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Sonntag 1
ОглавлениеSUVA
Detective Sergeant Josefa Horseman blickte aus der Twin-Otter-Maschine hinab, die ihn von Nadi nach Suva brachte, Hauptstadt der Fidschi-Inseln. Um halb acht Uhr morgens stiegen Wolken aus den tiefen Tälern auf; weiße Schwaden, die sich verdichteten, je höher sie hinaufschwebten. Manche von ihnen mochten sich nicht lösen und klammerten sich an die Gipfel. Das Flugzeug zog über das Hochland hinweg und sank über dem breiten Flickenteppich des Rewa-Tals hinab, wo die Bewohner der Kleinbauernhöfe auf den überfluteten Feldern bereits ihrer Arbeit nachgingen.
Nun, da Horseman die silbernen Windungen des Rewa-Flusses sehen konnte, neigten sich auch seine Gedanken dem Leben auf dem Land unter ihm zu. Die neue Brücke in Nausori, schon mit dem Bau in Verzug, als er Fidschi vor einem Jahr verlassen hatte, sah zwar so aus, als wäre die Fahrbahn fertiggestellt, freigegeben aber war sie offenbar noch immer nicht. Der Verkehr führte nach wie vor über die klapprige alte Brücke. Das Flugzeug zog eine Kurve, bevor es sich wieder aufrichtete und auf die Landebahn zuhielt, und Horseman grauste es auf einmal davor, zu den alltäglichen Frustrationen der Polizeiarbeit zurückzukehren.
Die acht Passagiere stiegen aus. Horseman spürte, wie sein Körper heftig gegen das Klima seiner Heimat protestierte. Wo er herkam, war jetzt Winter, hier aber bekam er keine Luft und hatte das Gefühl, in schwülwarmem Dampf zu ertrinken. Ein paar angestrengte Atemzüge schienen seine Lungen jedoch zu weiten, und er humpelte über das Rollfeld zu dem kleinen baufälligen Terminal. Wenige Minuten später hatte er sein Gepäck und trat durch den Ausgang. Sofort wurde er von einer fröhlichen Empfangsgesellschaft aus Verwandten umringt.
»Oi le! Joe, Joe! Bula!«
Strahlendes Lächeln und feuchte Augen begrüßten ihn. Seine Taschen wurden ihm abgenommen. Er umarmte seine Mutter und neigte den Kopf, damit sie ihm einen süß duftenden Salusalu umhängen konnte. Hände klopften ihm auf die Schulter, als würden sie überprüfen wollen, dass er tatsächlich leibhaftig hier war. Schließlich schmückten ihn sechs Blumenkränze, und auf seinem Gesicht vermischten sich Tränen mit Schweiß. Seine Mutter nahm ihn am Arm.
»So, Josefa, Folgendes haben wir geplant. Wenn wir jetzt losfahren, sind wir rechtzeitig im Dorf für die Kirche um elf. Die Jungs bereiten die Grube für das Lovo vor, und der ganze Clan kümmert sich um das Festessen. Es wird etwas ganz Besonderes, alle deine Lieblingsgerichte! Wie lange hast du noch Urlaub?«
Nur zu gern hätte er getan, was alle von ihm erwarteten, wirklich. »Wahrscheinlich gar nicht mehr, Mum. Ich vermute, dass ich mich morgen zum Dienst melden muss. Ich rufe von der Flughafenwache aus im Präsidium an, bevor wir losfahren.«
»Was? Ich kann nicht glauben, dass du keinen Urlaub bekommst nach deiner langen Anreise, so viel, wie du gebüffelt hast, und dazu deine OP, dann die Reha …«
»Mum, wenn es nach den Leuten auf dem Revier geht, hatte ich einen sehr privilegierten Urlaub und bin ihnen eine Menge schuldig.«
Mrs Horseman straffte die Schultern; wenn nötig, würde sie es mit der gesamten Polizei von Fidschi aufnehmen. Mit einem Lächeln erinnerte Horseman sich daran, wie eindrucksvoll sie in seiner Kindheit Fehlverhalten, üblicherweise seines, gehandhabt hatte. Sein Vater war in der Hinsicht lockerer gewesen und hatte das Feld ihr überlassen.
»Entschuldige bitte, aber da bin ich anderer Ansicht, Josefa. Du hast dir das Bein ruiniert, weil du dem Rugbyteam der Polizei Ehre gemacht hast. Ganz zu schweigen von unserer Nationalmannschaft, den Sevens und zwei Weltmeisterschaften. Wenn das nicht die Ausübung deiner Pflichten war, dann weiß ich auch nicht weiter. Fünf Premierships hintereinander! Der Polizeipräsident hat sich im Ruhm gesonnt, als hätte er selbst all die Treffer erzielt! Wie geht es deinem Knie eigentlich inzwischen?« Sie warf den geschulten Blick einer Krankenschwester auf sein rechtes in einer Jeans steckendes Bein. »Das muss ich mir nachher noch genauer ansehen.«
»Es macht sich gut, Mum. Für die nächste Saison sollte ich wieder fit sein.«
»Moment mal, hat der Spezialist nicht gesagt …«
»Detective Sergeant Horseman? Bula, Sir. Es tut mir leid, wenn ich störe, Sir.« Ein schwitzender Polizist in Uniform stand vor ihnen stramm.
Erleichtert drehte Horseman sich zu ihm um. »Bula vinaka, Constable.« Er warf einen Blick auf das Namensschild. »Peni Dau. Stehen Sie entspannt, Peni.«
»Eine Nachricht vom Polizeivizepräsidenten, Sir.« Er reichte Horseman einen formellen braunen Umschlag.
Horseman las die Nachricht. Wieder einmal würde er seine Familie enttäuschen, und er konnte nichts dagegen tun.
»Mum, Leute, es tut mir furchtbar leid, aber ich wurde umgehend ins Präsidium bestellt. Ich habe keine Ahnung, wie es danach weitergeht, aber ich fürchte, ich kann jetzt nicht mit euch nach Hause fahren.«
Die Lippen seiner Mutter zitterten einen Augenblick, dann presste sie sie zu einem schmalen Strich zusammen. »Und welches Recht hat dieser Jungspund Rusiate, deine Heimkehr zu ruinieren? Ich bin mit seiner Schwester zur Schule gegangen! Er war zehn Jahre jünger als wir – ständig hat er sich zu uns aufs Schulgelände geschlichen, um sich hinter seiner Schwester zu verstecken und seine eigenen Klassenkameraden zu verpetzen!«
Ihre rechtschaffene Empörung brachte sie alle wieder zum Lächeln.
»Mum, ich habe dir doch erklärt, dass ich in den Augen der Polizei ein ganzes Jahr lang frei hatte.«
»Nun, dann fahren wir alle in die Stadt, und ich erzähle dem jungen Rusi, was ich davon halte! Dein Cousin Seru ist mit seinem Pick-up da. Da passen wir zu fünft rein. Nach dem Treffen mit Rusi bleibt uns dann genug Zeit, um zum Mittagessen im Dorf zu sein.«
»Ich fürchte, der Boss hat den Kollegen hier geschickt, um mich abzuholen. Ich fahre besser mit ihm, sonst bekommt er Schwierigkeiten. Ich weiß noch nicht, ob ich nach der Besprechung Zeit habe.« Er zuckte die Achseln. »Es tut mir leid, Mum.«
»Wir warten draußen, bis du aus der Besprechung rauskommst, Joe.« Ihre Augen funkelten schelmisch. »Keine Sorge, ich geb mir Mühe, dich nicht zu blamieren, mein Junge.« Es war eine Erleichterung, sie wieder scherzen zu hören. Er tätschelte ihr die Schulter.
Horseman winkte den Polizisten her, der sich diskret ein wenig von ihnen entfernt hatte. Umgehend war er wieder bei ihnen. »Sind Sie bereit zur Abfahrt, Sir? Ich hole den Wagen.«
»Nicht nötig, Peni, ich komme mit Ihnen.«
Sie stiegen ein, doch Constable Dau machte keine Anstalten, den Wagen zu starten. Er sah aus, als würde er sich für eine unangenehme Pflicht rüsten wollen.
»Stimmt etwas nicht?«, wollte Horseman wissen.
Constable Dau hielt den Blick aufs Lenkrad gerichtet. »Nein, Sir. Ich wollte Ihnen nur sagen, Sir, es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen. Wissen Sie, meinen Freunden und mir tut es unendlich leid, dass Sie kein Rugby mehr spielen werden.«
»Wo haben Sie das denn gehört, Peni? Ich habe vor, nächste Saison wieder dabei zu sein oder die übernächste. Und jetzt lassen Sie uns fahren. Wir können den Polizeivizepräsidenten an einem Sonntagmorgen nicht warten lassen.«
Es war erst neun Uhr dreißig, als Horseman am Polizeipräsidium oben auf einem Hügel über dem Zentrum von Suva eintraf. Das Gebäude sah aus wie früher, doch der weitläufige asphaltierte Parkplatz gegenüber war verschwunden. Der Fußweg war mit Sperrholzplatten abgetrennt, hinter denen ein Baugerüst gute zwanzig Meter in den Himmel ragte. Die darin eingefasste Struktur schien etwa vier Stockwerke hoch zu sein, was bereits höher war als die meisten Gebäude in Suva. Zu Horsemans Erstaunen waren die Arbeiten selbst am Sonntag im Gange. Ein gewaltiger Kran hob langsam eine Betonplatte an und schwang sie zu den wartenden Bauarbeitern, die sie dann vorsichtig in die richtige Position manövrierten. Eine gefährliche Arbeit, selbst mit den Schutzhelmen, die nicht gerade stabil aussahen, und eine Arbeit, in der die meisten Bauarbeiter auf Fidschi nicht besonders erfahren sein dürften.
»Sie kommen ziemlich schnell voran mit dem Hotel, was?«, bemerkte Constable Dau. »Angeblich soll es bis Weihnachten fertig sein, alle zehn Stockwerke, und die Geschäfte und das Café im Erdgeschoss machen schon im August auf.«
Horseman sah einen Augenblick zu und fragte sich, wo die Bauarbeiter wohl herkamen. Vielleicht waren sie aus dem Ausland zurückgekehrt, angelockt von saftigen Zulagen. Das kam vor, doch wenige, die ihr Glück woanders gesucht hatten, blieben dauerhaft hier, es sei denn, sie hatten in der Fremde eine Niederlage erlebt. »Hier entlang, Sir.« Der Constable führte ihn zur Treppe.
»Sitzt der Vizepräsident noch im zweiten Stock, Peni?«
»Io, Sir.«
»Dann weiß ich, wo ich hinmuss. Warum lassen Sie den diensthabenden Kollegen nicht wissen, dass Sie zurück sind?«
Constable Dau sah unglücklich aus, aber er würde es hinnehmen müssen. Horseman wollte die Treppenstufen unbeobachtet in Angriff nehmen. Die erste Etage bewältigte er mühelos, doch auf den letzten Absätzen rebellierte sein operiertes Knie. Er stützte sich am Geländer ab und trat gleichmäßig auf, das Gewicht auf beide Beine verteilt, so wie die amerikanischen Therapeuten es ihm beigebracht hatten. Oben angekommen blieb er stehen, um zu verschnaufen, bevor er zur einzigen Tür rechts der Treppe ging. Sie stand offen. Er klopfte an die Glasscheibe. Sein Vorgesetzter stand von seinem Schreibtisch auf und kam auf ihn zu.
»Ah, Detective Inspector Horseman, kommen Sie rein, kommen Sie rein. Bula vinaka. Willkommen zu Hause.«
»Vinaka vakalevu, Sir.« Horseman ging nicht auf das ein, was nur ein Versprecher bezüglich seines Rangs gewesen sein konnte.
»Wie geht es Ihnen, Joe, wie geht es Ihnen? Dem Knie geht es wohl besser, hm? Ich habe Sie die Treppe hochkommen gehört, das klang nicht verkehrt. Vielleicht ein bisschen langsam, hm? Wir haben natürlich Berichte von den Ärzten in Oregon bekommen. Sie sind der Meinung, Sie könnten zurück an die Front, solange Sie die Anweisungen befolgen, die Sie erhalten haben, und weiter Ihre Übungen machen. Aber das wissen Sie ja.«
»Ja, Sir. Die OP war erfolgreich, und in der Reha habe ich hart trainiert. Ich hoffe, hier weitere Fortschritte machen zu können.«
»Ein Sportler wie Sie weiß, was Training bedeutet, hm? Ich habe keinen Zweifel, dass Sie dranbleiben und sich wieder vollkommen erholen.«
»Ja, Sir. Ich kann es kaum erwarten, wieder für die Polizei im Einsatz zu sein.«
Der Vizepräsident nickte und lächelte, ein väterliches, mildes Lächeln. Irritierend. »Alles zu seiner Zeit, hm? Aber mir wurde gesagt, das neue Knie sollte für die Polizeiarbeit kein Problem sein. Die siegreichen Zeiten gehen wohl für jeden von uns einmal zu Ende, hm? Aber Sie sind ja noch jung und haben eine anständige Karriere bei uns in Aussicht, Detective Inspector. Sie wurden sicher heute früh von Ihrer Familie in Empfang genommen?«
Was war nur mit dem Vizepräsidenten los? Wurde er senil? Vor einem Jahr hätte er sich bei niemandem in seinem Rang geirrt. »Ja, Sir, es sind einige meiner Verwandten zum Flughafen gekommen, um mich für einen Kirchgang und ein Lovo ins Dorf meiner Mutter zu entführen. Sie waren einigermaßen betroffen, als Constable Dau auftauchte, um mich direkt hierherzubringen. Übrigens warten sie inzwischen draußen vorm Gebäude in der Hoffnung, dass ich nach unserer Besprechung frei habe und mit ihnen fahren kann.«
Sein Vorgesetzter runzelte die Stirn. »Das tut mir leid, Joe, aber in meinem Brief an Sie letzte Woche habe ich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie ab heute hier im Dienst gebraucht werden. Der übliche Mangel an Kollegen, hm?«
»Sir, es tut mir leid, aber ich habe Ihren Brief vor meiner Abreise nicht erhalten. Ich musste vorgestern aus Portland abfahren, um am Morgen den Flug von L.A. mit Air Pacific zu erwischen. Vielleicht ist das der Grund.«
Wieder ein väterliches Nicken. »Ach ja, das kann sein. Meine Sekretärin hat noch eine E-Mail geschrieben, als ich nichts von Ihnen gehört habe. Die haben Sie doch sicher bekommen?«
»Nein, Sir. Mein vorübergehender Account auf dem Server der Polizei von Oregon wurde einen Tag vor meiner Abreise aufgelöst – Sicherheitsvorschriften. Die Mail muss also an Sie zurückgegangen sein, oder …« Horseman verstummte wenig überzeugend und ging gedanklich die verschiedenen Möglichkeiten durch.
»Keine Sorge, Joe, die technischen Einzelheiten kümmern mich nicht, ich habe keinerlei Ambitionen, mich mit IT auszukennen, das ist ja einer der Gründe, weshalb wir Sie zu dieser Fortbildung nach Portland geschickt haben.«
»Ja, Sir.«
»In dem Fall haben Sie wohl auch die neuesten Ankündigungen nicht gesehen, hm.« Das war eine Feststellung.
»Nein, Sir, ähm, ich habe mich auch gefragt …«
Sein Vorgesetzter unterbrach ihn. »Warum ich Sie mit Detective Inspector anrede? Und ich habe mich gefragt, warum Sie nichts zu Ihrer Beförderung gesagt haben. Ist Ihnen bewusst, dass es diese Verwirrung in Zeiten des Telegramms nicht gegeben hätte?«
»Vinaka vakalevu, Sir. Das ist eine Überraschung, und eine Ehre.« Der Zeitpunkt war alles andere als günstig, um darum zu bitten, den Rest des Tages frei zu bekommen, aber er war es seiner Familie schuldig. Er bemühte sich um einen unbeschwerten Tonfall. »Sir, das ist umso mehr ein Grund für meine Familie, um zu feiern. Ich fürchte, meine Mutter wird heute kein Nein akzeptieren. Wenn es irgend möglich wäre, erst morgen zum Dienst anzutreten, oder selbst heute Abend …«
Der Vizepräsident blies die runden Wangen auf und ließ die Luft langsam wieder entweichen. »Joe, Ihnen scheint nicht klar zu sein, welche Privilegien Sie in Ihrer Laufbahn bisher genießen durften, weil wir Sie auf dem Rugbyfeld brauchten, damit Sie die Premierships für die Polizei gewinnen. Und selbstverständlich stellen wir auch immer gern die Kollegen frei, die für die Nationalmannschaft ausgewählt werden. In gewissem Maße sind Sie deswegen vor echter Polizeiarbeit bewahrt worden. Alles in unserem eigenen Interesse, ich weiß …«
»Sir, Sie übertreiben. Ein Spieler allein kann niemals ein Match gewinnen.«
»Lassen Sie mich offen reden, Joe. Auf Fidschi gibt es herausragende Spieler zuhauf, aber nur bei wenigen kann man sich darauf verlassen, dass sie eine komplette Saison durchhalten, geschweige denn Jahr für Jahr. Sie aber sind beständig, strategisch, fest entschlossen zu gewinnen. Sie waren, wer wir alle sein wollten. Sie sind ein Anführer. Jetzt ist es an der Zeit, dass Sie diese Eigenschaften für Ihre Karriere einsetzen. Sie sind ein guter Detective, sonst wären Sie nicht befördert worden. Aber jetzt, da Sie nicht mehr auf dem Spielfeld stehen, können Sie ein noch viel besserer sein. Und davon gehe ich auch aus.«
»Ich werde mein Bestes geben, Sir. Auch, wenn ich zurück auf dem Spielfeld bin.«
Es wäre wohl alles andere als hilfreich, jetzt noch weiter zu protestieren. Er und strategisch? Der Meister der Strategie war der Vizepräsident – manipulativer alter Fuchs! Horseman wartete ab. Der Vize schlug eine dünne Mappe auf.
»Gestern Abend kam ein Anruf vom Manager des Resorts auf Vula. Das Resort heißt jetzt Paradise Island – wussten Sie das? Wie absurd! Als wäre Vula so schwer auszusprechen, selbst für Ausländer. Jedenfalls ist der Manager dort aus Neuseeland, ein Kiwi. War gestern ein großer Tag dort, mit viel Tamtam für die Einweihung des Meeresschutzgebiets. Ratu, Presse, Wissenschaftler, alles. Bei Ebbe wurde draußen am Riff die Leiche eines jungen Zimmermädchens gefunden. Wahrscheinlich ein Unfall, aber bleiben Sie unvoreingenommen. Ratu Ezekaia, der Häuptling von Vula, ist ein Freund des Polizeipräsidenten, sie haben bereits gesprochen, es gibt also einen gewissen Druck, die Angelegenheit zu klären. Konnte gestern Abend niemanden mehr rausschicken – beschämend.«
»Wissen wir, wer die Leiche gefunden hat, Sir?«
»Ja, Dr. Vijay Chakra, ein Gast der Zeremonie, der über Nacht da war. Kennen Sie ihn? Er hat eine private Praxis hier in Suva. Meine Frau ist Patientin bei ihm. Sie finden alles, was wir bisher haben, in der Akte.«
Er reichte Horseman einen großen offiziellen Umschlag.
»Die Mitteilung über Ihre Beförderung, neuer Ausweis, Mobiltelefon et cetera. Unterschreiben Sie hier, dann sind Sie startklar. Der restliche Papierkram kann warten.«
Horseman unterzeichnete.
»Sie werden nach Navua gebracht. Ein Boot vom Resort holt Sie dort um elf Uhr dreißig ab – von unseren Booten ist keins verfügbar. Noch so eine Peinlichkeit. Detective Sergeant Singh erwartet Sie am Anleger. Zwei Constables sind bei Tagesanbruch rüber nach Vula beziehungsweise Paradise. Ich will Ihnen auch noch einen Detective Constable zur Seite stellen, hatte bisher aber kein Glück. Sie werden schon merken, wenn er da ist. Stellen Sie sich darauf ein, über Nacht zu bleiben, wenn es sein muss. Das Resort wird sich um Sie kümmern – es ist schließlich in deren Interesse, der Polizei zu helfen.«
»Hat Dr. Chakra einen Bericht zu seiner Untersuchung geschrieben, Sir?«
»Steht alles in der Akte, Joe, alles in der Akte. Melden Sie sich auf dem Revier in Suva, wenn Sie zurück sind. Polizeichef Navala dort wird mich auf dem Laufenden halten. Wo ist Ihr Gepäck?«
»Draußen bei meiner Familie, bei meinem Cousin im Wagen«, antwortete Horseman unwillig. »Ich hole es und verstaue es irgendwo, bis ich wieder da bin.«
»Tun Sie das – Sie werden nicht viel brauchen. Hoffentlich haben Sie ein Bula-Hemd dabei. Die sind in den Resorts anscheinend obligatorisch!« Der Vizepräsident gluckste über seinen Witz. Tatsächlich waren Bula-Hemden, hierzulande die etwas dezentere Version eines Hawaiihemds, bei den Einheimischen genauso beliebt wie bei den Touristen.
Der Vizepräsident redete weiter. »Nun gut, zumindest sollte ich Ihrer lieben Mutter die Lage erklären. Sie und meine Schwester waren in der Schule beste Freundinnen, wissen Sie? Ist das Mindeste, was ich tun kann, hm, Detective Inspector? Ich bin noch früh genug dran für den Gottesdienst oben in der Central Methodist um halb elf.« Der beleibte Mann trug seinen Sieg mit Würde, nahm seine abgegriffene schwarze Bibel und begleitete seinen neuen Detective Inspector zur Tür.