groß wie die Hand am ausgestreckten Arm. Seit zwei Jahrzehnten können auch Menschen diese Strahlung mit immer besseren Teleskopen beobachten. Viele Dinge im Alltag, wie bestimmte Vögel, Blumen oder Autos, erkennen wir an ihrer Farbe. So hat auch jedes Molekül seine charakteristische Farbe, sogenannte Spektrallinien, die Informationen über Dichte, Bewegung, chemische Zusammensetzung und Temperatur des Gases und des Staubes enthalten.

Die uns nächsten Molekülwolken liegen im Sternbild des Schlangenträgers, 370 Lichtjahre von uns entfernt. Dort entstehen Dutzende von Sternen. Erste Anzeichen eines werdenden Sternes sind runde Gebilde mit hoher Dichte, sogenannte Wolkenkerne. Sie haben einen Durchmesser von etwa einem Lichtjahr, ein Viertel der Distanz von der Sonne bis zum nächsten Stern. Je dichter ein Gas, desto besser kann es seine Wärme abstrahlen. Daher sind diese Regionen bis zu minus 266 Grad Celsius kalt, nur 7 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Bei dieser Kälte frieren alle Moleküle außer Wasserstoff aus und lagern sich auf den Staubkörnern an. Diese werden dadurch wie Schneeflocken von einem Eismantel umgeben. Er besteht zunächst aus einem Gemisch der verschiedenen Moleküle und Atome, wie sie im Gas der Molekülwolken vorkommen. Die Stauboberfläche wirkt dann über die Jahrtausende wie ein Katalysator und ermöglicht Reaktionen, die im Gas nicht stattfinden könnten. Neue Moleküle entstehen. So kann es geschehen, dass sich ein einzelnes Sauerstoffatom mit zwei Wasserstoffatomen zu einem Wassermolekül (H2O) zusammenfindet. Das meiste Wasser heute auf der Erde entstand im Mantel von interstellarem Staub vor 4,567 Milliarden Jahren, als sich der solare Urnebel langsam herausbildete.

Das geschenkte Universum

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