Читать книгу Tropische Gefahr - B. M. ALLSOPP - Страница 15

10

Оглавление

PARADISE ISLAND

Horseman und Professor Burgermeister saßen bei einem Getränk an einem Tisch am Rand der Terrasse mit Blick auf den Strand und aufs Meer. Die Luft war jetzt kühler, aber immer noch unglaublich schwer und feucht. Bis frühestens April gab es davor kein Entkommen. Horseman war es unbegreiflich, wie der übergewichtige Amerikaner in diesem Klima arbeiten konnte, aber seine Begeisterung war selbst dann ansteckend, wenn er sich darüber beschwerte, wie erschöpft er war. Der Kellner stellte ein eisgekühltes Fiji Bitter vor Burgermeister auf den Tisch. Horseman hätte auch gern eins getrunken, blieb aber bei seinem Chapman Soda. Die Verlockung wäre womöglich zu groß, sich bei einem Bier von Burgermeisters lässigem Charme mitreißen zu lassen.

»Prost, Inspector, genau das brauche ich jetzt, ich kann diese gottverdammte Luftfeuchtigkeit nicht mehr ertragen. Mir wird es nicht leidtun, nächste Woche das Camp aufzulösen. Wir sind schockiert über Nisis Tod, wir haben sie in den letzten zwei Monaten ziemlich gut kennengelernt. Ich glaube, die Ereignisse haben der Stimmung im Camp einen heftigen Dämpfer versetzt.«

»Wie kommen Sie mit Ihren Projekten voran?«

»Im Großen und Ganzen nach Plan. Aber nächste Woche werden wir vollauf damit beschäftigt sein, alles abzuschließen. Junge, was für ein Tag gestern. Wäre Nisi nicht verunglückt, würde ich vor Freude jubeln! Ich sag Ihnen was, es gab Zeiten in den letzten zwei Jahren, da dachte ich, es würde nie klappen mit dem Meeresschutzgebiet.«

»Glauben Sie jetzt, es kann funktionieren?«

Burgermeister warf ihm einen entrüsteten Blick zu, antwortete aber ruhig. »Alle Studien an anderen Standorten zeigen, dass die Zunahme der Arten im Riff die Erwartungen weit übertrifft, sobald die Fischerei erst einmal eingestellt ist. Warum soll es hier dann anders sein? Von diesem Deal haben alle etwas. Klar, die Gewässer innerhalb des Riffs sind jetzt tabu, aber die Ausbeute war ohnehin schon kläglich, und das wissen die Leute. Auf der anderen Seite des Saumriffs ist noch alles erlaubt. Die meisten Fischer sind ohnehin schon dorthin ausgewichen.« Aus blauen Schweinchenaugen sah der Professor ihn durchdringend an.

Horseman vermutete, dass die hiesigen Fischer da anderer Meinung waren. »Wer hat noch etwas davon?«

Der Professor grinste, diese Frage gefiel ihm schon viel besser. »Wer noch etwas davon hat? Die traditionellen Nutzer haben langfristig etwas davon, weil der Bestand im Riff sich erholen wird und weil es verboten ist, dort kommerziellen Fischfang zu betreiben. Das Resort hat etwas davon, weil die Gäste in ein paar Jahren innerhalb des Riffs schnorcheln und tauchen gehen können, ohne dass sie danach ihr Geld zurückverlangen. Und im Tourismus heutzutage ist es eine Stange Geld wert, wenn man Vula als ›in einem Meeresschutzgebiet gelegen‹ promoten kann, lassen Sie sich das gesagt sein. Die US-amerikanischen Wissenschaftler haben etwas davon, weil sie ein unwiderstehliches Projekt leiten, das Forschungsstudenten anzieht, und es beschert uns die unermessliche Freude, etwas Gutes und Nützliches zu tun.« Er trank einen Schluck Bier. Horseman bemerkte erst jetzt die Kratzer auf den Händen und Unterarmen des Professors und die abgeschürften Fingerknöchel, alle gelb verfärbt von Jod.

»Ich hoffe auf jeden Fall, dass es ein voller Erfolg wird. Kommen wir auf gestern Nachmittag zurück, Professor. Sie spielten gerade Riffgolf mit Dr. Chakra, als Sie Nisi fanden?«

»Jep. Herrgott, der Mann ist vielleicht ehrgeizig!« Er zeigte hinter die Strandmauer. »Wir waren am Rand des Saumriffs – weit da draußen. Mein Aufschlag war zu hart, und der Ball flog außer Sichtweite hinter die Korallenerhebung. Ich dachte, Mist, ich kann doch das Riff nicht zumüllen. Ich bahnte mir einen Weg durch die Korallen und die Tümpel bis dorthin, wohin mein Ball geflogen war. Der Golfball war neonpink, wissen Sie, ich habe ihn sofort in einem Büschel Trichteralgen entdeckt, wahrscheinlich Padina gymnospora. In einem Gezeitentümpel, der etwa einen Meter tief war. Ich setzte mich an den Rand und versuchte den Ball mit meinem Schläger hochzuziehen. Hab’s nicht mal annähernd geschafft.«

Horseman war klar, dass Burgermeister es nicht hätte schaffen können, auf den rasiermesserscharfen Korallen und den rutschigen Algen zu balancieren.

Der Professor hatte den Blick auf den hinteren Rand des Riffs gerichtet, an dem sich jetzt, bei Flut, kleine Wellen brachen. Horseman ließ ihm Zeit, sich zu erinnern, er wollte den Bann aufs Neue durchlebter Erinnerungen nicht brechen.

Burgermeister sah weiter aufs Riff, als er fortfuhr. »Vijay holte mich ein, stieg in den Tümpel, das Wasser bis zur Taille, und schnappte den Ball mit den Zehen. So geschickt. Er drehte sich zu mir um, den Ball wie die Freiheitsstatue in der erhobenen Hand. Dann fuhr er zusammen und erstarrte. Sein Gesichtsausdruck jagte mir irgendwie Angst ein, und ich fragte ihn: ›Hast du einen Krampf, Vijay? Was ist denn los, Kumpel?‹

Dann kam er wieder zu sich, machte ein paar Schritte und duckte sich hinab unter den Vorsprung, auf dem ich saß. Niemals werde ich sein Gesicht vergessen, als er wieder hochkam. ›Es ist Nisi. Sie ist irgendwie eingeklemmt. Wir müssen sie da rausholen, Mann. Oh Gott! Nisi!‹

Ich sagte: ›Um Gottes willen! Was soll ich machen?‹

Vijay sammelte sich und rief: ›Sie hängt fest. Ich versuche sie loszumachen und rauszuziehen. Zusammen sollten wir es schaffen, sie über die Kante zu hieven.‹«

Horseman war inzwischen mit Burgermeister zusammen bildlich in die Szene eingetaucht. Er hatte keinen Zweifel daran, dass der Mann das, was er erneut vor sich sah, haargenau beschrieb. Dann blickte Burgermeister Horseman direkt in die Augen. »Wissen Sie, als wir sie da rausholten, hatte sie noch die neue Dienstkleidung an, die das Personal gestern trug. Die Rugbybälle und Palmen auf dem Hemd, Schwarz und Weiß, die Farben der Nationalmannschaft, verflucht noch mal – so was gibt’s auch nur auf Fidschi! Entschuldigen Sie, ich weiß, dass Sie ein nationaler Rugbystar sind! Ich musste jedenfalls kotzen.«

Burgermeister wandte den Blick wieder zum Riff und redete weiter. »Vijay zog das arme Mädchen an den Rand des Vorsprungs und schob sie hoch. Ich kniete oben und hatte zugegeben ganz schön damit zu kämpfen, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Ich bekam sie lediglich oben an einem Arm zu fassen. Himmel, wie die Korallen ihr die Haut abgeschürft haben … furchtbar. Ich erwischte sie unter den Achseln und zog weiter, während Vijay von unten drückte. Dann fiel ich rücklings hin. Was hab ich mich geschämt. Da lag ich also, wie ein fetter hilfloser Käfer auf dem Rücken auf den scharfen Steinen, und die Leiche des Mädchens auf mir. Irgendwann kriegte ich sie von mir runtergerollt; wie, weiß ich nicht mehr. Bis ich mich wieder aufgerichtet hatte, hatte Vijay Nisi schon auf die Seite gedreht. Wasser lief ihr aus dem Mund. Ihre Beine und Füße waren komplett zerfurcht.

Ich sagte zu Vijay: ›Ich bin viel zu langsam auf dem steinigen Boden hier. Am besten gehst du Hilfe holen, während ich hier mit ihr warte.‹

Aber das wollte er nicht. Er sagte: ›Verstehst du denn nicht, vielleicht ist sie nicht tot, Bill. Ich versuche sie wiederzubeleben. Lauf einfach so schnell du kannst, es wird gleich dunkel. Sie sollen Lampen mitbringen!‹ Vijay schob ihr die Finger in den Mund, fischte ein paar Algen und einen Krebs heraus, rollte sie auf den Rücken und fing an mit Mund-zu-Mund-Beatmung.

Ich hob unsere beiden Schläger auf und schaffte es irgendwie mit Hilfe der Schläger zurück zur Strandmauer zu joggen. Ich rief nach Hilfe, und als ich am Strand ankam, liefen mir ein paar Angestellte entgegen. Als McKenzie und die anderen draußen eintrafen, war Vijay immer noch bei seinen Wiederbelebungsversuchen.«

Burgermeister kehrte in die Gegenwart zurück, sah Horseman fragend an, griff nach seinem Glas und setzte es an die Lippen. Als er den Kopf in den Nacken legte, dehnten sich die Falten unter seinem Kinn und offenbarten wie bei einem Pelikan zarte rosa Haut mit weißen Streifen. Es war Horseman ein Rätsel, wie der Mann es fertigbrachte, sich zu rasieren. Burgermeister trank sein Bier in einem Zug aus.

So aufgewühlt, wie Horseman von dem Grauen war, das Burgermeister aufs Neue für ihn durchlebt hatte, wusste er, dass er die Wahrheit gehört hatte. Aber es mochte nicht die ganze Wahrheit gewesen sein.

Tropische Gefahr

Подняться наверх