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PARADISE ISLAND

Um halb fünf machte Horseman sich auf den Weg durch die regennassen Gärten Richtung Büro und zu Adi Litia.

Als er zum Pool kam, sah er Constable Waqatabu, der begleitet von einem hageren Fidschianer in grauem Sulu und kurzärmeligem weißen Hemd den Weg vom Anleger entlangeilte. Beim Näherkommen erkannte Horseman seinen Kollegen von vor zehn Jahren, Detective Constable Kelepi Taleca, ein gewissenhafter und loyaler Polizist, der es nie auf eine Beförderung abgesehen hatte, dem nie eine aufgedrängt worden war und der jetzt auch keine mehr bekommen würde, da er schon auf die fünfzig zuging. Horseman lief ihm entgegen und schüttelte ihm die Hand.

»Keli, Mensch, ich kann nicht glauben, dass sie so vernünftig waren und dich geschickt haben, um uns zu helfen!«

»Ah, Joe, wie ich höre, bist du jetzt Detective Inspector Horseman. Sehr schön, dich zu sehen, auch wenn du nicht mehr so gut zu Fuß bist wie früher.«

Horseman wandte sich an Constable Waqatabu. »Freut mich, dass Sie wieder da sind, Epeli. Bitte nehmen Sie Kollege Taleca die Tasche ab und bitten Sie Mrs Marama, noch ein zusätzliches Bett in unserer Bure aufstellen zu lassen.«

»Io, Sir.« Der Constable eilte davon.

Detective Constable Kelepi Taleca nahm Horsemans Hand in beide Hände. »Ich habe deine Sportlerkarriere mit dem größten Interesse verfolgt, Josefa. Und immer mal wieder habe ich auch etwas von deiner Polizeiarbeit gehört. Glückwunsch.«

»Vinaka vakalevu. Ich kann es kaum erwarten, alles von dir zu erfahren, Keli. Aber jetzt begleite mich doch direkt zur Befragung von Adi Litia. Du kannst doch mitschreiben? Ich nehme an, Epeli Waqatabu hat dich informiert?«

Taleca lachte. »So gut er es eben kann, schätze ich.«

Eine Glocke ertönte, als die Tür zur Rezeption sich hinter ihnen schloss. Drinnen ging eine Glastür auf, und Adi Litia kam zu ihnen an den unbesetzten Rezeptionstresen. Sie war groß und hatte eine sportliche Figur, aber auch ein oder zwei Zusatzpfunde auf den Rippen, was ihr sonst kantiges Kinn weicher wirken ließ. Ein Muttermal direkt über ihrer rechten Augenbraue verlieh ihr einen permanent fragenden Ausdruck und lenkte von ihren großen braunen Augen ab. Auf ihrer cremefarbenen Bula-Bluse schwammen königsblaue Meerestiere. Sie taxierte kurz Taleca und wandte sich dann auf Englisch an Horseman. Das überraschte ihn – Fidschianer unter sich sprachen normalerweise Fidschi. Sie wollte wohl Distanz wahren.

»Hallo, Inspector. Ich hoffe, Sie und Ihr Team werden gut versorgt.« Ihre dunkle Stimme war so kühl und spröde wie ihr Auftreten. Sie wartete seine Antwort nicht ab. »Wir freuen uns ungemein, dass die Polizei Sie hergeschickt hat, wissen Sie. Wir sind alle begeisterte Fans der Nationalmannschaft. Mein Vater ist ziemlich neidisch auf uns hier im Resort. Werden Sie ihn befragen müssen? Er wäre hocherfreut, wissen Sie.«

Horseman nickte verlegen. »Ich bin nicht sicher, ob ich Ihren Vater behelligen muss, aber danke, Adi Litia.«

»Litia, bitte, das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«

Horseman war unwohl dabei, aber er fügte sich. »Litia, das hier ist Detective Constable Taleca. Er ist gerade angekommen.«

»Willkommen, Detective Constable Taleca. Ich nehme an, Nisis Leichnam ist inzwischen in der Leichenhalle?«

»Ich habe es noch nicht überprüft, Ma’am, aber der Leichenwagen stand am Anleger von Navua bereit, als das Boot von Paradise ankam. Ich habe gesehen, wie ein Leichnam umgebettet wurde und der Wagen dann Richtung Suva losfuhr, bevor ich an Bord ging.«

Adi Litia zog die Augenbrauen hoch, und das Muttermal wanderte mit. Horseman unterdrückte ein Lächeln. Kelepi Talecas logischer Verstand war immer unbestechlich gewesen; der Mann würde niemals Mutmaßungen anstellen. Das war seine große Stärke, und sie würde hoffentlich Horsemans eigener Tendenz, mit Spekulationen über die Beweislage hinauszupreschen, Einhalt gebieten.

»Wenn Sie in mein Büro kommen möchten, ich kann sicher eine Viertelstunde für Sie erübrigen.« Sie ging voraus in ein tadellos aufgeräumtes, weiß gestrichenes Zimmer, das Mr McKenzies Büro mit der üblichen grauen Einrichtung ähnelte. Keine Bula-Deko weit und breit. Adi Litia deutete vage auf einen Besucherstuhl vor dem Schreibtisch, bevor sie sich auf den Chefsessel dahinter setzte. Der Tisch war bis auf eine Vase mit roten Anthurien und einen Drahtkorb mit einer einzigen Aktenmappe darin leer.

Horseman lächelte sie an. »Ich bin sicher, Sie haben selbst auch erfolgreich Sport getrieben, Litia. Lassen Sie mich raten, Netball? Möglicherweise an der Adi-Cakobau-Schule in Naitasiri?«

Ein unerwartet unbeschwertes Lächeln erhellte Adi Litias Gesicht. »Ja, woher wussten Sie das? Ich war Angreiferin im Schulteam und dann am Fidschi-Institut für Technologie in Suva, als ich dort meinen Kurs in Büromanagement absolvierte. So weit wie Sie bin ich aber nicht gekommen, Inspector. Aber immerhin habe ich es für die Südpazifikspiele bis in die Nationalmannschaft geschafft.« Vertrauensvoll lehnte sie sich vor. »Wir haben Silber geholt, Sie erinnern sich vielleicht! Ich muss zugeben, dass ich mir große Hoffnungen auf die Commonwealth Games gemacht habe, aber das Auswahlkomitee entschied anders.« Sie lehnte sich wieder in ihren Sessel zurück. »Leider hat meine Kondition seitdem stark nachgelassen.«

Horseman zuckte lächelnd die Achseln. »Bei wem nicht? Ich bin sicher, Sie wären eine exzellente Trainerin oder auch Managerin. In allen Sportarten mangelt es an guten Führungskräften.«

»Was für eine verlockende Idee, ja. Vielleicht irgendwann einmal. Hier draußen bin ich ein bisschen weit weg von allem.« Ihr wehmütiger Tonfall stand im Gegensatz zu ihrer entschlossenen Miene.

Horseman wollte die Umstände, wie Adi Litia zu der Position hier im Resort kam, nicht weiter hinterfragen, hatte aber das Gefühl, dass es sich für sie eher um eine Pflicht als um ein Vergnügen handelte. Es war Zeit, über den Fall zu reden. Er warf Kelepi einen Blick zu, der sein Notizheft auf den Knien liegen hatte, den Stift gezückt.

»Ich habe in Ihrer Stellungnahme gelesen, dass Sie Akanisi zuletzt gestern Mittag am Büfett gesehen haben.«

»Das ist korrekt. Nisi bediente«, antwortete Adi Litia.

»War sie noch da, als Sie das Restaurant verließen?«

»Lassen Sie mich überlegen. Nun ja, ich kann nur sagen, dass ich mich nicht daran erinnere, sie gesehen zu haben, aber es ist gut möglich, dass sie dort war oder in der Küche. Ich saß am offiziellen Tisch mit meinem Vater, und wir waren unter den Ersten, die gingen. Es war sehr voll im Saal.«

Er musste sich stärker bemühen, sie auf seine Seite zu ziehen. »Helfen Sie mir, einen Einblick in Nisis Leben zu bekommen, Litia. Mit wem war sie am engsten befreundet?«

»Möglicherweise mit ihren Mitbewohnerinnen, Eseta und Vasenai, aber nicht zwangsläufig. Ledua war immer sehr nett zu ihr, und ich glaube, für Nisi war sie wahrscheinlich so etwas wie eine Mutterfigur. Aber ob sie sich ihr anvertraut hat – da müssten Sie Ledua fragen.«

»Standen Akanisi und ihr Onkel Jona sich nahe?«

Adi Litia zog erneut die Augenbrauen mitsamt Muttermal hoch. »Oh, das glaube ich nicht. Jona ist eher der ernste, strenge Typ, wissen Sie.«

»Und wie war Akanisi?«

Adi Litia antwortete nicht sofort, sondern blickte ein paar Momente aus dem Fenster. Dann sah sie Horseman konzentriert an. »Nisi war geschickt, mit Begeisterung bei der Arbeit, und sie zeigte Eigeninitiative. Sie hatte ein besonderes Talent für Blumenschmuck, sie band zum Beispiel wunderbare Salusalu

Diese Aristokratin war eine harte Nuss. Er versuchte es noch einmal. »Das klingt wie ein Arbeitszeugnis, Litia. Akanisi ist tot, sie wird sich nie wieder auf eine neue Stelle bewerben. Können Sie mir sagen, wie sie als Mensch war?«

»Sie war achtzehn, außer dem Dorfleben kannte sie so gut wie nichts. Sie war hübsch und lebendig. Letztlich aber war sie dumm.« Litia klang jetzt fast trotzig.

»Inwiefern war sie dumm?«

Adi Litia seufzte ungeduldig. »Von einem Tag auf den anderen wurde sie in ein High-End-Boutique-Resort verpflanzt, wo sie auf Welten traf, von denen sie nie zu träumen gewagt hatte. Bei klarer Sicht konnte sie vom Restaurant aus die Hügel ihrer Heimatinsel sehen, ihr früheres Leben. Sie wollte weiterkommen, buchstäblich. Sie dachte, sie könnte es und sie würde es. Das war dumm.«

»Warum? So etwas ist schon vorgekommen.«

»Ja, ist es, aber nicht bei Leuten wie ihr.«

Horseman fiel es schwer zu glauben, dass die Frau es ernst meinte. »Hatte sie einen Fluchtplan?«

»Ich vermute, Flucht durch Ehe. In den ersten Monaten, die sie hier war, flirtete sie ziemlich viel, aber sie verbrachte auch viel Zeit mit Maika. Ich fand, sie passten gut zueinander, und ich dachte, sie würden wohl heiraten und hierbleiben. Aber zuletzt hat sie ihre Fühler anderweitig ausgestreckt, glaube ich.«

Adi Litia sprach, als wäre es das Natürlichste von der Welt, dass sie das Leben ihrer Angestellten so genau im Blick hatte.

»Aha, und wie sah das aus?«

»Sie hatte besonderes Interesse an allen, die aus Übersee waren, zumindest kam es mir so vor. Ich glaube, sie war auch oft im Forschungscamp. Die Wissenschaftler sind seit Oktober hier.«

»Glauben Sie, dass sie an jemandem dort interessiert war?«

»So konkret kann ich das nicht sagen. Sie war bei allen beliebt, und das kostete sie aus.« In Adi Litias melodischer Stimme schwang die Verbitterung der Unbeliebten mit.

»Ich hätte nicht gedacht, dass Ihnen viel entgeht, Litia. Was glauben Sie, wo Akanisi gestern Nachmittag war? Mir scheint, als hätten alle der Segnungszeremonie beigewohnt.«

»Das stimmt. Niemand hatte Dienst außer Jona, Maika und ein paar anderen Jungs, die sich um die Boote kümmerten. Ich bin allerdings nicht sicher, ob alle aus dem Camp da waren. Ich habe noch nie so viele Menschen auf einmal hier gesehen, ich kann also nicht mit Sicherheit sagen, wer da war und wer nicht, außer sie haben auf besondere Weise auf sich aufmerksam gemacht.«

»Tja, etwas Besonderes ist ja auch passiert. Was für eine Theorie haben Sie zu dem Zwischenfall mit dem Boot?«

Adi Litia richtete sich kerzengerade in ihrem Sessel auf. »Ein Unfall«, sagte sie entschieden.

»Jona kennt doch sicher jeden einzelnen gefährlichen Felsen vor der Insel?«

»Ja, das kann man wohl sagen. Aber ich glaube, es war nicht leicht, das Boot in so langsamem Tempo ruhig zu halten, damit mein Vater und der Pfarrer stehen und sich bewegen konnten, ohne sich festhalten zu müssen … Bei all dem muss Jona einen Augenblick lang nicht aufgepasst haben. Und ich bin auch nicht sicher, ob das Boot tatsächlich gegen einen Felsen gestoßen ist oder nicht. Wenn man längs auf Grund läuft, hat das einen ziemlich ähnlichen Effekt. Ich gebe Jona rein gar keine Schuld.« Aus ihrem Munde klang es vollkommen plausibel.

»Ich habe gehört, dass Jona gegen das Meeresschutzprogramm ist.«

»Dann haben Sie wohl von seinem Auftritt beim Mittagessen gehört – dem Tischgebet?«

»Das habe ich.«

Sie zuckte die Achseln. »Es war ein bisschen unangenehm, aber man sollte es am besten ignorieren. Ich hoffe, die Presse greift es nicht auf und macht eine große Sache daraus. Ja, Jona ist gegen das Schutzgebiet, angeblich aus theologischen Gründen. Aber er kann sich dem nicht widersetzen. Es ist beschlossene Sache, das Gesetz zum Meeresschutz ist in Kraft getreten.« Sie lächelte beschwichtigend.

»Wenn Ihnen noch etwas dazu einfällt, wo Nisi gestern Nachmittag gewesen sein könnte, lassen Sie es uns bitte wissen.«

»Das werde ich. Ich werde auch meinen Vater fragen.«

Adi Litia griff nach der Aktenmappe und reichte sie ihm. »Hier drin finden Sie Ausdrucke von allem, worum Sie gebeten haben. Originale oder ein Register haben wir im Grunde nicht – es ist alles digitalisiert. Neben den Namen der Gäste ist gekennzeichnet, wer gestern und wer heute ausgecheckt hat.«

Beeindruckend. »Wenn jedes Büro Sie als Leiterin hätte, wäre mein Job um einiges einfacher. Ach, eine Sache wäre da noch. Ich habe hier Akanisis Fotoalbum. Es wäre gut zu wissen, wer die Personen auf den Bildern sind. Könnten Sie uns dabei behilflich sein?«

Adi Litia zog die Augenbrauen hoch, sagte aber einigermaßen entgegenkommend: »Ich schätze, ihre Familie kenne ich. Ich tue, was ich kann.«

»Vinaka vakalevu, Litia.«

»Ich sehe Sie dann beim Abendessen, Inspector. Ian hat Sie eingeladen, heute Abend bei uns am Tisch zu sitzen. Möchten Sie, dass ich das Essen für Ihre Kollegen in Ihre Bure bringen lasse?«

Er hasste diese Art von gesellschaftlichem Dilemma. Er war nie sicher, wie er sich verhalten sollte, und der Stress, den solche Situationen in ihm hervorriefen, lenkte ihn ab und nahm ihm die Energie für den Fall. Sein Instinkt riet ihm, bei seinem Team zu bleiben.

»Vinaka, Litia, aber meine Gegenwart würde Sie sicher nur bei Ihren geschäftlichen Angelegenheiten stören.«

Adi Litia fiel die Kinnlade herunter. Dann brach sie in herzhaftes, melodiöses Lachen aus.

»Oh, Inspector, Sie verstehen mich falsch! Es gibt nur ein Thema, über das wir reden wollen: Rugby. Es mag etwas fehl am Platz erscheinen einen Tag nach Akanisis Tod, aber wir dürfen diese Chance, mit dem großen Joe Horseman über Rugby zu fachsimpeln, nicht verstreichen lassen.« Horseman hatte die Vermutung, dass sie es ironisch meinte, aber sie klang völlig aufrichtig.

»In dem Fall nehme ich sehr gern an. Würden Sie auch einen Tisch für vier für mein Team reservieren? Sie werden dann ebenfalls im Restaurant essen.«

Tropische Gefahr

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